Drei Leichen für Charlievon D.S. | Permalink |
Mal wieder ein Film, bei dem man nicht so genau weiß, wo man ihn eigentlich einordnen soll. Es geht um Charlie Richardson, tougher Smart Ass und Chef einer skrupellosen Gang, die in den 60ern Südlondon kontrollierte. Also ein Gangsterfilm? Nein, viel eher ein Biopic, ein Eintauchen in den Kosmos eines Mannes, abgefilmte Ausschnitte seines (realen) Lebens - mit dem Schwerpunkt auf der erfolgreichsten Zeit seiner kriminellen Karriere. Da der Film aber als Ausgangssituation den umfangreichen Prozeß wählt, den man Charlie nach seiner Verhaftung 1967 machte, ist das hier zu weiten Teilen auch ein Gerichtsdrama. Im Verlauf des Films erleben wir immer wieder Szenen vor der Richterbank: Staatsanwalt und Verteidiger beharken sich, die Geschworenen grübeln, Zeugen werden befragt, erzählen ihre Version der Geschichte, und die wird uns dann visualisiert. Davor, danach, dazwischen springt CHARLIE wild durch die Lebens- bzw. Gangstergeschichte der Titelfigur, meist vor, manchmal nach der Verhaftung angesiedelt, dann ein kleineres Stück zurück, dann ein größeres, dann ein Stück nach vorne... interessant gemacht, und, da auch in flottem Tempo erzählt, durchaus unterhaltsam. Die Inszenierung ist ohnehin mit das Bemerkenswerteste an CHARLIE. Es findet eine hohe Zahl filmischer Tricks Verwendung - teils von beeindruckender Wirkung, teils einfach überflüssig und Schaumschlägerei. Außerdem gibt es hier sehr gute Schauspielerleistungen und eine authentische Atmosphäre zu erleben. Das problematische an der ganzen Sache war für mich nur, daß ich mich nach einer gewissen Zeit nur noch gefragt habe, was das alles eigentlich soll. Wenn man ein Biopic nicht gerade über eine weltbekannte Persönlichkeit macht (wer weiß, vielleicht kennt in England ja sogar jedes Kind die Story von Mr. Richardson... aber wer ist er für den Rest der Welt?), sollte man es doch zuvorderst schaffen, beim Zuschauer ein Interesse an der portraitierten Person und ihrem Schicksal zu erzeugen. CHARLIE aber nimmt ein solches Interesse offenbar als gottgegeben an. Das eigentliche Ziel des Films ist es, darüber aufzuklären, ob Charlie Richardson zu Recht oder zu Unrecht hinter Gitter mußte (sollte er ein anderes Ziel gehabt haben, hat er es verfehlt). Aber dem unbedarften Zuschauer wird kein wirklicher Grund dafür gegeben, daß ihn das überhaupt interessieren sollte. Denn so brutal und eiskalt Charlie auch des öfteren auftritt (es gibt ein paar wirklich unangenehme Szenen zu sehen - wenige zwar, aber die kommen dann umso unvermittelter und wirkungsvoller daher), und so oft uns auch erzählt wird, daß er und seine Gang riesigen Einfluß ausübten - letztendlich vermitteln sie nur das Bild schmutziger, mieser Kleinkrimineller. Mit welchen Taten die Gang soviel Macht erlangte, wird praktisch nie gezeigt - stattdessen fast ausschließlich, wie sie mit ihren Gegnern umgegangen ist. Am Ende wird für "Unbeteiligte" also einfach nur (auf vergleichsweise originelle Weise) ein smarter, fieser Ganove vorgestellt. Ein Ganove, der weder zu Weltruhm gekommen ist noch so außergewöhnlich brutale oder aufsehenerregende Taten begangen hat, daß man nun tatsächlich schockiert wäre. (Das vielleicht HÄRTESTE am Film ist der massive Cockney-Dialekt aller Beteiligten... teilweise wirklich schwer zu verstehen!) Und für mich war das zu wenig, um von größerem Interesse zu sein. Im Übrigen ist der Film extrem parteiisch - in seiner Gesamtmontage, aber vor allem zum Schluß (durch einige Textcharts, die sehr deutlich formulieren, wie der Regisseur seinen Film verstanden wissen will). Ich "spoilere" jetzt natürlich nicht, in welcher Richtung, aber das fand ich schon seltsam. Wie gesagt, recht unterhaltsam ist das ganze schon, flott und abwechslungsreich, ab und zu auch von gesunder Härte - aber von der Storyseite her alles andere als fesselnd. Deshalb: 6 Punkte. | |
D.S. sah diesen Film im Metropolis, Frankfurt | 06.08.2004, 04:54 |
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