Landlebenvon Fex | Permalink |
Ein Arthousefilm in schönem schwarz-weißen Cinemacope - das denkt man die ersten Minuten. Kurz darauf geht es aber schon in Eraserhead-Gefilde, zwar ohne die dortigen surrealen Elemente, aber in der Sache noch deutlich abgefahrener. Was hier an Geschichte mit einer Selbstverständlichkeit in recht ruhigen, aber keineswegs langweiligen Bildern erzählt wird, bekommt man nicht alle Tage geboten, schon gar nicht im heutigen allgegenwärtigen Kinoeinheitsbrei. Abartigkeit wird hier zur selbstverständlichen Realität, da verzeiht man auch kleinere Logikfehler. Die Geschichte ist richtig harter Tobak, der sich stetig steigert und in seiner Konsequenz und dann doch unkommerziellen Verpackung/Darbietung ziemlich einzigartig ist. Ein Film, der im Gedächtnis bleibt und von der Art her entfernt vielleicht am ehesten an Gaspar Noés "Seul contre tous" erinnert. | |
Fex sah diesen Film im Cinestar, Berlin | 21.08.2016, 02:12 |
Fado tristevon Lovecraft | Permalink |
Quasi Kindheit und Leben der Edwina Gein. "The Eyes of My Mother" ist ein böses, packendes Psychokammerspiel, weitestgehend auf nur zwei Schauplätze und eine Handvoll Darsteller reduziert und trotz seines ruhigen, unaufgeregten Tonfalls ein ziemliches Brett, was durch die madonnenhafte Anmut der Protagonistin und die grandiosen Schwarzweißbilder noch unterstrichen wird. Der bewusst künstlerische Anspruch des Filmes wird aus meiner Sicht auch durch die Optik des Vaters deutlich, dessen Aussehen offenbar ganz bewusst nach dem Gemälde „American Gothic“ von Grant Wood gestaltet wurde. Die emotionale Ambivalenz, die beim Zuschauer entsteht, kann ein wenig mit "Shrew’s Nest" aus dem Vorjahr verglichen werden. Sicher nicht für jeden geeignet, ist der Film für mich aber auf jeden Fall eine der positiven Überraschungen dieses Jahrgangs. | |
Lovecraft sah diesen Film im Cinestar, Berlin | 24.08.2016, 11:15 |
Ohne Wortevon lexx | Permalink |
Schwer in Worte zu fassen, was dieser Film einem zumutet. Verstörend, bedrückend, schmerzhaft - alles passt, alles stimmt. Das Ganze ist in ebenso bedrückenden wie eindrucksvollen Bildern festgehalten. Unklar ist mir nur, wieso man solche Filme eigentlich dreht und wieso man sich diese anschaut. Wer soll hier wozu aufgeklärt werden? Als abschreckendes Beispiel für die Abgründe des menschlichen Wesens, wenn die Umgebung es provoziert, aber äußerst intensiv in Szene gesetzt. | |
lexx sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt | 06.09.2016, 00:12 |
Wolf im Arthouse-Pelzvon Leimbacher-Mario | Permalink |
Entweder Arthouse oder Terrorkino. Entweder "Eraserhead" oder "Martyrs". Entweder "A Girl Walks Home Alone At Night" oder "Inside". Beides zusammen geht nicht. Denkste! Denn "The Eyes of My Mother" erzählt die Geschichte des Bösen höchstpersönlich - wie es in einer ungebremsten Alptraum-Spirale zur Normalität eines Mädchens & ihrer Umwelt wird. Bis zum unausweichlichen Knall am Ende. Viel zu spät für einige. Wahrscheinlich für alle. Was ist das nur für ein teuflisch böser Film? Und dabei noch unter solch einer hübschen Hülle getarnt? Wahnsinnig gemein. Im Genrebereich sind gefühlt gerade einige bitterböse, erbarmungslose Anti-Happy-End-Filme unterwegs. Doch "The Eyes of My Mother" toppt in seiner puren Art & Konsequenz fast alles. Ein Erlebnis der schwarzen Art. Ein Film, der mich wach hält & der die kommenden Nächte prägen wird. Und das während einem vollgestopften Festival. A wonderful nightmare. Irgendwo zwischen dem Verlust der Unschuld, einem surrealen Alptraum & einem Horrorkunstwerk, nistet sich dieses fiese Werk in unserem Unterbewusstsein ein. Nicht nur, weil es schön wie ein Gemälde aus der Hölle ist, nicht weil es einige physische & psychische Grausamkeiten bereithält. Sondern weil es zeigt, was passiert, wenn Mord, Tod, Einsamkeit & Dunkelheit zur Normalität werden. Was passiert, wenn sich unser Weltbild verschiebt. Was passiert, wenn Erziehung falsch läuft & das pure Böse, zumindest nach unserer Definition, Amok läuft in Gestalt eines Immerkindes. Und dieses sich darüber zu keinem Zeitpunkt bewusst ist, eiskalt & monströs handelt, jedoch nichts Schlimmes in seinen Taten erkennt. Ein verkanntes Monster. Mitleid macht sich breit. Vermischt sich mit Angst. Und ganz viel Respekt vor dem Macher dieses gegensätzlichen Anti-Fiebertraums. Vielleicht ein Horrorklassiker in the Making. Fazit: surrealer & extrem nachdrücklicher Schwarz-Weiß-Schocker - böse, böse, böse. Wenn das Böse Normalität wird. Und alptraumhaft hübsch isser. Arthouse trifft Terrorkino. Willkommen, ihr Alpträume! | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 06.09.2016, 03:17 |
Traumatisierendvon D.S. | Permalink |
Passiert nicht allzu oft, dass das fast ausverkaufte Festivalkino komplett so gebannt an der Leinwand hängt, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte – dass sogar die Splädda-Kiddies mucksmäuschenstill sind, obwohl uns doch oberflächlich nur stilisierter Arthouse-Scheiß gezeigt wird, langsam, ruhig, und das auch noch in Schwarz-Weiß. THE EYES OF MY MOTHER hat aber genau das geschafft und fast durchweg für extreme Begeisterung im Publikum gesorgt. Indem er seinen ästhetischen Anspruch mit grausamem Inhalt verbindet, ein regelrechtes Kunstwerk des Bösen vor unseren Augen malt. Irgendwo zwischen Bergman und Lynch bietet dieses Kunstwerk eine atemberaubende Bildkomposition, die mit scharfen Schatten, klaren Linien sowie oft monumentalen Groß- wie Weitwinkelaufnahmen arbeitet und uns darüber die scheinbar alltägliche Hülle eines einsam gelegenen Landhauses als Brutstätte des unschuldig Bösen präsentiert. Ein Böses, das vor allem durch die Beiläufigkeit des Tötens irritiert, durch die komplette Verdrehung von Moral durch einen Mangel an vorgelebten "richtigen" Maßstäben. Auch die Tongestaltung ist einzigartig effektiv, mit ihrer Verbindung aus düsterem Score, melancholischen Fado-Klängen und der oftmals kommentierenden Tonspur aus dem im Off laufenden TV-Gerät, das fast ununterbrochen Western- und Crime-Klassiker zeigt. Der gerade einmal 26 Jahre alte Regiedebütant Nicolas Pesce legt hier eine Kunstfertigkeit an den Tag, der man nicht allzu oft begegnet und die der nihilistisch gestimmten Handlung außergewöhnliche Intensität verleiht. THE EYES OF MY MOTHER ist ein großer Film, der hypnotische Sogkraft entwickelt. Eigentlich kaum zu bewerten; aufgrund leicht anders gelagerter persönlicher Präferenzen vergebe ich "nur" 7,5 Punkte, es handelt sich hierbei aber definitiv um Pflichtprogramm. | |
D.S. sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt | 06.09.2016, 04:47 |
Michael Hanekes The Womanvon Herr_Kees | Permalink |
Harter Stoff in kunstvollen Bildern: THE EYES OF MY MOTHER ist bis jetzt der heftigste Film des Festivals. Leise, aber bestimmt lässt er den Zuschauer die schlimmsten Geschehnisse fast beiläufig erleben und ist dabei stets unberechenbar – auch wenn die Handlung überschaubar bleibt, wird man immer wieder zum Mitdenken und Interpretieren herausgefordert. Die hervorragende Schwarz-Weiß-Fotografie ist übrigens kein reiner Kunstgriff: In Farbe hätte das viele Blut sicherlich einige Szenen weit weniger eindrücklich, vielleicht sogar trashig wirken lassen. Das abrupte Ende überrascht, ist jedoch nur konsequent – die Geschichte ist auserzählt, jede weitere Einstellung wäre Hollywood-Bullshit. Beeindruckend. | |
Herr_Kees sah diesen Film im Metropol, Stuttgart | 06.09.2016, 08:27 |
Krank.von Alexander | Permalink |
„The Eyes…“ ist einer der ganz wenigen Filme, bei denen mir wirklich übel wurde und mir die Lust auf meinen Knabberkram so richtig verging, und das will was heißen! Der Unwohlfühl-Film des diesjährigen Festivals, dabei verstörend und entsetzlich bis zum bitteren Ende. Durch die Reduktion auf s/w-Bilder wird der vollkommen kranke Inhalt umso mehr in das Wahrnehmungszentrum des strapazierten Betrachters gebrannt, und dies, ohne dabei Rücksicht auf Verluste oder die mentale Gesundheit des Zuschauers zu nehmen. „The Eyes..“ entwickelt dabei aufgrund der Selbstverständlichkeit, mit der hier alles passiert und eigentlich nichts wirklich erklärt wird, einen umso verstörenderen Sog, der in seinen stärksten Momenten anmutet, als hätte man es mit der Ingrid-Bergman-Verfilmung von Martyrs zu tun. Die Geschichte verzichtet stellenweise aber auf die explizite Darstellung des „Wie und Warum“ und überlässt es dem geforderten und vielleicht auch überforderten Zuschauer, sich diese fehlenden Puzzleteile in seinem eigenen Geiste je nach Belieben zu ergänzen, wodurch das individuelle Seh-Erlebnis dieses kaputten Meisterstücks noch ausgeprägter sein dürfte. Ein Film, der richtig weh tut und für reichlich Gesprächsstoff sorgen wird. | |
Alexander sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt | 06.09.2016, 10:42 |
Na javon misspider | Permalink |
Was hatte ich für hohe Erwartungen an den Film! Leider wohl zu hohe, denn am Ende verließ ich relativ enttäuscht den Kinosaal. Ich fand den Film weder überraschend noch sonderlich schockierend - eigentlich habe ich die ganze Zeit weiter darauf gewartet, dass es nun endlich mal losgeht. Der Anfang war zwar interessant und neu, aber schnell plätscherte die Handlung nur noch vor sich hin. Nachdem einmal klar war warum und wie das Mädchen handelt, hat sich das Ganze einfach wiederholt. Die Hauptdarstellerin hatte für mich soviel Ausstrahlung wie ein trockenes Stück Brot, was vielleicht beabsichtigt war, die einschläfernde Wirkung des Films aber leider nur gesteigert hat. Vielleicht hätte mir die Tatsache, dass es sich um einen Schwarz-Weiß-Film handelt der jünger ist als 50 Jahre, eine Warnung sein sollen. Am besten gefallen und daher in Erinnerung geblieben ist mir immerhin eine sehr stimmungsvolle und zum Thema passende Szene, in der das Mädchen zwischen den riesigen Bäumen eines Waldes winzig klein und verloren auftaucht. Immerhin. | |
misspider sah diesen Film im Metropol, Stuttgart | 07.09.2016, 14:44 |
Verstörend schönvon ArthurA | Permalink |
Die Anleihen des Films bewegen sich von Almodóvar, Miike und Lynch bis Polanski und Bergman, verschmelzen jedoch dank der fokussierten Vision des Regisseurs Nicolas Pesce gelungen zu etwas Eigenständigem. Und trotz aller Grausamkeit und Szenen, die bestimmt so einige weniger hartgesottene Zuschauer den Blick abwenden lassen werden, besticht der Film auch durch seine Schönheit und gotische Eleganz. Das Herzstück bildet dabei Kika Magalhes’ furchtlose Performance als Francisca, die sich nach Zuneigung und Zweisamkeit sehnt. Schade, dass der Film nur so kurz läuft und wir nicht mehr Zeit mit dieser faszinierenden und zugleich abstoßenden Figur verbringen dürfen. The Eyes of My Mother ist eine sehr makabre Fabel und wird definitiv nicht jedermanns Geschmack treffen. Genau genommen, wird der Streifen es besonders schwierig haben, sein Publikum zu finden, weil allein schon die Schwarzweiß-Optik viele Genrefans abschrecken wird, während er für die Arthouse-Zuschauer vermutlich eine Spur zu brutal und verstörend sein wird. Wer sich jedoch auf diesen Film einlässt, wird mit einer kleinen, mutigen Perle belohnt. | |
ArthurA sah diesen Film im Residenz, Köln - Original-Review | 09.09.2016, 03:07 |
Des Städters Angst vor dem Landvon landscape | Permalink |
Ein einsamer Hof, eine leicht abgerockte Scheune, Land, Weiden: Das scheint für einen New Yorker Regisseur der pure Horror zu sein, und so kommen wir zu einem der schönsten Filme dieses Jahres! Sehr gute Kamera, tolle Bildkompositionen (z.B. das Baden des Vaters), feine Zwischentitel (weniger Tarantino, eher Haneke), sehr sehr wenig Musik - also ein ruhiger, langsam erzählter Bastard, der stetig beunruhigend bleibt. Anders als bei Audition weiß man hier sehr bald, wie der Hase läuft. Wegen der leicht autistischen Art der Frau erinnert er mich trotzdem an Miikes Film... Gerade die adulte Francisca (Kika Magalhaes) spielt wunderbar unentwickelt, nicht fertig sozialisiert, so wie es für eine früh Verwaiste, isoliert Aufgewachsene sein muss. Sie weiß, sich und ihre Umgebung sauber zu halten, sich zu versorgen, sogar Auto zu fahren - aber Gäste fühlen sich sehr bald unwohl... | |
landscape sah diesen Film im Savoy, Hamburg | 18.09.2016, 02:11 |
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