Das Fantasy Filmfest präsentiert die brandneu restaurierte Fassung des großen Stummfilm-Klassikers. Doch nicht nur visuell ist das Meisterwerk damit im digitalen Zeitalter angekommen: Musikalisch erfährt es mit der Begleitung von DJ Shahaf Thalers Set (Deep House, Nu Disco) eine aufregende Variation.
"Tales of the Grotesque and Arabesque" ist der Titel der Sammlung von Erzählungen, in der Edgar Allen Poe den berühmten Text 1840 in seiner endgültigen Form veröffentlichte: "Der Untergang des Hauses Usher". Grotesk und arabesk – das beschreibt auch ganz vortrefflich die allererste von den vielen folgenden Verfilmungen der Literatur-Vorlage. 1928 hat sich der polnische, in Frankreich lebende Surrealist Jean Epstein der wehmütigen Todessehnsucht über Wahnsinn, Besessenheit und Zerfall angenommen, und damit einen der letzten wirklich großen Stummfilme des fantastischen Genres geschaffen, der in einem Atemzug genannt werden muss mit Wienes DAS CABINET DES DR. CALIGARI, Murnaus NOSFERATU und Dreyers (fast stummen) VAMPYR.
Weil die Betonung schon bei Poe auf Atmosphäre und weniger auf Handlung liegt, entspricht der Text so ganz den Bedürfnissen des Stummfilms, mit Bildern Stimmungen zu erschaffen, die sich ganz unmittelbar auf den Zuschauer übertragen. Selbst einige Meisterwerke der vergangenen Ära mögen heute antiquiert wirken, gestelzt, gar langweilig. Auf Epsteins USHER trifft das nicht zu. Der Film schlägt einen sofort in seinen Bann, weil er fern von Zeit und Realität – genau wie Poe in seinem Werk – Urängste mit ganz puren künstlerischen Mitteln lanciert.
Zu Beginn des Projekts hatte Epstein noch eng mit seinem Assistenten und Autor Luis Buñuel gearbeitet, der zeitgleich sein Debüt L’AGE D’OR vorbereitete. Obwohl es alsbald zum Zerwürfnis zwischen den beiden Männern kam (angeblich weil sich Epstein für Buñuels Geschmack zu weit vom Originaltext entfernen wollte) ist Buñuels Handschrift unverkennbar, wie eben auch der Einfluss von Wiene und Oscar Wildes "Dorian Gray". Und doch ist es vor allem Epstein, der die disparaten Einflüsse zu einer homogenen Vision zusammenfügen kann. Sein LA CHUTE DE LA MAISON USHER ist ein Werk aus einem Guss, das den Erzähler und Helden der Geschichte in eine Welt im Schwebezustand entführt, vor der er eingangs eindringlich gewarnt wird. Und doch setzt er die Reise zu seinem sonderlichen Freund Roderick Usher fort. Ein Porträt von Ushers Frau soll er malen, welches ihr im Entstehungsprozess mehr und mehr Lebenskraft zu rauben scheint. Bis schließlich nicht mehr gewiss ist, was Gemälde ist und was Mensch. Das ist Horror pur, nur mit den Mitteln des Surrealismus erzählt. Und Epsteins Kinobilder wirken auch heute noch erschreckend unbehaglich – wie sie schon vor 85 Jahren empfunden wurden.
Aus dem Programmheft 1991:
Nach Poes berühmter Erzählung, vom Untergang des Hauses Usher und seiner Bewohner, eines dekadenten Barons und seiner Schwester atmosphärisch dicht wie sonst nur NOSFERATU oder Dreyers VAMPYR.
Jean Epstein mag heute so gut wie vergessen sein, doch er gehört zu den größten Poeten und Erfindern des Kinematographen. Blicke in andere unbekannte Welten sind seine Filme, eine Erforschung jener Regionen des Unsichtbaren, die nur die Filmkamera in den Blick bekommt. "Der Tod", sagt Epstein, "hat seinen eigenen Charme, wie das Leben auch, der Tod und das Leben, sie haben die gleiche Substanz, die gleiche Fragilität."
"Tales of the Grotesque and Arabesque" ist der Titel der Sammlung von Erzählungen, in der Edgar Allen Poe den berühmten Text 1840 in seiner endgültigen Form veröffentlichte: "Der Untergang des Hauses Usher". Grotesk und arabesk – das beschreibt auch ganz vortrefflich die allererste von den vielen folgenden Verfilmungen der Literatur-Vorlage. 1928 hat sich der polnische, in Frankreich lebende Surrealist Jean Epstein der wehmütigen Todessehnsucht über Wahnsinn, Besessenheit und Zerfall angenommen, und damit einen der letzten wirklich großen Stummfilme des fantastischen Genres geschaffen, der in einem Atemzug genannt werden muss mit Wienes DAS CABINET DES DR. CALIGARI, Murnaus NOSFERATU und Dreyers (fast stummen) VAMPYR.
Weil die Betonung schon bei Poe auf Atmosphäre und weniger auf Handlung liegt, entspricht der Text so ganz den Bedürfnissen des Stummfilms, mit Bildern Stimmungen zu erschaffen, die sich ganz unmittelbar auf den Zuschauer übertragen. Selbst einige Meisterwerke der vergangenen Ära mögen heute antiquiert wirken, gestelzt, gar langweilig. Auf Epsteins USHER trifft das nicht zu. Der Film schlägt einen sofort in seinen Bann, weil er fern von Zeit und Realität – genau wie Poe in seinem Werk – Urängste mit ganz puren künstlerischen Mitteln lanciert.
Zu Beginn des Projekts hatte Epstein noch eng mit seinem Assistenten und Autor Luis Buñuel gearbeitet, der zeitgleich sein Debüt L’AGE D’OR vorbereitete. Obwohl es alsbald zum Zerwürfnis zwischen den beiden Männern kam (angeblich weil sich Epstein für Buñuels Geschmack zu weit vom Originaltext entfernen wollte) ist Buñuels Handschrift unverkennbar, wie eben auch der Einfluss von Wiene und Oscar Wildes "Dorian Gray". Und doch ist es vor allem Epstein, der die disparaten Einflüsse zu einer homogenen Vision zusammenfügen kann. Sein LA CHUTE DE LA MAISON USHER ist ein Werk aus einem Guss, das den Erzähler und Helden der Geschichte in eine Welt im Schwebezustand entführt, vor der er eingangs eindringlich gewarnt wird. Und doch setzt er die Reise zu seinem sonderlichen Freund Roderick Usher fort. Ein Porträt von Ushers Frau soll er malen, welches ihr im Entstehungsprozess mehr und mehr Lebenskraft zu rauben scheint. Bis schließlich nicht mehr gewiss ist, was Gemälde ist und was Mensch. Das ist Horror pur, nur mit den Mitteln des Surrealismus erzählt. Und Epsteins Kinobilder wirken auch heute noch erschreckend unbehaglich – wie sie schon vor 85 Jahren empfunden wurden.
Epstein’s stunningly beautiful Poe adaptation has always been notable for its impressionistic approach to narrative and for the brooding, gothic lyricism of its images, but ... may well advance its claim to be one of the most imaginative and entrancing horror movies of the silent era. If its dreamlike strangeness seems faintly surreal, don’t forget that Epstein’s assistant was none other than the young Luis Buñuel.
Time Out
Aus dem Programmheft 1991:
Nach Poes berühmter Erzählung, vom Untergang des Hauses Usher und seiner Bewohner, eines dekadenten Barons und seiner Schwester atmosphärisch dicht wie sonst nur NOSFERATU oder Dreyers VAMPYR.
Jean Epstein mag heute so gut wie vergessen sein, doch er gehört zu den größten Poeten und Erfindern des Kinematographen. Blicke in andere unbekannte Welten sind seine Filme, eine Erforschung jener Regionen des Unsichtbaren, die nur die Filmkamera in den Blick bekommt. "Der Tod", sagt Epstein, "hat seinen eigenen Charme, wie das Leben auch, der Tod und das Leben, sie haben die gleiche Substanz, die gleiche Fragilität."
Anmerkung:
1991 - Live Klavierbegleitung am Flügel: Aljoscha Zimmermann
2014 - Restaurierte Fassung mit DJ-Set (feat. DJ Shahaf Thaler)
1991 - Live Klavierbegleitung am Flügel: Aljoscha Zimmermann
2014 - Restaurierte Fassung mit DJ-Set (feat. DJ Shahaf Thaler)