Bring Me Home

Bitterböses Thriller-Drama

von Alexander
Permalink
In der Tradition von gut gemachten Filmen aus Korea gibt es in diesem Jahr glücklicherweise wenigstens einen hervorragenden Beitrag, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Was mit der traurigen Suche eines Ehepaars nach ihrem vor Jahren verloren gegangenen kleinen Sohn beginnt, entwickelt sich im Laufe der düsteren Geschichte zu einem wirklich fiesen, abgründig gemeinen Drama, das an die Nieren geht.

Der Film lässt sich viel Zeit, seine eindringliche Geschichte in zumeist ruhigen, atmosphärischen Bildern zu erzählen, ist dabei aber keine Sekunde langweilig, weil man mit dem Schicksal des vermissten Jungen ebenso mitfiebert, wie mit dem der Eltern. Dabei betreten im Laufe der Handlung zusehends mehr Menschen die Bühne, von denen die meisten nichts Gutes im Schilde zu führen scheinen...

Alle Personen in diesem Film sind unglaublich gut charakterisiert, jedes noch so kleine Detail sitzt, sei es die Lieblosigkeit, mit der ein Kind behandelt wird, oder die Nachlässigkeit mit der ein debiler Mann sein Essen in sich hineinstopft... man vermag das Fischerdorf, in dem ein großer Teil der Geschichte spielt, fast zu riechen, kann den Regen und die Meeresbrandung beinahe fühlen und die Trauer und Wut der Protagonistin förmlich spüren. Ganz groß gemacht.

Es ist schier unmöglich, „Bring Me Home“ die positive Review zu schreiben, die der Film verdient hätte, ohne dabei zu viele Details zu spoilern. Nach anfänglicher Skepsis war ich von dem Film aber vollkommen begeistert, da er über seine relativ lange Spielzeit mit einigen unvorhersehbaren Wendungen und wirklich bösen kleinen Gemeinheiten überrascht, die einen immer wieder sprachlos machen und die man nicht so schnell wieder vergessen wird.

Diese ganze abgründige Atmosphäre und Spannung wird hervorragend aufgebaut und wäre in einem kürzeren Film in dieser Intensität gar nicht möglich gewesen. Immer wieder schön, solche Beiträge aus Asien im Programm zu haben.
Alexander

10.09.2020, 18:00


Abgründe

von D.S.
Permalink
Wer auch nur eine Handvoll Thriller aus Südkorea gesehen hat, muss fast zur Überzeugung kommen, dass das Land ein echtes Problem mit korrupten und/oder unfähigen und/oder zutiefst amoralischen Polizisten haben muss. So abgrundtief verkommen wie hier wurden die Vertreter der Staatsmacht aber wohl noch nie gezeichnet – und damit stehen sie nicht allein: Tatsächlich treiben sich in BRING ME HOME fast nur menschliche Schweine der Güteklasse A herum, die an nichts anderem Interesse zeigen als an ihrem eigenen Vorteil, kurzfristigem Lustgewinn oder schierer physischer bzw. psychischer Gewalt gegenüber anderen. Hier kreucht und fleucht es nur so vor kleinen, miesen Gestalten – die in Kombination leider für großes, tiefes Leid sorgen.

Es dauert ein wenig, bis der Film seine volle emotionale Wucht entfaltet, dann trifft er allerdings oft und hart. Selbst, wenn man keinen eigenen Nachwuchs hat, um dessen Wohlergehen man sich sorgt: Die menschlichen Abgründe, die sich hier auftun, sind bedrückend; der dargestellte Umgang mit unschuldigen, wehrlosen kleinen Kindern tut selbst dem letzten unbeteiligten Betrachter weh.

Sicher, in bester Asia-Tradition wird hier mitunter etwas zu dick aufgetragen, besonders vehement auf die Unhappy-Kitsch-Drüse gedrückt, und die Handlung wirkt spätestens im letzten Akt doch ein ganzes Stück zu konstruiert und unglaubwürdig. Ohnehin hätte der Film vielleicht noch tieferen Eindruck hinterlassen, wenn er sich jenen ganz gespart hätte.

Das ändert aber nichts daran, dass die verzweifelte Suche einer von allen alleingelassenen Witwe nach ihrem Sohn Yoon-su die Depri-Bombe des Jahres ist, die alle Misantrophen in ihrem Weltbild bitter bestätigen dürfte. Die jungen Eltern nur unter größtem Vorbehalt empfohlen werden kann. Und die wohl auch bei fast allen anderen Zuschauern mehrfach für einen dicken Klops im Hals sorgen wird. Nahegehend, aufwühlend, schmerzhaft. 7 von 10 Punkten.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

11.09.2020, 04:20


FANTASY FILM FEST 09/2020 #04: BRING ME HOME

von untitled91
Permalink
A very dark and very tragic Crime-Drama from South Korea. For a debut the movie looks very, very good. The cinematography and grimy style tie together the genre mix presented here. Its equal parts hostage mystery, character study, social commentary and dark revenge thriller. Most of the drama unfolds in an unagitated manner, but slowly getting more intensive. Therefore, it feels irritating that the inhabitants of the rural island are drawn without any subtlety, instead embodying the walking crime clichés. Aiming for a more realistic approach with real life characters would have made the emotional attachment definitely stronger (as done very well with the protagonist Jung-yeon). Same goes for the too many twists right before the ending. However, after having seen many disappointing Korean thrillers at the Fantasy Film Fest in the last couple of years, this one has its qualities in execution and drama.
untitled91
sah diesen Film im Kino in der Kulturbrauerei, Berlin - Original-Review

11.09.2020, 13:22


Andere Länder, andere Sitten...?

von Leimbacher-Mario
Permalink
In „Bring Me Home“ sucht eine Mutter schon jahrelang ihren kleinen, plötzlich verschwundenen Sohn – um dann einen Tipp zu bekommen, der sie zu einer seltsamen Fischersippe führt, die zwei Jungen beherbergt und ausbeutet, von denen einer ihrem Jungen erstaunlich ähnelt...

Gewalt an Kindern. Kidnapping. Misshandlung. Missbrauch. Klassenkämpfe. Vernachlässigung. Brutalität. Depression. Verwahrlosung. Verrohung. Verdummung. Ignoranz. Alles Themen, die in diesem fiesen, unangenehmen, gesellschaftskritischen Koreaner groß geschrieben und gnadenlos durchgezogen werden. Wer also ein schwaches Herz oder eine weiche Stelle bei sowas hat – „Bring Me Home“ nimmt da keine Rücksicht drauf. Plus das Wort „frustrierend“ würde ich hier anbringen und groß schreiben – gleich aus mehreren Gründen, manche davon sicher so gewollt, andere vielleicht unfreiwilliger. „Koreaner (Asiaten) sind zu lang“ – eine Kritik, die hier nicht massiv gilt, aber gerade anfänglich auch nicht wegzureden ist. Aber das ist bei weitem nicht der einzige Haken, der sich hier in der Haut von uns Filmfans verfängt. Da wären sonst noch ultraharte, seltsame Figuren und ihr verstörendes Verhalten – mal ärgerlich passiv, mal brutal aktiv. Einfach anders als sich meiner Meinung nach Europäer bzw. sogar „reale Menschen“ verhalten würden. Und das gilt sowohl für die Protagonisten als auch die böse Seite. Gesellschaftskritik, die aufs Herz abzielt. Und in gewisser Hinsicht auch auf Unverständnis. Vieles kann ich dementsprechend nicht nachvollziehen, vieles regt einen sogar auf, vieles ist schwer zu ertragen. Und das kann eben frustrieren. Aber immerhin kommt so keine Langeweile auf und man ist immer im internen Konflikt mit sich selbst, dem Figurenverhalten und dem Werk. Auch eine Art, dich an sich zu binden. Dennoch zwiespältig. Die Hauptdarstellerin bzw. unser altbekannter Racheengel spielt hingegen durchgehend famos, das ist alles andere als frustrierend und fragwürdig. Plus der finale Ausbruch ist nice, wenn auch längst überfällig und nicht ganz befriedigend. Wie gesagt: ich bin hin- und hergerissen. Mit starkem Hang in den grünen Bereich, da das Thema einfach ein Brocken ist.

Fazit: Frustrierend. Spannend. Emotional. Aber vor allem frustrierend. Und das gefühlt nicht nur absichtlich. „Bring Me Home“ ist harter Tobak und ein Kidnap-Thriller, der einen zumindest nie kaltlässt... aber wie gesagt auch gehörig aufregen und verstören kann. Ein Tritt in die Eier. Erst recht für Eltern.
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

24.09.2020, 22:06


Erstens kommt es schlimmer und zweitens als man denkt

von Herr_Kees
Permalink
Die gute Nachricht: Es dauert gar nicht lange, bis wir wissen, was aus Jung-yeons verschwundenem Sohn geworden ist. Die sehr sehr schlechte Nachricht: Es ändert nichts an der fatalistischen Situation, in der sich der Film geradezu wälzt.

Der Verleih sei sich nicht sicher gewesen, ob Kim Seung-woos Debüt als Drama oder als Thriller vermarktet werden solle, so die Ansage vor der Vorstellung. Für nichtasiatische Länder scheint der Fall klar: Allein der spannende und brutale Showdown (für koreanische Verhältnisse durchaus üblich) würde wohl zumindest die klassischen europäischen Bildungsbürger-Arthousebesucher eher nachhaltig verstören.

Dramatisch ist BRING ME HOME, der streckenweise an Bong Joon Hos MOTHER erinnert, natürlich auch. Die Familie, die seit Jahren wie besessen nach ihrem verlorenen Sohn sucht, die Schicksalsschläge und tragischen Wendungen, die der Film auffährt, das sind schon schwere Brocken und manches Mal trägt der Film auch etwas zu dick auf. Doch das tut der Spannung keinen Abbruch. Allein das Ende hätte gerne eine Szene früher kommen dürfen.
Herr_Kees
sah diesen Film im Metropol, Stuttgart

25.09.2020, 00:47




Alle Bewertungen im Überblick:
Kumiho
Alexander
Review zeigen
lazy_beanies
Yavannah
Dvdscot
cthulhu314
D.S.
Review zeigen
untitled91
Review zeigen
powerslide
td
Christian
Mercy-Sky
Torben
MrRossi
Zurbaron
Torsten Ketelsen
splattercheffe
Hoppelhase1
Leimbacher-Mario
Review zeigen
ChuckNorris
Herr_Kees
Review zeigen
Wishbringer
landscape
Where_is_my_to-o-o-o-o-e1
Hondo
VegasTime
Voice
GrouchoMarx
Epiphanie
MkDz
marvin47
roother82

Weitere Informationen (externe Links):
Unterstütze f3a.net durch eine(n) Leihe/Kauf bei unseren Partnern. #VerdientProvisionen


OFDb€ 5,98 € 7,98
amazon.de€ 6,99 € 7,99


Der tatsächliche Preis kann abweichen! Preise werden max. stündlich aktualisiert. Markierte Preise sind seit dem letzten Abruf ↓ gesunken oder ↑ gestiegen.