Staplerfahrerin Inesvon Leimbacher-Mario | Permalink |
„Employee of the Month“ ist eine französische, feministische „Stromberg“-Version mit mehr Blut und Busen. So ähnlich hieß es passenderweise dieses Jahr im Programmheft des Fantasy Filmfests. Ohne Abspann nur knapp über eine Stunde lang, folgen wir hier Ines, einer jahrzehntelangen Sekretärin und wichtigen Mitarbeiterin einer „Putzmittelfirma“, die schon immer von den Männern im Vertrieb und der Führung um sich herum in den Büroweiten unterschätzt und degradiert wurde. Nun ist jedoch der Tag gekommen, an dem sie rot sieht - und das zum Teil wortwörtlich und in menschlichem Lebenssaft gemessen… Diese französische Bürobackpfeife ist durchaus nett und leicht wegzugucken. Definitiv gegen Männer gerichtet - aber zu Recht, gegen solche, die es verdient haben und selbst vor 10 Jahren schon maßlos veraltet wirkten. Und immer schon Arschlöcher waren und sein werden. Das dürfte selbst der größte Feminismusskeptiker kaum krumm nehmen. Die Situationskomik und Mimik passt, meist typisch französisch und spaßig-trocken. Es gibt genug verschiedene Tötungsmöglichkeiten. Und viele Muster erkennt man in den besten Momenten ähnlich wie in „The Office“ sehr gut wieder, wenn man selbst in einem Bürojob seine Brötchen verdient. Zum größeren Wurf reicht's mit „Employee of the Month“ dennoch nicht, dafür kennt man die Muster aus den genannten Kult- und TV-Meilensteinen zu innig, dafür wirkt das Ende viel zu plötzlich und fast unfassbar abgeschnitten, halbgar, höhepunktarm. Kurz dachte ich, es wäre ein Fake-Abspann oder wir würden vielleicht eine noch unfertige Workprintfassung sehen. Gab's alles schon auf dem FFF. Aber das war’s nicht. „Employee of the Month“ bleibt ein fluffiger Zwischensnack ohne Lust auf Konsequenzen und ohne Streben nach Größerem. Und selbst das kann nochmal mögenswerter wirken. Fazit: sympathisch, sweet, simpel - seichte Bürosatire, die nie (genug?) weh tut und bei der man nicht viel verpasst, wenn man sie verpasst. Datenighterfolg ohne allzu viel Mut. | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 25.09.2022, 02:25 |
Morgens halb zehn im White-Collar-Landvon D.S. | Permalink |
Der belgische Beitrag EMPLOYEE OF THE MONTH ist ein netter kleiner filmischer Snack für den Komödienhunger zwischendurch, unterhaltsam, halbwegs charmant und leicht verdaulich. Eins ist er jedoch eher nicht: die im FFF-Programmheft versprochene „großartig ätzende Satire“. Eine solche zeichnet sich nämlich unter anderem dadurch aus, dass sie jemandem auf die Füße tritt, während sie unangenehme Wahrheiten anprangert. Auf den ersten Blick macht Véronique Jadins Spielfilmdebüt zwar genau das: Schließlich geht es um Sexismus und ein Klima toxischer Männlichkeit am Arbeitsplatz. Auf den zweiten Blick aber wird hier niemand wirklich angegriffen, denn ein derartig derangiertes, offen misogynes (und dysfunktionales) Büroleben wie das dargestellte dürfte selbst im verkommensten, altmodischsten Mittelstands-Betrieb der westlichen Welt seit mindestens 20 Jahren nicht mehr vorzufinden sein. Natürlich ließe sich jetzt argumentieren, polemisierende Überspitzung gehöre ja eben zum Wesen von Satire – nach meinem Empfinden fehlt in diesem Fall aber gerade die Spitze, da auf Zielscheiben geschossen wird, die in der Realität niemand (mehr) hochhält. Sprich: So krass wie in diesem Film gezeigt, verhält sich selbst der älteste weiße Mann wohl seit langer Zeit nicht mehr. Und deshalb muss sich auch kein echter Verfechter der Männerkumpanei im Job und anderswo ertappt fühlen. So offensichtlich daneben wie Jadins Schießbudenfiguren benimmt er sich ja schließlich nicht, benimmt sich niemand mehr. Oder? Vielleicht unterliege ich da auch einem Trugschluss. Meiner Erfahrung entspricht das Dargebotene jedenfalls nicht, Büro-Sexismus kommt, so wie ich es erlebe, heute wesentlich weniger offensichtlich, wesentlich hinterhältiger daher. Und müsste deshalb auch deutlich hintergründiger thematisiert werden, um ihn zu enttarnen und effektiv anzugreifen. Jedoch muss man natürlich weiß Gott nicht einen solchen aufklärerischen Anspruch an eine schwarze Komödie stellen, es kann ja völlig ausreichend sein, wenn sie einfach schön fies unterhält und ordentlich geschmacklos daherkommt. Das gelingt dem EMPLOYEE immerhin halbwegs, allerdings wirkt er (auch in dieser Hinsicht) klar zu zahm, zu harmlos. Bester Beleg dafür: Einzig der erste Todesfall unter den Kollegen, die Hauptfigur Inès so entwürdigend behandeln, hat wirklich Wumms, ist echt skurril und dadurch zum Schreien komisch. Alle anderen gehen zu „normal“, nicht abseitig genug vonstatten. Die zwischen bestürzt und nonchalant chargierenden Reaktionen der Täterin und ihrer unfreiwilligen Helferin, der neuen Praktikantin Melody, machen da schon deutlich mehr Laune. Auch gefällt, dass die Protagonistin nicht als tadellos integre, gerechte Rache-Heldin gezeichnet wird – die Aufdeckung ihrer offenkundig rassistischen Tendenzen macht treffend deutlich, dass Opfer ebenfalls Täter:innen sein können. Wenn man bereit ist, jede – und zwar wirklich jede – Erwartung an Realismus aufzugeben und also akzeptiert, dass sich insbesondere die männlichen Figuren hier wie Steinzeitvarianten echter White-Collar-Worker verhalten sowie dass Menschen in diesem Film quasi schon sterben, wenn sie schief angeschaut werden und niemand das macht, was im echten Leben wahrscheinlich wäre, dann kann man zumindest mehrfach schmunzeln und sich vom EMPLOYEE, der wenigstens keine allzu lange Laufzeit für sich beansprucht, schmerzfrei berieseln lassen. Zum wahren Schenkelklopfer fehlt ihm jedoch die nötige Derbheit, zur ätzenden Satire meist die Schärfe. Ein OFFICE KILLER beim FFF 1999 war da nicht nur kunstvoller, sondern auch schlagkräftiger unterwegs. 5,5 Punkte. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 28.09.2022, 02:10 |
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