Ein Hundelebenvon D.S. | Permalink |
Die „Katzenfrau“ bzw. „Crazy Cat Lady“ ist ein wandelndes Klischee, von einem „Hundemann“ hatte ich bislang noch nie gehört – aber in Zukunft werde ich den Begriff für immer mit Caleb Landry Jones verbinden. Dieser spielt hier sensationell auf und verleiht seiner Figur eine Tiefe und Vielschichtigkeit, die unter die Haut geht. Angelegt ist sie als ein Mensch, der in seiner Vergangenheit unermessliches Leid erlebt hat, an diesem aber nicht zerbrochen ist, sondern aus ihm Kraft schöpft für eine Gegenwart nach eigenen Regeln. Zu denen es unzweideutig gehört, den Schwachen zu helfen und von den Reichen zu nehmen – aber auch, niemanden an sich heranzulassen. Und stattdessen die Nähe von Hunden zu suchen: Wesen, die alle Stärken des Menschen in sich vereinen, aber keine seiner Schwächen. Außer der einen: Menschen zu vertrauen … Man kann Luc Besson durchaus radikales Filmemachen bescheinigen, was die Gestaltung dieser Figur betrifft. Ja, Spuren eines JOKER sind auszumachen, sein Douglas wirkt in all seiner Verstörtheit aber doch ein ganzes Stück authentischer und vor allem auch farbenfroher. Ein Wort, das auch eine Reihe der Nebenfiguren gut beschreibt, wobei mit diesen allerdings auch eines der Probleme von DOGMAN benannt werden kann. Besson verliert sich oftmals in ausschweifenden Schilderungen von Personen und Handlungssträngen oder auch einzelnen Situationen, die wenig zur eigentlichen Entwicklung der Geschichte beitragen. Dies verleiht dem Film zwar ein Gefühl von Fülle und Abwechslungsreichtum, geht aber des Öfteren zulasten von Stringenz und Geschwindigkeit. Den im Programmheft angekündigten „wilden Trip“ habe ich nicht gesehen, auch die „rasanten Actionszenen“ sind eher spärlich gesät. Hinzu kommt, dass sich die Radikalität Bessons tatsächlich weitgehend auf die Zeichnung seiner Hauptfigur beschränkt. Insbesondere die Erzählstruktur wirkt dagegen äußerst konventionell, ja sogar uninspiriert. In der Rahmenhandlung interviewt eine Polizeipsychologin Douglas nach seiner Verhaftung – seine Geschichte wird uns in episodischen Rückblicken vermittelt. Das nimmt zusätzlich Tempo raus. Zum Glück gibt es aber auch zahlreiche positive Aspekte zu vermelden, und ein sehr großer ist natürlich der tierische Anteil des Films. Ich möchte mir gar nicht auszumalen versuchen, wie lange das Training von Douglas’ Hundearmee gedauert hat – die Vierbeiner gehorchen ihm jedenfalls aufs Wort und vollbringen die beeindruckendsten Tricks. Selbstredend sind viele von ihnen sehr niedlich, lustig oder einfach schön anzusehen, und das sage ich als nicht gerade erwiesener Hundefan. Ganz so „magisch“ wie beschrieben wirkt DOGMAN am Ende nicht, vielmehr wie eine zuweilen sehr bittere Tragödie über das menschliche Elend, die aber auch jene Anteile unseres Daseins feiert, die Anlass zur Hoffnung geben. Nicht durchweg fesselnd, mitunter in Nebensächlichkeiten abgleitend und unter Pacing-Problemen leidend, aber insbesondere von einer schauspielerischen Klasse beseelt, die den Film unbedingt sehenswert macht: Für mich knappe 7 Punkte wert. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 07.09.2023, 02:52 |
The Hounds of Lovevon Alexander | Permalink |
Von seinem sadistischen Vater und dem gleichgültigen Bruder gequält, verbringt der junge Douglas einen großen Teil seines Lebens in einem Hundezwinger, was seine Abneigung auf Menschen als auch die bedingungslose Liebe zu Hunden noch verstärken soll. Die nicht immer linear und mitunter sogar etwas verschachtelt erzählte Geschichte bleibt über die gesamte Spielzeit interessant und spannend, was einigen twists & turns, unzähligen Details, einem kongenialen Soundtrack und nicht zuletzt dem genialen Spiel von Caleb Landry Jones zu verdanken ist. Wer schon den „Joker“ mochte, mit all seinen Facetten von Wut und tiefer Traurigkeit, und generell Gefallen an düsteren Dramen findet, wird „Dogman“ hingebungsvoll abfeiern können. Hier brodelt es fast noch schlimmer in den seelischen Untiefen eines gebrochenen Mannes, doch wäre es kein Luc-Besson-Film, wenn die finstere Geschichte nicht immer mal wieder von grellen Einspielungen grotesk bunter Bilder und manchmal fast skurril wirkenden Song-Einlagen unterbrochen würde. Das wirkt manchmal, und man verzeihe mir den vielleicht etwas derben Vergleich, als hätte „Tootsie“ Pate für einen Horrorfilm gestanden, und der sehr „queere“ Aspekt der Geschichte passt perfekt zur Charakterisierung des Protagonisten. Man muss schon sehr empathielos sein, um mit Douglas nicht mitleiden zu können oder die zahlreichen wunderbaren Hunde nicht in sein Herz zu schließen. Für mich als bekennender Hundefreund waren das natürlich die heimlichen Stars der eher ruhigen Geschichte, die nur stellenweise an Tempo und Fahrt gewinnt. Dann aber fühlt man sich in manchen Momenten an Scorseses „Taxi Driver“ erinnert, wenn aufgestaute Wut und Frustration eines „Underdogs“ sich in plötzlichen und heftigen Gewaltausbrüchen entladen darf, wie ein reinigendes Gewitter nach einem unerträglich heißen und langen, schwülen Tag im Hochsommer. Ein mutiges, kleines Meisterwerk. Ein Film, der nicht nur perfekt unterhält, sondern gleichzeitig auch verstört und nachdenklich macht. „When I was a child, running in the night Afraid of what might be Hiding in the dark, hiding in the street And of what was following me The hounds of love are hunting I've always been a coward And I don't know what's good for me Oh, here I go … „ „Hounds of Love“, Kate Bush | |
Alexander sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 07.09.2023, 09:57 |
If you can perform Shakespeare, you can perform anything.von traab | Permalink |
"Dogman" aus dem Jahr 2023 ist ein Drama/Thriller von Regisseur Luc Besson. "Bei einer Verkehrskontrolle wird der gehbehinderte Doug blutverschmiert und im Abendkleid am Steuer eines Lastwagens voller Hunde aufgegriffen. Während eines Verhörs mit einer Psychologin erzählt er seine schockierende Geschichte aus seiner Vergangenheit. Dougs Mutter floh vor seinem sadistischen Vater, und während er im Hundezwinger eingesperrt war, schloss er einen einzigartigen Pakt mit den Hunden. Dieser Pakt bildet das Fundament eines außergewöhnlichen Lebens." Luc Besson, vor allem bekannt für seine großen Filme aus den 90ern wie "Léon" oder "The Fifth Element", ist nach einer ruhigeren Phase in den letzten Jahren mit "Dogman" zurück. Dieser spannende Thriller prangert geschickt die Gesellschaft an und lässt uns über die bedingungslose Liebe von Hunden und dem unkultiviert animalischen Verhalten von Menschen nachdenken. Schon der Titel, "Dogman", verrät, dass es hier um Hunde geht und wie Doug eine besondere Bindung zu diesen Vierbeinern aufbaut. Diese Verbindung setzt er geschickt für seine eigenen Zwecke, aber auch zum Wohl anderer ein. Ab dem Zeitpunkt als die Hunde auf der Leinwand erscheinen, hatte mich der Film bereits. Als Hundemensch konnte ich mich über die großartige Darstellung und die clevere Einbindung der Hunde nur freuen. Einzig der Aufbau des Erzählstils fand ich ungünstig umgesetzt. Man wechselt zwischen dem Gespräch von Doug mit der Psychologin Evelyn und Rückblenden in Dougs Vergangenheit hin und her. Das riss mich immer wieder minimal aus der immersiven Geschichte heraus. Die heimlichen Stars des Films sind zweifelsohne die Hunde. Neben beeindruckend choreografierten Action-Szenen zeigen sie auch einfühlsame und intelligente Seiten. Besonders der große Endkampf ist brillant inszeniert, der all dies kombiniert. Aber neben der Hundeaktion und den gezeigten antrainierten Fähigkeiten der liebenswerten Vierbeiner, geht es aber in "Dogman" vor allem um einen jungen Mann, der das Vertrauen in seine eigenen Artgenossen verloren hat, der durch seine dramatische Kindheit traumatisiert wurde und Hoffnung und den Lebenswillen in Form von bedingungsloser Liebe und Empathie von seinen Hunden gefunden hat. Als Hundeliebhaber kann ich "Dogman" wärmstens empfehlen. Doch auch für diejenigen, die mit Hunden weniger anfangen können, bietet der Film einen faszinierenden Ansatz und berührende Momente, die bisweilen zu Tränen rühren können. "If you can perform Shakespeare, you can perform anything." | |
traab sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt - Original-Review | 14.09.2023, 12:47 |
Besson is back in townvon Edwinita | Permalink |
Endlich ein Film, der kein BlockBuster ist und auf billig scheppernde Art und Weise um die Aufmerksamkeit des Betrachters buhlt. Kein Kevin allein zu Hause mit Hunden, der die Geschichte ins Lächerliche zieht. Kein langatmiger Joker ... Selbst die Nebenschauplätze sind so interessant, prächtig und intim, dass man sich in diesem Universum gerne verliert. Luc Besson hat alles richtig gemacht ... | |
Edwinita sah diesen Film im Zoo Palast, Berlin | 15.09.2023, 11:20 |
Never trust humansvon splattercheffe | Permalink |
Dass man das noch erleben darf: Luc Besson erfindet sich in zartem höherem Alter noch einmal komplett neu. Allen möglichen Regisseuren hätte man sowas zutrauen dürfen, aber nach den letzten doch sehr mediokren Werken des Franzosen ist DOGMAN eine Offenbarung und ein fast perfekter Film - obwohl man angesichts der Thematik doch soviel hätte verkehrt machen können. Gar nicht auszudenken, was das gemeine Hollywood aus diesem Stoff gemacht hätte. Besson hingegen weicht allen Fallen und Manierismen aus und dreht annähernd ein Paradoxon: einen zutiefst humanistischen Film mit einem zutiefst pessimistischen Menschenbild. Nicht umsonst scheint mir eine Dialogzeile des großartigen Caleb Landry Jones der Kernsatz von DOGMAN zu sein, als er im Gespräch mit der ihn befragenden Beamtin Hunde als Träger aller positiven menschlichen Eigenschaften bezeichnet, mit nur einem einzigen Fehler: "They trust humans." Im Verbund mit einem sardonischen Grinsen ist der Tonfall gesetzt. Besson gelingt es, die Verbindung des DOGMAN mit seinen Hunden als völlig natürlich und folgerichtig darzustellen, trotz des eigentlich phantastischen Elements, das ihr innewohnt. Auch der zweite Handlungsstrang, die Entwicklung des DOGMAN zum Cross-Dresser, wirkt schlüssig und keinesfalls aufgesetzt, sondern unterstreicht die humanistische Botschaft, indem er die Minderheiten, Außenseiter, Anders-Artigen als die empathischeren Menschen würdigt - weil sie alle etwas eint, wie Jones weiß: "They know pain." DOGMAN hat fast etwas der größten Filme des magischen Realismus und ist doch ein ganz eigenständiges, originelles Kunstwerk, das in der heutigen Kinoszene wie ein Monolith in der Landschaft steht. | |
splattercheffe sah diesen Film im City, München | 15.09.2023, 16:02 |
Auf den Hund gekommenvon Leimbacher-Mario | Permalink |
Mit „Leon der Profi“ allgemein und „Das fünfte Element“ für mich persönlich hat Luc Besson sich unsterblich gemacht. Auch sein „Nikita“ und „The Big Blue“ haben ihren ganz eigenen Ton und müsste ich endlich mal wieder sehen. Und nach den ersten Stimmen aus Venedig und anderen Städten des Fantasyfilms (wo er der Opener dieses Jahr ist) war meine Erwartung, dass er mit diesem tierliebsten Charakterbrocken vielleicht zurück zu dieser alten Stärke finden würde… In „DogMan“ folgen wir einem in seiner Kindheit misshandelten und in den Hundezwinger gesteckten Mann, der seitdem eine ganz besondere Verbindung zu „des Menschen besten Freundes“ hat und über ihre Zuneigung und Hilfe in einer rauen Welt zu sich selbst findet… One-DogMan-Show „DogMan“ bewegt sich in seiner eigenen Welt. Sowohl die meist erzählte Perspektive der Geschichte als auch die leicht surreal-melancholische Stimmung machen dies klar. Deswegen würde ich ihm Logiklöcher, Sprunghaftigkeit und Fragwürdigkeiten nicht allzu sehr ankreiden. Selbst wenn man sich bei manchen Entscheidungen schon am Kopf kratzt als hätte man Flöhe. Caleb Landey Jones Leistung ist extrem stark und auf Augenhöhe mit den Besten à la Phoenix oder De Niro in ähnlichen Charakterporträts. Umwerfend, berührend, intensiv, speziell, aufopferungsvoll. Allein er sorgt schon dafür, dass der leicht surreale und wirre Genremix zusammenhält und nicht gänzlich baden geht. Dazu kommt ein gelungener Soundtrack („kein Film kann schlecht sein, mit Eurythmics Sweet Dreams“), der dann aber doch etwas fragmentarisch und zusammengewürfelt wirkt, wie vieles andere an dem (mutigen) Semi-Thriller auch. Oft fühlt sich das an wie eine Rohfassung oder ein extrem wildes Drehbuch. Alles an die Wand, gucken was hält. Hundecomedy. Actionthriller. Drag-„Nikita“. Bitterstes Charakterdrama. Hoffnungsvolles „Hunde sind die besseren Menschen“. Besson wirft hier sehr viele seiner (eh mittlerweile arg zerstreuten) Signaturen in den Ring. Und manchmal entstehen dadurch Chaos und Fremdscham. Manchmal aber auch pure Berührung und Emotion. Für mich hat „DogMan“ viel von einem Spalter und Kultfilm. Für mich und meinen Geschmack klappt und hält nicht jeder Trick. Alles wirkt auch metaphorisch sehr in-your-face, simpel gestrickt, launig und mit einem mir unklaren Ziel. Der Weg ist hier wohl eher eben jenes. Und doch ist da selbst in dümmsten Momenten immer noch sein Star, der mich gefesselt hat wie wenige andere Schauspieler und Filmfiguren in den letzten Jahren. Jones ist der Hammer. Auch lobend zu erwähnen sind die (nahezu immer CGI-freien) Hunde an sich, ihre Gesichtszüge, ihre Nutzung und ihr Trainer, der für diesen Film ganze Arbeit geleistet hat. All das hebt „DogMan“ über Bessons jüngste Hollywoodvergangenheit. Aber nicht dermaßen viel, wie ich es mir vielleicht erhofft hätte. Fazit: Stark gespielt, chaotisch geschrieben, oberflächlich inszeniert, irgendwie ziellos und oft Fremdscham und Fragezeichen aufwerfend - „DogMan“ wirkt wie eine überlange Originstory eines bisher unbekannten Batman-Bösewichts. Sehr seltsam, sehr verplant. Zieht nicht komplett, für mich kein Brett. Aber der Star und seine vierbeinigen Freunde reißen viel raus - nicht nur aus Gangmitgliedern! | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 21.09.2023, 11:43 |
Beware of Dougvon Herr_Kees | Permalink |
Luc Besson malt gerne mit dem groben Pinsel. In den 80ern und 90ern hat sein plakatives Kino mit SUBWAY, THE BIG BLUE, NIKITA, LEON und THE FIFTH ELEMENT wunderbar funktioniert. Mit den etwas ernsthafter gemeinten Dramen à la JOAN OF ARC und ANGEL-A weniger. Und so schafft es auch DOGMAN nicht weiter als an die Oberfläche: Jede Situation, jede Szene, ist ein Klischee. Von der gebeichteten Backstory im Polizeirevier über die schlimme Kindheit nebst gewalttätigem, gottesfürchtigem Vater bis zu den tumben tätowierten Gangstern. Caleb Landry Jones selbst, durchaus ein guter, intensiver Schauspieler, wie man beispielsweise im Attentäterdrama NITRAM gut sehen kann, channelt unter Bessons „mehr ist mehr“-Regie gleich beide JOKER (Joaquin Phoenix in den Rückblenden und Heath Ledger im Jetzt) und auch ein bisschen Queer-Comedian Eddie Izzard. Die Geschichte, die Doug (erneut: sehr subtil, Monsieur Besson) uns hier auftischt, ist mit ihren religiösen Fanatikern, arroganten Millionären, schmierigen Versicherungsagenten, herzensguten Dragqueens und Wunderhunden, die mit den Bösewichten HOME ALONE spielen, so (bezeichnen wir es mal positiv als) märchenhaft, dass man sich tatsächlich wünscht, sie bekäme eine entsprechende Auflösung. Doch stattdessen bevorzugt Besson auch am Schluss das Pathos und das große Bild, was seinen Film letztlich noch ein Stück weiter in Richtung Cringe abrutschen lässt. Wofür wohl die angeblichen sieben Minuten Standing Ovations in Cannes gedacht waren? Sie können nur den Hunden gegolten haben. Die Hunde, die sind großartig. | |
Herr_Kees sah diesen Film im EM, Stuttgart | 21.09.2023, 12:08 |
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Kommentar von Hanno : |
Toller Film für den Eröffnungsabend |
21.09.2023, 09:37 |
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