crazy

The Animal Kingdom

Seltsame Tierwesen und wo sie zu finden sind.

von Alexander
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Auf unerklärliche Weise verwandeln sich Menschen plötzlich in Tiere. Dies geschieht auf eine quälend langsame und für die Betroffenen sehr belastende Art, die insbesondere für Freunde und Angehörige sehr verstörend ist, zumal es auch keinerlei Erklärung für diesen „Virus“ gibt, der offensichtlich jeden jederzeit befallen kann.

Auch die Mutter von Emile ist betroffen, der sich mit seinem Vater die für junge Menschen typischen Streitgespräche liefert und auch mit seinen Freunden an der neuen Schule erst noch klar kommen muss. Da wird viel diskutiert, gestritten und werden fast im Sinne des französischen Autorenkinos recht schlagfertige Dialoge abgefeiert, die aus „The Animal Kingdom“ stellenweise eher ein fast witzig anmutendes „coming of age“-Dramödchen denn einen Fantasyfilm machen.

Während dann ein Teil der Gesellschaft in den Tierwesen eine Gefahr zu erkennen glaubt, versuchen andere diese einfach zu akzeptieren, stellenweise auch zu ignorieren, während gleichzeitig einige Tiermenschen im nahe gelegenen Wald ihre Zuflucht zu finden hoffen. Der Zuschauer kommt einigen wenigen Kreaturen dann langsam etwas näher, so wie auch Emile, dessen Vater immer noch versucht, die Mutter in den Tiefen des Waldes zu finden ...

Der Umgang von zu Tieren mutierten Menschen mag hier als Analogie für die Akzeptanz des Andersartigen und Fremden gedacht sein, und das teilweise befremdliche Selbstverständnis, mit dem diese Verwandlungen akzeptiert und an keiner Stelle des Filmes jemals wirklich hinterfragt oder aufgeklärt werden, hat etwas traumtänzerisch Fatalistisches. Idealerweise kann das alles als Votum für ein humaneres Miteinander und mehr Toleranz verstanden werden, stellenweise wirkte das fast schon penetrante Ausblenden der Tragik dieser Verwandlungen, mit den schrecklichen Konsequenzen der davon betroffenen Menschen, auf mich allerdings recht verstörend.

Die angekündigten, zauberhaften Bilder, die ich mir über eine längere Zeit des sehr langen Films eigentlich gewünscht hätte, vermochte ich allerdings nur im letzten Viertel zu erkennen. Hier taucht der Zuschauer für kurze Zeit dann endlich ein, in die Ruhe eines stillen Waldes, der Zuflucht bietet und von dem im Halbschatten oder fallenden Regen, zwischen wilden Bächen und Farnen, endlich die erwarteten, schönen Bilder geschaffen werden, die im Kontrast stehen zu den anfangs etwas anstrengenden Dialogen und voll unterschwelliger Aggression stehender Protagonisten.

Ein im positiven Sinne gemeinter sehr bizarrer Film, mit zahlreichen sehr lebensbejahenden Momenten in einer eigentlich sehr traurigen Geschichte.
Alexander
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

10.09.2023, 10:18


Review

von traab
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"Le règne animal" aus dem Jahr 2023, international als "The Animal Kingdom" veröffentlicht, ist ein Film, der die Genregrenzen verschwimmen lässt. Hier treffen Coming-of-Age-Elemente auf Body-Horror und Familiendrama in einem faszinierenden Mix aus Frankreich.

"Émile und sein Vater besuchen Émiles Mutter im Krankenhaus. Dort werden sie Zeugen einer beunruhigenden "Krankheit", die die Menschen in Tiere verwandelt. Auch Émiles Mutter ist betroffen. Während François nach seiner Frau sucht, begibt sich Émile alleine in den Wald, wo er auf die verwandelten Menschen trifft."

Die Geschichte entfaltet sich in einer Welt, in der Menschen von einer Art Krankheit befallen werden, die sie nach und nach in Tiere verwandelt. Doch diese Transformation wird von der Gesellschaft nicht als Wunder, sondern als Bedrohung wahrgenommen.

Für den jungen Émile, dessen Mutter ebenfalls betroffen ist, wird diese Situation zu einer belastenden Geheimnislast. Seine Scham über die Andersartigkeit seiner Familie spiegelt die Intoleranz der Gesellschaft gegenüber dem Fremden und Anderen wider.

"Le règne animal" erzählt eine tief berührende Geschichte über bedingungslose Liebe und das Streben nach Akzeptanz.

Besonders beeindruckend ist die Darstellung der Verwandlung der Menschen in Tiere und die schrittweise Annäherung von Émile an diese unheimliche neue Realität. Er lernt, dass die sogenannten "Monster" oft mehr Menschlichkeit in sich tragen als die oberflächliche Gesellschaft wahrnimmt.

Die Beziehung zwischen Émile und Fix zeigt besonders gut die Botschaft des Films auf bewegende Weise: Freundschaft und Mitgefühl überwinden Vorurteile und Ängste.

Gleichzeitig ist "Le règne animal" eine zarte Liebesgeschichte, in der Émile sich in seine Klassenkameradin Nina verliebt, die ihn trotz seiner Andersartigkeit akzeptiert. Es ist ein berührender Einblick in die Welt der Jugendliebe und der ersten Gefühle.

Der Film wird von einem beeindruckenden Score begleitet, der die Stimmung perfekt einfängt. Die visuelle Pracht des Films, die mit satten Farben und fantasievollen Tierwesen gefüllt ist, zieht den Zuschauer in eine magische Welt.

"Le règne animal" ist nicht nur ein Film, sondern auch ein wichtiges Zeichen für mehr Toleranz gegenüber dem Fremden und dem Andersartigen. Die ausdrucksstarke Metapher der Transformation steht für den schmerzhaften Prozess des Heranwachsens und der Selbstakzeptanz.

Insgesamt ist "Le règne animal" ein visuell beeindruckender und tief bewegender Film, der auf vielschichtige Weise die Themen Liebe, Toleranz und die Komplexität des Menschseins erkundet. Ein absolutes Muss für Cineasten, die nach anspruchsvoller Unterhaltung suchen.
traab
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt - Original-Review

14.09.2023, 13:29


Expeditionen ins Menschenreich

von D.S.
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Was definiert uns als Mensch? Was sorgt tatsächlich dafür, dass wir von anderen akzeptiert und respektiert werden? Unsere äußere Form? Oder das, was in uns steckt?

Auf den ersten Blick ist THE ANIMAL KINGDOM nur ein weiterer Vertreter der langen Reihe von Filmen, die sich dem oft schmerzhaften Prozess des Findens einer eigenen Identität und eines eigenen Platzes in der Gesellschaft widmen, den die Pubertät darstellt – und unberechenbare, verstörende, oft gar monsterhafte Veränderungen des Teenager-Körpers als Metapher für ihn nutzen. Das Werk von Thomas Cailley macht aber schnell deutlich, dass es hier um weit mehr geht als das. Nämlich um Fragen wie die oben genannten.

Dies zeigt sich grundsätzlich schon darin, dass die merkwürdigen Mutationen, die Menschen Stück für Stück in eigenartige Tierwesen verwandeln, bei ihm keineswegs nur Jugendliche betreffen. Im Gegenteil bekommen wir zunächst vorwiegend Erwachsene präsentiert, die der mysteriösen Krankheit anheimfallen. Daneben ist es aber vor allem auch der Fakt, dass THE ANIMAL KINGDOM sich ausführlich mit der Gefühls- und Lebenswelt der Mutierten beschäftigt, sie mit derjenigen der „normalen“ Menschen kontrastiert und deutlich macht, dass es eigentlich ausschließlich Letztere sind, die ein Problem mit dem neuen Status Quo haben, der dafür sorgt, dass sein wesentlich umfassenderer Ansatz bzw. Anspruch in den Vordergrund rückt. Im eigentlichen Sinne „unmenschlich“, empathielos und hasserfüllt treten hier jedenfalls ausschließlich die vorgeblichen Menschen auf (wenn auch bei Weitem nicht alle!), was eine ziemlich klare Sprache spricht.

Dass der Film trotz dieser inhaltlichen Schwere und seiner klaren humanistischen Positionierung keine Sekunde lang so wirkt, als würde er den ominösen Zeigefinger schwenken, hat er einerseits seiner luftig leichten, an vielen Stellen nicht nur visuell begeisternden, sondern insbesondere auch überraschend humorvollen Inszenierung zu verdanken – andererseits seinen Darstellern, die eine überragende Leistung abliefern. Gerade, aber nicht nur, der zentrale Protagonist Émile und sein Vater François (Romain Duris aus COUPEZ! bzw. FINAL CUT OF THE DEAD) fühlen sich unglaublich lebensecht an, ihre Figuren und auch das gesamte Szenario als solches könnte man sich jederzeit in der freien Wildbahn vorstellen. Die Masken- bzw. Make-up-Effekte wirken dabei zugegebenermaßen nicht in allen Fällen vollends überzeugend, in einigen dagegen umso mehr.

Zwar erzählt THE ANIMAL KINGDOM eine dramatische, zuweilen tragische Geschichte, die einige sehr bittere Momente enthält und unter Umständen sogar für Tränen sorgen kann. Insgesamt strahlt die Umsetzung jedoch einen derartigen Optimismus und Humanismus, ein solches Maß an Freiheitsdrang und Lebensfreude aus, dass sie den Zuschauer mit einem großen, erfüllten Lächeln entlässt. Wunderschön gefilmt, fantastisch gespielt, im Detail weder vorhersehbar noch klischeehaft: Eine echte kleine Offenbarung des Fantasy-Kinos. 7,5 Punkte.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

17.09.2023, 01:20


Zeit für Veränderung

von Herr_Kees
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Eine neue Evolutionsstufe hat begonnen: Die Menschen verwandeln sich wieder in Tiere. Vom nicht betroffenen Rest der Menschheit wird dieses Phänomen als Krankheit eingestuft, Infizierte werden geächtet, verfolgt und in „Center“ eingeliefert. Bei einem solchen „Krankentransport“ gelingt einigen Tiermenschen die Flucht – darunter auch Julie, der Mutter von Émile. Gemeinsam mit seinem Vater macht er sich im Wald auf die Suche nach ihr.

Filme um Infizierte wurden schon immer gerne als Parabel für die Ausgrenzung Andersartiger und eine gesellschaftliche Spaltung genutzt, insbesondere im Zombiegenre. Doch ANIMAL KINGDOM eröffnet noch einmal eine neue Bedeutungsebene: Was, wenn die Transformation die letzte Rettung der Menschheit wäre? Der letzte Ausweg aus Klimakrise, Umweltkatastrophen und Selbstzerstörung? Zwar deutet der Film diese Idee nur an, doch erscheinen die Verwandelten seltsam in Frieden mit ihrer neuen Situation zu sein, als hätten sie sich der erforderlichen Anpassung, dem „Survival of the fittest“ gefügt.

LE RÈGNE ANIMAL ist herzlich und poetisch erzählt, nimmt sich viel Zeit für die Entwicklung Émiles und seine Beziehung zu seinem Vater sowie für die Annäherung an die Wesen im Wald, von denen insbesondere der Vogelmensch „Fix“ nachaltig beeindruckt. Überhaupt ist das Creature Design sehr eindrucksvoll, lediglich die raren Computereffekte trüben etwas den Sehgenuss.

Fazit: Poetische Parabel um eine mögliche nächste Entwicklungsstufe der Menschheit sowie sensibel und humorvoll erzählte Coming-of-Age- und Familiengeschichte mit tollem Score.
Herr_Kees
sah diesen Film im EM, Stuttgart

24.09.2023, 00:15


Weckt den Tiger in dir!

von Leimbacher-Mario
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Das Center Piece des Fantasy Filmfests enttäuscht selten. Auch „Animal Kingdom“ nicht. Thematisch wie qualitativ in einer Reihe mit „District 9“ und „Border“, sollte für viele somit schon genug gesagt und komplimentiert sein. Ich schreibe dennoch noch ein paar weitere Worte - denn dieser wilde und wirklich berührende Genremix hat jede Jubelarie verdient! Erzählt wird in einer Welt, in der sich viele Menschen langsam in Tiere verwandeln und mit denen (wenig überraschend) überhaupt nicht mitfühlend oder Verständnis geschweige denn liebevoll umgegangen wird, von einem Teenager und seinem Vater, die persönlich unter diesen genetischen wie gesellschaftlichen Änderungen leiden…

Krallen zum Kraulen, nicht zum Kratzen

Super sensibel und emphatisch ist Thomas Cailleys ganz besondere Coming-of-Age-und-noch-so-viel-mehr-Geschichte. Und das von seiner sensationellen Schauspielentdeckung, dem jugendlichen und noch total frisch, unbedarft, echt wirkenden Protagonisten, bis zu der absolut im Ohr bleibenden Titelmelodie. Oft wird im Genre das Erwachsenwerden und die Pubertät mit Horroraspekten in Verbindung gebracht, von Werwölfen bis zu Bodyhorror. Auch „Animal Kingdom“ hat diese Parallelen. Ist dabei aber um einiges cleverer, intimer und authentischer als die meisten seiner Konkurrenzprodukte in dieser Kategorie. Er strahlt passend zu Thema, Flora und Fauna ein sehr ursprüngliches und kraftvolles Gefühl aus. Der Computereffekt eines fliegenden Vogel-Mensch-Hybriden sieht nicht immer top notch aus. Aber das kann man verschmerzen. In den besten Phasen bringt er „Raw“ und „Call Me By Your Name“, „Ginger Snaps“ und „X-Men“ unter einen Hut. Ja, solch ein Spektrum wird hier abgedeckt und zauberhaft verschmolzen. Das ist großes Genrekino aus Frankreich. Man kann es nicht anders sagen. Human und universell. Düster und doch hoffnungsvoll. Frankreich ist in dieser Beziehung eh mehr als nur im Kommen, eher schon klarer Vorreiter auf dem gesamten Kontinent. Und „Le règne animale“ ist ein Diamant in der blau-weiß-roten Krone. Ich kann gar nicht anfangen alle Ebenen aufzuzählen, wo und wie mich dieser ungewöhnliche Hybrid überall berührt hat. Und das macht ihn zu einem absoluten Pflichtguck in diesem Kinojahr!

Fazit: Einfühlsam, natürlich, instinktiv - „The Animal Kingdom“ ist ein mitreißender Genremix auf Augenhöhe mit modernen Klassikern der Inklusion, der Tierliebe, der Coming-of-Age- und Vater-Sohn-Geschichten. Tierisch gut!
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

24.09.2023, 02:58




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