Sterilisation angeratenvon Leimbacher-Mario | Permalink |
„Amelia's Children“ wirkt vom Poster und der Inhaltsangabe wie der üblichste spanische Grusler. Das können die Spanier zwar, richtig vom Hocker haut's auf dem Sektor aber auch kaum noch wen. Guckt man jedoch genauer hin, z. B. auf den Regisseur, der zuvor den absurden und super surrealen „Diamantino“ gemacht hat, dann könnte hinter dieser blass-verlässlichen Fassade eventuell jedoch mehr stecken… Es geht um ein junges amerikanisches Pärchen, das geleitet durch einen futuristischen Gentest ins portugiesische Hinterland fährt, um dort seine verdrängte Familiengeschichte etwas zu beleuchten… Get Out… of Portugal! Man muss Klischees in seinem Horrorfilm nicht unbedingt gänzlich vermeiden. Meist funktionieren sie ja und führen Fans in erprobte Genregewässer. Aber man sollte sie zumindest neu verpacken, zuspitzen, einen eigenen Geschmack und Spin finden. Und das schafft „Amelia's Children“ trotz all seiner gewohnten Muster für mein Empfinden erstaunlich gut. Die Masken haben etwas überzogen Surreales und Fieses, alles durchzieht ein Augenzwinkern und es gibt Tabuthemen wie Inzucht, köstliche Doppelrollen und schwarzen Humor. Die Chemie zwischen den Darstellern passt. Einige Dialoge und Sätze sind bissig genug und auf den Punkt. Die Laufzeit übertreibt es nicht. Die Darsteller können sich allesamt sehen lassen. Das Sounddesign hat es in sich. Und wie gesagt, hier und da schimmert Abrantes geliebter Surrealismus mehr als nur durch. Das ist verschmitzt, das ist verspielt, das ist versiert. Längen stellen sich bei mir nicht ein. In seinen Details hat mich das köstlich amüsiert. Selbst wenn man das Grundgerüst gefühlt bereits an jedem zweiten Genregebäude gesehen hat - irgendwie spürt man hier mehr Spaß am Schrecken. Und dieses diabolische Grinsen erblickt man im heutigen Horrordschungel viel zu selten. Fazit: Oberflächlich klischeehafter Iberico-Grusler, dann aber doch in seinen Details pervers, augenzwinkernd, europäisch und böse genug, um nicht im Mittelmeermonstermamamorast zu versacken. Besser und spitzer als man meint. Mit leichten, erblichen Spuren von Fulci, Argento und Rollin. Plus: Miss Lundy-Paine ist bezaubernd. | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 05.02.2024, 01:04 |
Family Plotvon Herr_Kees | Permalink |
Interessant: Werden in einem Horrorfilm Kinder entführt, ist man sofort auf Seiten der Entführer. Da haben THE OMEN, THE EXORCIST & Co. sowie die unzähligen Genrefilme um bösartige Mütter offenbar ganze Arbeit geleistet. Und tatsächlich ist Mama Amelia natürlich nicht zu trauen, das sieht man auch als Horroranfänger. Die gute Dame hat nämlich nicht nur „etwas zu viel an sich machen lassen“, sie hat auch einen eher schlechten Ruf im Dorf und ihre Prunkvilla eine eigene Wikipediaseite mit nicht minder beunruhigendem Inhalt. Als Zuschauer ahnt man also mal wieder deutlich vor den Hauptfiguren, was hier im Busch sein könnte, was dazu führt, dass man eigentlich nur noch darauf wartet, dass Regisseur Gabriel Abrantes die erwartbaren Plot Points abhakt. Es ist Abrantes erster Horrorfilm, aber er hätte sich gerne vorher ein paar davon anschauen können, um nicht nochmal das Gleiche zu zeigen. Abgesehen von Drehbuch und Regie bildet Hauptdarsteller Carloto Cotta die größte Schwachstelle – und das auch noch in einer Doppelrolle. Während sein „Ed“ schlichtweg ausdruckslos durch den Film stolpert, muss man bei seiner Performance als Bruder „Manuel“ ständig an Tommy Wiseau aus dem offiziell schlechtesten Film aller Zeiten THE ROOM denken. Dagegen hält sich Brigette Lundy-Paine (ATYPICAL) wacker, man hätte ihr einen besseren Film gewünscht als diesen Mummenschanz. | |
Herr_Kees sah diesen Film im EM, Stuttgart | 05.02.2024, 12:36 |
Reviewvon traab | Permalink |
"Amelia's Children" (PT, 2023) ist ein portugiesischer Mystery-Horrorfilm. Inhaltsangabe: "Edwards Suche nach seiner leiblichen Familie führt ihn und seine Freundin Ryley in eine prächtige Villa hoch in den Bergen Nordportugals. Er ist voller Vorfreude, endlich seine lange verschollene Mutter und seinen Zwillingsbruder zu treffen, um herauszufinden, wer er ist und woher er kommt. Doch bald wird klar, dass ein ungeheuerliches Geheimnis Edward mit den beiden verbindet, und nichts ist so, wie es scheint." "Amelia's Children" startet mit einer starken Idee. Mit einem Gerät, welches die DNA ausliest, werden weltweit Verwandte gesucht – das klingt nach einer coolen "Black Mirror"-Folge. Schade nur, dass daraus nichts gemacht wird und es lediglich dazu dient, dass Edward seinen Zwillingsbruder findet. Und dass er und seine Mutter jetzt nicht so die Tech Nerds sind und es recht unrealistisch ist, dass sie ebenfalls diese App nutzen, macht den Plot jetzt auch nicht glaubhafter. Glaubwürdigkeit und realitätsnahes Verhalten sind aber auch sonst nicht die Stärke des Films, so trifft Edward seine Mutter, die er noch nie gesehen hat, nicht direkt, sondern später, was locker abgetan wird. Spätestens ab dem Zeitpunkt war ich storytechnisch raus und hatte zumindest auf Atmosphäre oder guten Horror gehofft. Vergebens. Dafür ist der Film so dunkel, dass man in den düsteren Szenen oft überhaupt nichts erkennen konnte, was Frust anstatt Stimmung aufgebaut hat. Am Ende wird noch ein Retter etabliert, der so billig geschrieben wurde, dass ich mir nur an den Kopf fassen konnte. Was mir gefiel, war die Obsession mit der Jugend und die Angst vor dem Altern und dem Sterben, die gerade junge Menschen gerne verdrängen. Und auch sonst gab es einige interessante Ideen, wie die Änderung der eigenen Erscheinung bzw. ein falsches Bild jemandem anderen quasi einpflanzen. Aber das reicht leider nicht aus. So ist "Amelia's Children" zwar kein kompletter Reinfall, aber wenn man bereits einige Horrorfilme gesehen hat, wird einen hier wenig überzeugen können. "Time is a whore." | |
traab sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt - Original-Review | 12.02.2024, 11:31 |
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