Cobweb

Plan Seconds?

von Herr_Kees
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Südkorea, Ende der 70er-Jahre. Autorenfilmer Kim hat eine Eingebung: Mit nur zwei Tagen Nachdreh würde aus seinem gerade abgedrehten pikanten Melodram ein wahres Meisterwerk. Leider glaubt nur die Nichte der Produzentin an seine Vision. Gemeinsam organisieren sie die zwei extra Drehtage, obwohl die Zensurbehörde das neue Drehbuch nicht freigibt, die Starschauspielerin eigentlich nur einen Tag zur Verfügung steht und auch sonst so ziemlich alles gegen einen erfolgreichen Dreh spricht. Entsprechend chaotisch werden die Dreharbeiten, die wir als Zuschauer „behind the scenes“ miterleben.

Die Idee des Films übers Filmemachen ist schon mehrfach clever umgesetzt worden, am prominentesten wohl in Fellinis 8 1/2, Truffauts DAY FOR NIGHT oder in Robert Altmanns THE PLAYER. COBWEB ist leider nicht ganz so intelligent und unterhaltsam oder gar bissig umgesetzt.

Statt einer witzigen Satire bekommen wir eine Mischung aus Seifenoper und Verwechslungsfarce, Eifersüchteleien unter Schauspielern, kleine Beziehungsdramen und möchtegernkomische Nebenfiguren beherrschen das Bild. Song Kang-ho bleibt da in der Hauptrolle recht blass und auch der fertige Film, den wir parallel zum „Making of“ immer wieder in Ausschnitten sehen, ist natürlich weit von einem Meisterwerk entfernt.

Was der Film dagegen gekonnt darstellt, ist, wie schwer es ist, einen guten Film zu machen. Wofür der Film wiederum ein gutes Beispiel ist.
Herr_Kees
sah diesen Film im EM, Stuttgart

20.04.2024, 23:45


Hinter den Kulissen der Koreatraumfabrik

von Leimbacher-Mario
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Die südkoreanische Filmindustrie gehört mittlerweile weltweit zu den qualitativ spannendsten und insgesamt besten, gefragtesten Filmindustrien überhaupt. Da schielt man als Deutscher schonmal staunend und neidisch rüber, gerade weil das Land 30 Millionen Köpfe weniger und sicher auch ein deutlich kleineres BIP hat als wir. Wir kriegen eine solche Marschrichtung und Klasse in Sachen Film nichtmal bruchteilig hin. Dazwischen liegen echt Welten. Als Filmfan nimmt man legendäre Geschenke aus Korea wie „Parasite“, „Oldboy“ oder „Die Taschendiebin“ aber natürlich liebend gerne an. Grund genug also auf das koreanische Filmemachen stolz zu sein und mal hinter die Kulissen zu gucken. Oder das dortige (auch alles andere als reibungslose) Business aufs Korn zu nehmen. Mit „Cobweb“ etwa, einer doppelbödigen Backstage-Satire über einen verzweifelten Filmemacher, den geheimen Nachdrehs seines möglichen Meisterwerks und den Schwierigkeiten, Eitelkeiten, Kleinigkeit im abgeriegelten Studio seines Spinnen-Horror-Familiendramas (?!)…

Am Set des Mister Kim

„Cobweb“ erinnert natürlich von einigen Mustern, Themen und Kreativblockaden an Werke wie „8 1/2“, „My Big Night“, „Hail Ceasar“ oder „The Player“, die allesamt „movies about moviemaking“ sind. Oder sogar an „One Cut of the Dead“. Über kreative Geister und Schaffenskrisen, die Angst vor dem Versagen, über blockierende Chefs und Zensurbehörden, zickige Stars und gemeine Kritiker, über Querelen hinter der Kamera und soapiges, köstliches Gossipdrama überall. Das fängt „Cobweb“ teils sehr stark ein und lässt es sich auch in einem energischen, eruptiven Finale entladen. Dazu starke Darsteller durch die Bank auf mehrfachen Ebenen, ein sehr interessanter „Film im Film“ und einige für sich alleinstehende, geniale Momente, Szenen, Parodien, Übertreibungen. Aber es gibt definitiv auch Leerlauf, Wiederholung und Liebeswirrwarr, das nicht immer lustig ist. Vor allem über diese Laufzeit nicht. Da fehlt es „Cobweb“ etwas an Ideen und Füllung, an Anstößen und Reibung, an Spitzen und sogar Tempo(wechseln). Da wirkte das was gedreht wird teils interessanter als wie und unter welchen Umständen es gedreht wird. Dennoch hatte ich oft genug meinen Spaß, gerade wenn es denn dann (endlich) mal eskaliert und kumuliert. Man hat das jedoch schon besser und rasanter gesehen, absolut. Da setzt Korea also mal keine Maßstäbe und rennt eher (auf hohem Niveau) hinterher. Wertig und witzig ist's jedoch meistens schon.

Fazit: Verschachtelte Backstage-Satire zwischen genial und überlang. Gehört für mich nicht zur Crème de la Crème der koreanischen Industrie und lässt etwas Potenzial liegen. Aber oft genug dann doch edel, clever und in den besten Momenten ein wenig „Babylon“. Ich hätte glaube ich jedoch lieber den „Film im Film“ komplett und alleinstehend gesehen als dieses sprunghafte Frankenstein-Gebilde…
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

21.04.2024, 01:14




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