„What a useless montage!“von Herr_Kees | Permalink |
Eins muss man ESCAPE zugutehalten: Er ist wirklich ungewöhnlich und macht Dinge, die man so noch nicht gesehen und auch nicht erwartet hat. Doch ist das nicht genug für einen guten Film – das hier ist das reinste Chaos: Drei simple Freunde baden unfreiwillig in chemischen Substanzen und reisen plötzlich beim Niesen 20 Jahre in die Zukunft. Vielmehr reist ihr Geist – soweit vorhanden – der Körper fällt in eine Art Koma. In der höchst futuristisch gezeichneten Zukunft des Jahres 2019 stellt sich dann heraus, dass der eine ein Killer geworden ist, der zweite ein Fotograf und der kleine Dicke schlank und muskulös. Das fasst schon recht gut Humorniveau und Skriptidee des Films zusammen. Schließlich muss die Welt vor einer verrückten Wissenschaftlerin gerettet werden, die mit dem chemieverseuchten Blut eines der Zeitreisenden die ganze Menschheit geistig um 20 Jahre zurückversetzen will, weil sie auf einen Anruf ihres Sohnes wartet. Ihr unbesiegbarer Handlanger hat seine Kampfkünste im 90er „Streetfighter II“ Videospiel gelernt und entsprechend blitzen bei den Actionszenen gelegentliche Anime-Effekte auf. Unsere Helden versuchen nun, 1999 die Zukunft zu verändern und reisen niesend zwischen den Jahrzehnten hin und her. Die beiden Zeitebenen werden durch 4:3 und extremes Breitwandformat unterschieden, aber irgendwann verliert der Film selbst den Überblick über die eigenen Zeitreiseregeln und zeigt nur noch, was die Macher cool fanden. Sprich: kurze Close-ups und Clips in Videoclip-Ästhetik, simple Computertricks und verfremdende Effekte, die man zuletzt in der Musiksendung „Formel Eins“ gesehen hat (wer kennt sie noch?). Eben alles, was ein Lenovo-PC an Bewegtbildbearbeitung so hergibt und was man mit ein paar Kumpels schnell runterdrehen kann. Denn leider sieht ESCAPE im Gesamten bei all seiner Augenwischerei dann doch sehr nach Low Budget aus. Man bekommt hier zwar EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE im Paket mit SCOTT PILGRIM – aber leider bei Wish bestellt. Es ist erstaunlich, wie ein Film, der so um Aufmerksamkeit heischt, so langweilig und vor allem ermüdend sein kann. Letztlich ist es aber extreme Geschmackssache, ob man sich von diesem Film und seiner sehr speziellen Ästhetik und Art gewinnen lässt. Einen gewissen Charme kann man ihm jedenfalls nicht absprechen, manche Ideen sind wirklich gut und der eine oder andere Schmunzler ist auch dabei. Aber das reicht eben vielleicht für einen YouTube-Kanal, nicht aber für einen abendfüllenden Spielfilm. | |
Herr_Kees sah diesen Film im EM, Stuttgart | 12.09.2024, 00:37 |
Happy happy Overkill!von D.S. | Permalink |
Man muss vermutlich schon ein bisschen neben der Spur sein, um dieses (zumindest in spiritueller Hinsicht) handgemachte Zeitreisen-Spektakel grandios unterhaltsam zu finden und es für eins der absoluten Highlights des FFF-Jahrgangs 2024 zu halten. Aber das ist dann halt so. Für mich ein Feuerwerk der visuellen Ideen, das zwar insgesamt wenig Tiefgang, aber dafür umso mehr Eye Candy, Tempo und Wahnsinn zu bieten hat – und damit ein wunderbares Gegengewicht zu all der schweren, langsamen, intellektuell fordernden Kost bietet, die das Festival sonst in weiten Teilen ausmacht. Das, was man von der Handlung nachvollziehen kann, dreht sich dabei um drei 18-jährige Freunde, die 1999 mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen haben und sich nicht zuletzt durch die Hoffnung emotional über Wasser halten, dass alles besser sein wird, wenn sie erst einmal erwachsen sind. Nachdem sie von einer feindlichen Gang verprügelt und in einen See geworfen wurden, der mit einem böse bunten Chemikalienmix verseucht ist, müssen sie allerdings schnell und auf seltsamste Weise herausfinden, dass in der Zukunft gar nichts besser ist – nur lauter, schneller und lebensgefährlicher: Sie müssen jetzt nur noch niesen, schon finden sie sich in 2019 wieder. In den Körpern ihrer 38-jährigen Ichs, aber mit dem Geist, dem Wissen und dem Intellekt ihrer 18-jährigen Ichs ausgestattet. In 1999 verfallen ihre Körper derweil in eine Art Koma, ihre Augen verlieren die Pupillen – und dasselbe passiert ihren Körpern in 2019, wenn sie durch erneutes Niesen zurück nach 1999 reisen. Die Frage, was mit den „ursprünglichen“ Seelen ihrer 38-jährigen Ichs passiert ist, wird zwar einmal gestellt, aber es wird keine Antwort darauf geboten – vermutlich haben sie sich in Luft aufgelöst, bestimmt wird das Geschehen in beiden Zeitebenen nun ausschließlich von den Seelen der 18-Jährigen aus 1999. ESCAPE FROM THE 21ST CENTURY gehört dadurch auf den ersten Blick derjenigen Schule der SciFi- bzw. Zeitreisen-Filme an, die Zeit in einer gewissen Hinsicht als statisch betrachten: 1999 und 2019 sind hier zunächst klar voneinander getrennt; erst, wenn eine Figur mit ihrer Seele in einem der beiden Jahre anwesend ist, entwickelt sich die Geschichte dieser Figur weiter. Allerdings wird dieser Ansatz schon bald nicht mehr konsequent durchgezogen, tatsächlich ist eines der großen Themen des Films in seiner zweiten Hälfte der Versuch unserer Protagonisten, die Zukunft zu verändern, indem sie in 1999 bestimmte Dinge tun oder unterlassen. Und auch andersherum versuchen sie, ihre Vergangenheit zu beeinflussen, indem sie etwa eine für diese Filmgattung klassische Unternehmung in Angriff nehmen: Sie schlagen in 2019 die gewinnbringenden Lottozahlen von 1999 nach und setzen in der Vergangenheit/Gegenwart auf die entsprechenden Zahlen. Allerdings, und hier setzt sich der Film auf sympathische Weise vom Gros seines Genres ab: Sie gewinnen mit ihnen nicht. Denn, wie uns im Gedenken an die Lehre von Konfuzius vermittelt wird: Es gibt so etwas wie das Schicksal. Und dieses lässt sich nicht ändern. Wer gewinnen soll, wird gewinnen. Wer nicht gewinnen soll, wird das nicht. Egal, welche Tricks er anwendet. Ganz in diesem Sinne spielt das Schicksal hier generell eine entscheidende Rolle, beeinflusst all die scheinbar unendlichen Möglichkeiten, die sich unseren Protagonisten durch ihre „Zeitflexibilität“ theoretisch eröffnen. Vielfach in nicht unbedingt freundlicher Hinsicht – und überraschenderweise spiegelt sich eine solcherartige gewisse Schwere auch im emotionalen Kern des Films, der zwischenzeitlich eine Tragödienhaftigkeit erreicht, die man inmitten dieses Fun-Gewitters nun wirklich nicht erwarten würde. All dem überdrehten Bling-Bling, der Effektparade und dem schieren Wahnsinn des Dargebotenen zum Trotz hat ESCAPE FROM… nämlich ein überaus laut schlagendes Herz, das sich mitunter vehement Themen wie Freundschaft, Liebe, Fragen nach dem Lebenssinn und den Ansprüchen widmet, die man an sich selbst stellt oder stellen sollte. Ja, das Ganze kann überfordern und zeitweise auch sehr chaotisch wirken, hat das erwähnte Herz dabei aber immer am rechten Fleck und will mehr sein als nur ein stroboskopgefluteter, potenziell epileptische Anfälle verursachender Ritt durch ein Labyrinth des Wahnsinns. Zwischendurch verliert der Film dabei vielleicht Teile seines Fadens und mag dadurch mitunter beliebig, farbenblind, wild um der Wildheit willen wirken – am Ende des Tages lassen sich aber sowohl seine Story als auch seine Botschaft klar ermitteln und er bringt alle von ihm angerissenen Ideen zu einem kohärenten Ende. Vor allem aber ist er nun mal eben genau das oben genannte Feuerwerk an visuellen Reizen, durchgeknallten gestalterischen Ideen und atemlosen Story-Einfällen, das der Trailer bestenfalls andeuten kann, und das ihn von allen anderen aktuellen Filmen nachdrücklich abhebt. Stilistisch setzt er dabei jedes denkbare Mittel ein, häufig handelt es sich um Zeichentrickelemente im Realfilm, Farbexplosionen oder kaum fassbar schnelle Schnitte – das Gesamtgefühl ist zunächst das eines Drogenrausches in Höchstgeschwindigkeit, der einen im Sekundentakt mit neuen Eindrücken (über-) fordert. Wobei diese nur in den seltensten Fällen nach einem hohem Budget riechen. Sondern mehr nach einem mutigen Independentfilm, der das Maximum aus seinen Möglichkeiten macht. Dieses Wahnsinnstempo, dieser Tempowahnsinn wird allerdings nicht durchgängig durchgehalten, sondern beschreibt vor allem das erste Drittel des Films. Im Mittelteil wird das Geschehen langsamer, etwas ernsthafter und nachvollziehbarer, bevor dann im Finale wieder stärker aufs Gas gedrückt wird, allerdings nie so extrem wie zu Beginn. Insgesamt gewinnt man jedoch zweifelsfrei den Eindruck, die Filmemacher seien als Kinder in den Kessel mit dem ADHS-Trank gefallen. Diesen Sinnesrausch muss man sich geben wollen, man muss ihn genießen können. Ob ich mehr als einen solchen Film am Stück ertragen könnte … weiß ich nicht. Für sich allein betrachtet hat er mich aber komplett angefixt, wahnsinnig gut unterhalten und für den Moment glücklich gemacht. Darum von mir begeisterte 7,5 Punkte. Die, objektiv gesehen, vermutlich nicht ganz verdient sind. Aber darauf ein fröhliches Niesen. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 25.09.2024, 02:43 |
Sixtynine Monkeysvon Leimbacher-Mario | Permalink |
Niesen (!) für eine bessere Zukunft! Drei etwas nerdige Jungs im Jahr 1999 kommen mit einer leuchtenden Flüssigkeit in Kontakt, die sie bei jedem „Hatschi!“ zwanzig Jahre in die Zukunft springen lässt. Oder eher in ihre Körper im Jahr 2019. Und zwanzig Jahre können eine Menge verändern und lassen diesen comichaft-tollen Irrsinn erst so richtig aufdrehen zwischen Kung-Fu, Freundschaftsproben, Traumfrauen und Videospielen, Killerrobotern und bösen Grosskorporationen… Legendär sprunghaft „Escape from the 21st Century“ ist nicht für jedermann. Nicht wenigen wird er zu schnell und zu oberflächlich, zu hektisch und zu bunt, zu schnell und zu grell sein. Und dann zieht sich auch noch der Mittelteil ein gutes Stück und nimmt gehörig Tempo raus. Schnell weiß man nicht mehr, wer, warum, wohin, weswegen und wann gerade da eigentlich die Lutzi abgeht. Aber für meinen Geschmack und mein Filmempfinden, mein cineastisches und kindliches Herz, ist Regisseur Yang Li ein echtes, sympathisches und unendlich kreatives, extrem flottes und asiatisches, dennoch universelles Feuerwerk gelungen. Vor allem für eine Generation, die unsere Zukunft gerade echt in der Hand hat. Aber so tief und existenziell und philosophisch muss man diesen Sugarrush gar nicht deuten. Es ist, als ob Scott Pilgrim auf „Everything Everywhere All at Once“ trifft - und nur jugendlichen Unsinn im Kopf hat. Das ist atemlos, das ist oft sicher auch sinnlos, aber immer voll motiviert und einfallsreich. Kleine optische Spielereien, Stilwechsel, Actionballet, whacky Humor, Hommagen, Kitschpassagen, obligatorische Karaokemomente. Es hört nicht auf, es gibt keine Ruhe, es gönnt dem Zuschauer kaum Verschnaufpausen. Schnell Untertitellesen sollte man können. Außer im Mittelteil wie gesagt, wo kurz und auffällig vom Gas gegangen wird, sodass einem alles Vorangegangene und Kommende noch krasser erscheint. Aber wirklich über die komplette Laufzeit wäre das eventuell sogar auch mir zu viel gewesen. Dennoch: „Escape from the 21st Century“ ist ein Erlebnis und für die Generation „Spiderverse“ wie gemacht. Alles verschwimmt, alles beginnt, alles singt und weckt das Kind. Jünger von „Street Fighter II“!!! Fazit: Hyperaktiv, hyperkreativ, hypersympathisch - mit genug Energy(drinks), Motivation und Zucker im Körper eine echt wild-weirde Herzensangelegenheit! | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 25.09.2024, 12:42 |
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