Lassen Sie mich durch, ich bin Arztvon Herr_Kees | Permalink |
Take me to the dark / Oh god I get down on my knees / And I feel like I could die / By the river of disease – The Jesus and Mary Chain Die Unterwelt Kopenhagens mag hier realistisch gezeichnet sein, aber der Rachefeldzug des gut situierten, hobbyboxenden (!) Chirurgen (!) Zaid erscheint doch etwas unglaubwürdig. Insbesondere, da er damit nicht nur seinen Job und sein eigenes Leben, sondern auch das seiner Freunde, seiner Frau und seines ungeborenen Sohnes aufs Spiel setzt. Das ist entweder völlige Selbstüberschätzung oder Dummheit, Sympathieträger verhalten sich anders. Wenigstens stellt das Ende die Rachefantasie dann wieder auf einen halbwegs realen Boden. Interessanter als die etwas unmotivierte, wenn auch recht spannend umgesetzte Rachegeschichte ist allerdings die (leider nur angedeutete) Identitätssuche Zaids, der von den jugendlichen Gangstern "weißer Mann" genannt wird, obwohl sie alle arabische Wurzeln haben. | |
Herr_Kees sah diesen Film im Metropol, Stuttgart | 13.09.2017, 23:11 |
Doctor Punishervon D.S. | Permalink |
Der ca. 40-jährige Zaid (Dar Salim, EXODUS) ist ein Angehöriger der Kopenhagener Oberschicht; ein erfolgreicher Chirurg mit einem Penthouse mit Flussblick, vielen arrivierten Freunden und schwangerer Ehefrau. In Zaids Leben herrschen Kultiviertheit und Chic vor. Dass er erst als Kind hierhergekommen ist, als Flüchtling aus dem Irak, merkt man ihm in keiner Hinsicht an. Das gilt jedenfalls so lange, bis sein jüngerer Bruder Yasin ermordet aufgefunden wird. Die Polizei zeigt sich schwerfällig, also stellt Zaid selbst ein paar Nachforschungen an und findet heraus, dass Yasin wohl Opfer seines Gangster-Umfelds geworden ist – das von arabischen Mafiosi regiert wird. Die Polizei bleibt schwerfällig. Immer stärker von dem Wunsch besessen, seinen Bruder zu rächen und die Verantwortlichen zur Strecke zu bringen, reaktiviert Zaid deshalb ein paar alte Haudegen aus seinen früheren Boxer-Tagen, nimmt das Training wieder auf... und mutiert binnen weniger Tage vom eloquenten Chirurgen zum Mini-Punisher, der komplett mit Kampfuniform und schwarzen Streifen im Gesicht in den Krieg gegen die Unterwelt Kopenhagens zieht, um sie als Ein-Mann-Armee trockenzulegen. Ja, sein Kampfroboter-Auftritt entbehrt in manchen Momenten nicht einer gewissen Komik, da er unfassbar unrealistisch in Szene gesetzt ist. Das passt so wenig zum ernsten Tonfall des restlichen Films, zu seiner düsteren Atmosphäre und seiner inhaltlichen Bitterkeit, dass man sich schon mal fragt, auf welchem Trip die Verantwortlichen da wohl waren. Immerhin sorgt diese Inszenierung des Rächers Zaid mitunter für gesunde Härte und einige Actionhöhepunkte in der zweiten Hälfte des Films. Sie verdeutlicht aber auch, dass DARKLAND im Wesentlichen nichts anderes ist als eine handelsübliche Rache-Story, ein Film über ungesühnte Verbrechen und die Selbstjustiz eines Einzelnen, der sich nicht unterkriegen lässt – und so etwas hat man einfach schon viel zu oft gesehen, als dass man hier sonderlich mitgerissen werden würde. Schlecht macht DARKLAND seine generische Sache dabei nicht, insbesondere hinsichtlich seiner Ästhetik ist er durchaus sehenswert und Fans entsprechender Sujets allemal empfehlenswert. Für mich verliert er jedoch nicht nur aufgrund seiner inhaltlichen Redundanz bzw. Klischeehaftigkeit und der erwähnten Unglaubwürdigkeit seiner Handlungsentfaltung an Wert. Schlimmer finde ich, dass er viel interessantere Thematiken andeutet – den Konflikt zwischen dem Streben nach individuellem Glück und dem Übernehmen von Verantwortung für seine "Familie"; die Kollision unterschiedlicher Wertesysteme von westlicher und arabischer Welt; die Frage, inwieweit man seine eigene Identität aufbauen kann oder doch immer wieder von seiner Herkunft, seiner sozialen Kaste, ebenjener "Familie" eingeholt wird. Diese Thematiken werden aber eben nur angedeutet, in wenigen Dialogen kurz angerissen. Vielleicht wäre es von einem Rache-Thriller aber auch zu viel verlangt, hier mehr in die Tiefe zu gehen. Andererseits hätte sich DARKLAND entsprechende Ansätze dann auch gleich schenken können. Denn in dieser Form ist er nicht mehr als nur ein weiterer Standardvertreter seines Genres – der bloß in einem leicht unüblichen Umfeld angesiedelt ist, aber niemals auch nur ein Stück weit gegen die etablierten Konventionen verstößt. Von mir deshalb nur 5,5 Punkte. Und die Erkenntnis, dass manche Ärzte lieber sich selbst als ihren Patienten eine Spritze setzen... und ich sie nicht an meinem offenen Herzen wissen möchte. | |
D.S. sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt | 19.09.2017, 04:40 |
Welcome to the Darksidevon Leimbacher-Mario | Permalink |
Ein Doktor sieht rot. Das könnte das Motto oder die Tagline dieses dänischen Rachethrillers sein, in dem ein Doktor mit irakischen Wurzeln in die kriminelle Unterwelt des Landes eindringt, um den Mörder seines Bruders zur Strecke zu bringen. Konsequent. Realistisch (für das Genre). Düster. Brutal. Eine Dänen-Anti-Gangsterballade der Gewalt, die eindeutig von Fincher und Refn inspiriert wurde. Für Actionfans eines des europäischen Highlights des Jahres! "Underverden" erinnert natürlich an die klassischen Racheactioner wie "Death Wish", gibt dem ausgelutschten Thema jedoch einen modernen Multi-Kulti-Spin. Seine Aussage in Richtung Rache und Gewalt ist nicht falsch deutbar und der Pfad der Rache wird schmerzhaft skizziert. Unser "Held" macht eine Wandlung durch, die ihm im Endeffekt mehr nimmt als gibt. Der Klassiker: Auge um Auge macht die Welt blind. Das war überraschend konsequent und deprimierend. Dar Salim spielt den Doktor gone rogue echt gut, ihm kauft man sowohl die harte wie weiche Seite ab. Ein alles andere als unbesiegbarer Punisher, der sich im Endeffekt selbst besiegt. Dazu kommt eine raue Optik zwischen Straße und Hochglanz. Eine Qualitätsproduktion durch und durch. Allein die Beleuchtung in manchen Szenen ist ein atmosphärischer Blickfang. Insgesamt ein etwas härterer Beitrag zum Thema Selfmade-Integration, der keinen Actionfan enttäuschen sollte. Abschreckendes Beispiel für jeden Hobby-Charles Bronson & Selbstjustizverfechter! Fazit: Ein dunkler Anti-Gangsterthriller, der am Puls der Zeit zeigt, wohin Rache und Gewalt führen können. Ein dänisches Pfund! | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 29.09.2017, 01:08 |
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