Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?von Alexander | Permalink |
Es hilft bestimmt ein Fan von Abbey Lee zu sein, um diesen Film zu mögen, denn der Zuschauer wird in so manchen freizügigen Szenen sehr viel von ihr zu sehen bekommen, in diesem kunstvollen Kammerspiel. „Elizabeth Harvest“ hat einen hohen ästhetischen Anspruch und erinnerte mich stellenweise an den von mir bewunderten „A Cure for Wellness“, schafft es dann aber leider nicht vollends dessen Faszination, Tiefgang und unheimlichen Grusel zu kopieren. „I hope this does not bore you“, sagt Ciaran Hinds an einer Stelle recht früh im Film, an der ich mich ironischerweise bereits tatsächlich zum ersten Mal langweilte, auch wenn seine bedrohlich wirkende Darstellung eines kultivierten Wissenschaftlers stellenweise an eine Mischung aus Hannibal Lecter und Doktor Heiter erinnert. Doch die anderen Darsteller wirken häufig seltsam entrückt und sprechen ihre Texte mitunter so emotionslos, das man sich zwangsläufig fragen muss, ob sie sich bei den Dreharbeiten gelangweilt haben. Vielleicht war das aber auch so gewollt um dem künstlerischen Gesamtanspruch gerecht zu werden, unterstreicht es doch die unterkühlte Atmosphäre dieses Schauerstücks. „Elizabeth Harvest“ enthüllt allerdings nicht nur den Körper der Hauptdarstellerin, sondern leider auch sein größtes Geheimnis recht früh, und beraubt den Film damit um einiges an Spannung und Tiefe, macht die Geschichte ein Stück weit vorhersehbar. Auf der Habenseite wird das allerdings durch die verschachtelte Erzählweise wieder etwas wett gemacht, die noch ein paar Überraschungen in petto hält. So bleiben z. B. die Beweggründe der Protagonisten sehr lange im Dunkeln, und auch in welchem Verhältnis die einzelnen Personen zueinander stehen wird erst allmählich klar und entfaltet im Zuge der recht langen Geschichte dann glücklicherweise doch noch so viel Sog und Potential, das man als Zuschauer bei der Stange bleibt. Insbesondere in der zweiten Hälfte zieht der Film einen tiefer in seinen Bann und nimmt auch dramaturgisch endlich Fahrt auf. Doch trotz der hervorragenden Kamera, einem beeindruckenden Set-Design, schönen Bildern und gutem Score schaffte es diese Hochglanzproduktion nicht mich durchgehend zu beeindrucken und vermochte trotz stimmungsvoller, stylisher Bilder auch nicht immer über die Abstinenz von Logik der im Kern eigentlich recht kruden Story hinwegzutäuschen. Als alter Fan verschwurbelter Geschichten gebe ich trotz der zuvor erwähnten Defizite mal wohlwollende 7,0 Punkte, denn die Geduld des Zuschauers wird belohnt. Actionfans sollten aber vielleicht besser fern bleiben, Freunde ästhetischer Bilder und Körper dürften an „Elizabeth Harvest“ gefallen finden, sehr anspruchsvollen Mystery- und Rätselfreunden unterbietet diese Science Fiction/Horror/Mystery Symbiose aber unter Umständen doch ihre Erwartungen. | |
Alexander | 12.08.2018, 11:06 |
Curiosity killed the catvon Lovecraft | Permalink |
Eine junge naive Frau, die von ihrem deutlich älteren frisch Angetrauten in dessen spektakuläre Villa geführt wird; "Feel free, explore" – nur den einen bestimmten Raum im Keller hat sie zu meiden. Was uns Regisseur und Autor Sebastian Gutierrez ("Rise") hier auftischt, ist natürlich erst einmal der ganz klassische "Blaubart"-Stoff und bietet doch im weiteren Verlauf ein Füllhorn an Überraschungen. Vor diesem Hintergrund der dringende Rat, Trailer und genauere Beschreibungen unbedingt zu meiden. Ein Besuch des Films lohnt sich auf jeden Fall, allein schon wegen der Optik: Selten habe ich einen so "schönen" Streifen gesehen, der zum Glück auch inhaltlich einiges auf der Pfanne hat. Das Mitpuzzeln ohne Vorkenntnisse macht, trotz kleinerer Längen, viel Spaß. Darsteller, Kamera und Musik sind eine Augenweide. Nicht verpassen! | |
Lovecraft sah diesen Film im Cinestar, Berlin | 08.09.2018, 10:32 |
Schatten der Vergangenheitvon Frank | Permalink |
Regisseur Sebastian Gutierrez schuf mit ELIZABETH HARVEST einen sehr stylishen Film, bei dem Location Scouts wie Set Designer die perfekte ästhetische Grundlage für die Story geschaffen haben. Die große, moderne Villa aus Glas und Beton ist in einer ebenso kargen wie zeitlos wunderschönen Landschaft angesiedelt und unterstreicht gleichermaßen die Eleganz der von Abbey Lee verkörperten Hauptfigur Elizabeth sowie die kühlen, distanzierten Emotionen der Charaktere. Die Materialien und Farben im Inneren der Villa sind eine perfekt ausbalancierte Mixtur aus Leder-Applikationen und warmen Holzmöbeln (sogar das Klavier besteht aus dunklem Wurzelholz) und neutralen bis kühlen Elementen wie Glas und Beton. Orchideen sind ein weiterer Spiegel für die Eleganz, aber auch die zerbrechliche Grazilität der Figuren. Damit bietet das gesamte Setting den perfekten Untergrund für alle Charaktere, die sich elegant und teils orientierungslos durch ihr rätselhaftes Leben bewegen. Gesättigte Farben sind ein weiteres Merkmal dieser Produktion und passender Weise steigert sich deren Intensität sowie der Gebrauch monochromer Farben mit zunehmender Entwicklung der Story und der emotionalen Entwicklung der Charaktere. In der Tat erinnert er in diesen Momenten stilistisch auch an den letztjährigen REPLACE. Die ersten 30-40 Minuten haben mich von der Farbgestaltung und besonders vom Rhythmus her (die kleinen rhythmischen Pausen!) an STOKER erinnert. Ich habe es ebenfalls als nachteilhaft empfunden, dass der Film sein Geheimnis doch recht früh enthüllt, und stimme Alexander zu, dass er dieses Manko wieder gut macht, indem er den weiteren Verlauf sinnvoll nutzt, um bislang fehlende Storyelemente, Charakterdetails, ja das ganze Gefüge durch kluge Drehbuchentscheidungen, eine intelligente Struktur, sinnvolles Editing (Rückblenden) zu erhellen, verständlich zu machen und den Film weiterhin interessant zu gestalten. Von allen schauspielerischen Leistungen war ich sehr angetan, besondere Bedenken hatte ich anfangs, wie das püppchenhafte, nichtssagende Wesen der Elizabeth Harvest über die gesamte Laufzeit eine interessante Hauptfigur abgeben sollte. Diese Bedenken wurden zerstreut. Der Score setzt die passenden Akzente, es ist aber keiner von der Sorte, wo nach dem Film noch einzelne Musikstücke in mir nachhallen, die ich nochmal hören müsste. Sebastian Gutierrez zeigt bereits in der ersten tollen Einstellung (im Auto - ich glaube, es war die erste) seinen hohen Anspruch an die Kameraarbeit und zeigt auch im weiteren Verlauf ein gutes Gespür, z.B. durch den (De Palmarischen) Einsatz von Splitscreen oder einfach nur elegant gewählte Angles. Auffällig ist, dass er sich besonders zu Beginn verweigert, ein komplettes Bild der Szene, der Räume, zu zeigen. Erst im weiteren Verlauf gestattet er der Kamera (und dies auch nicht immer), sich weiter zu öffnen. Trotz zum Teil kräftig-warmer Farbgebung ist es ironischerweise die weitgehende Unterkühltheit der Protagonisten bzw. das Sujet im allgemeinen, die/das dafür sorgt, dass ein Abstand zwischen dem Geschehen auf der Leinwand und dem Betrachter bleibt, sodass ELIZABETH HARVEST zwar eine eindeutige Empfehlung von mir bekommt, mich jedoch nicht über die gesamte Laufzeit vereinnahmen oder restlos begeistern konnte. Klare 7 Pkt. | |
Frank sah diesen Film im Savoy, Hamburg | 15.09.2018, 16:29 |
Triff deinen Schöpfer!von Leimbacher-Mario | Permalink |
"Elizabeth Harvest" ist ein sexy Hightech-Thriller, ein weiteres Kammerspiel, das mich dieses Jahr auf dem Fantasy Filmfest überzeugen konnte. Nicht wegblasen, aber überzeugen. Man könnte ihn als gialloartigen "Ex Machina"-Verschnitt beschreiben. Sehr hübsch, genug zum Rätseln, audiovisuell ein Rausch, dazu mit zwei der schönsten Frauen der Welt gesegnet - Männer- und Filmherz, was willst du mehr?! Na ja, etwas mehr wäre schon drin gewesen... Es geht um eine mehr als ansehnliche junge Frau, die mit ihrem älteren Mann (und Genie) in dessen abgeschiedener Luxusvilla ankommt. Scheinbar frisch vermählt und traumwandlerisch glücklich. Im dortigen Keller und einzig verbotenen Raum entdeckt die verwirrte Schönheit aber etwas, dass ihr Liebesglück brutal aus der Bahn wirft... "Elizabeth Harvest" ist viel Oberfläche und wenig Inhalt. Das muss man schon zugeben. Dennoch schlägt er genug Haken und bietet mehr als genug Schauwerte (und Hörwerte!), dass man gerne dran bleibt. Abbey Lee ist sicher nicht die beste Schauspielerin, das verwirrte Reh in Gefahr kauft man ihr aber gerne ab. Zudem spielt Ciaran Hinds böse und gut genug für zwei und die attraktive Seitendeckung von Carla Gugino hilft. Jede Figur hat genug Geheimnisse und jedes Bild genug Stil für mehr als einen Film. Vielleicht wird für eine optisch derart polierte, versierte, fixierte Geschichte etwas viel erklärt und erzählt, es bleibt wenig Message oder gar Emotion zurück, doch weitestgehend passen die hochwertigen Teile zusammen. Und sehen in ihren verspielten Splitscreens und Signalfarben schnieke aus. Auf allen Blicken das Gegenteil von Shakespeare - obwohl Blaubart leise im Hintergrund atmet... Fazit: Stylisch, wendungsreich, oberflächlich. Ansehnlich in jeder Beziehung. Hot, hot, hot. Hohl, hohl, hohl. | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 25.09.2018, 16:04 |
Blaubarts xte Frauvon Herr_Kees | Permalink |
Es beginnt wie im Märchen: Elizabeth wird von ihrem frischgetrauten Ehemann, einem Nobelpreisträger, über die Schwelle des gemeinsamen Traumhauses getragen, in dem sie Schätze aller Art erwarten. Nur einen Raum dürfe sie nicht betreten... Wer die Geschichte von Blaubart kennt, meint zu wissen, was nun passiert. Dass alles doch ein wenig komplexer ist, als es zu Beginn scheint, ist eine der großen Stärken des Films, der mit einem recht frühen Twist der Geschichte eine komplett neue Wendung gibt. Leider verpufft damit auch recht schnell die anfängliche Spannung und in seiner zweiten Hälfte, die größtenteils aus Rückblenden besteht, erklärt der Film sich nur noch selbst und zerfasert dadurch vollständig. Visuell ist ELIZABETH HARVEST ein Vergnügen, intellektuell und emotional ist man dagegen bald unterfordert und fragt sich, wann denn endlich Schluss ist. Schade um das gute Potenzial, das in den richtigen Händen einen fantastischen und intelligenten Thriller hergegeben hätte. | |
Herr_Kees sah diesen Film im Metropol, Stuttgart | 01.10.2018, 12:37 |
Erntedankfestvon D.S. | Permalink |
In stilistischer Hinsicht bietet ELIZABETH HARVEST zweifelsfrei viel sehr Appetitliches. Er ist wie eine riesige, prall gefüllte Tafel, an der man sich niederlässt und genießt: filmästhetische Leckereien aus vergangenen Dekaden, die hier im Überfluss zitiert, imitiert, neu kombiniert werden. Dem Thema Ton wird dabei weniger Aufmerksamkeit gewidmet – abgesehen von einem Exkurs über das Werk Erik Saties, mit dem der geniale, stinkreiche Wissenschaftler Henry (Ciarán Hinds, RED SPARROW) seine junge Ehefrau Elizabeth (Abbey Lee, THE NEON DEMON) zu beeindrucken versucht, ist mir in dieser Hinsicht jedenfalls nichts in Erinnerung geblieben. Allerdings ist ELIZABETH HARVEST damit einer von mindestens fünf Filmen beim FFF 2018, in denen Satie explizit eine mehr oder minder große Rolle spielt, und das IST bemerkenswert. Wie auch immer, wirklich auffällig ist hier die visuelle Gestaltung. Das gilt zuallererst dafür, wie Elizabeth als aparte, aber atemberaubende Schönheit in Szene gesetzt wird – von der Kamera mal in verträumten, mal in sehnsüchtigen, mal in verzweifelten Posen viel öfter als nötig bildfüllend eingefangen, kann man sich ihrer Ausstrahlung kaum entziehen. Ihre extreme Präsenz, ihre zahllosen Auftritte haben natürlich auch storyseitige Relevanz, die hier allerdings nicht gespoilert werden soll. Unabhängig davon tut eine Umschreibung als Abbey-Lee-Model-Reel dem Werk definitiv nur bedingt Unrecht. Präsentiert wird sie dabei zumeist im wunderbarsten Retro-Stil – ihre Frisur, ihre Kleidung wirken wie direkt einer Spät-60er-Hippie-Modezeitschrift entsprungen –, wozu die häufig zum Einsatz kommende Splitscreen-Technik passt wie die Faust aufs Auge. Diese Nostalgie-Verliebtheit steht natürlich im starken Gegensatz zum futuristischen Hauptthema der Handlung, das sich unter anderem auch in zahlreichen hochmodernen Technologie-Gadgets in Henrys abgeschiedener, abgeschotteter Luxus-Villa äußert. Ein spannender Kontrast, der die Genre-Kreuzung von ELIZABETH HARVEST spiegelt: Romantisches Märchen trifft auf dystopische Science Fiction. Schöne Oberfläche auf düstere Seele. Inhaltlich ist das Ganze dabei jedoch nicht ganz so spannend gehalten wie stilistisch – jedenfalls ab ungefähr der Mitte des Films, wenn das zentrale Geheimnis hinter dem zunächst mysteriösen Geschehen gelüftet wird. Im Folgenden warten nur noch einige kleinere, immerhin recht böse Überraschungen auf den Betrachter; ihren Höhepunkt hat die Story klar zu früh erreicht und die Handlung beschäftigt sich danach vorwiegend mit dem wiederholten Erklären dessen, was wir zuvor gesehen haben. Das mindert die Wirkung des Films beträchtlich – ich vergebe trotzdem sehr knappe 7 Punkte, da mich die Bildkomposition und -gestaltung sowie insbesondere auch der Umgang mit Farbe und Licht doch nachhaltig beeindruckt haben. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 02.10.2018, 01:41 |
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