crazy

Freaks Out

Get ur Freak on

von Herr_Kees
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Eine Truppe Superbegabter in einer Freakshow im besetzten Rom der Nazizeit – das wäre vor Jahren noch ein typisches Projekt für Guillermo del Toro gewesen. Doch del Toro hat sich an Faschismus, Superhelden und Freaks bereits abgearbeitet. Nun hat
Regisseur Gabriele Mainetti (JEEG ROBOT) das Unwahrscheinliche geschafft und das Thema in einem aufwändigen europäisch koproduzierten Fantasyfilm umgesetzt.

FREAKS OUT ist ein abwechslungs- und kurzweiliges, wenn auch leicht chaotisches Abenteuer geworden, das man so nicht alle Tage sieht und schon gar nicht auf der großen Leinwand:

Unsere X-MEN artigen Helden sind zwar mit besonderen Begabungen ausgestattet, doch diese erweisen sich nur selten als wirklich nützlich. So fällt der kleinwüchsige Mario beispielsweise weniger durch seinen Magnetismus auf, sondern vielmehr dadurch, dass er in jeder freien Minute masturbiert. Die Kampf- und Kriegszenen sind reichlich brutal, dies ist definitiv kein Kinderfilm. Und so etwas wie die Nazishow im „Zirkus Berlin“ mit ihrem Reichsadlerklavier und dem Hakenkreuzkonfetti hat man seit THE PRODUCERS und „Springtime for Hitler“ nicht mehr gesehen.

Angenehm auch, dass die Nazis hier durchweg von Deutschen gespielt werden und einem so peinliches Pseudodeutsch erspart bleibt. Franz Rogowskis Obernazi ist auch ausnahmsweise keine typische Klischeefigur, eine Karikatur bleibt sie dennoch und trägt mit zur etwas gewöhnungsbedürftigen Tonalität des Films bei: Auf der einen Seite Nazifantastik, auf der anderen Seite Superheldendrama und dazwischen die reale Deportation der italienischen Juden.

Dies sind auch die Szenen, die am längsten nachwirken. Etwa, wenn eine Frau erklärt, ein Kind wäre ihres und seine Mutter nur die Nanny – um wenigstens das Kleine vor dem KZ zu retten. Oder wenn der Zug mit den Jüdinnen und Juden abfährt, die Kamera langsam zurückgleitet – und wir die Mengen an Koffern sehen, die am Bahnsteig zurückbleiben.
Herr_Kees
sah diesen Film im EM, Stuttgart

17.09.2022, 23:21


Zirkus Halligalli

von Leimbacher-Mario
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Schon mit seinem bizarren „They Call Me Jeeg Robot“ konnte Regisseur Gabriele Mainetti weit über die italienischen wie genretechnischen Grenzen seine ganz eigenen Duftmarken setzen. Nun geht er in „Freaks Out“ noch drei Schritte weiter und schafft ein abstraktes Epos zwischen Guillermo Del Toro und Alex de la Iglesia, zwischen Zirkus und Weltkrieg, zwischen Besatzung und Befriedigung, zwischen Unterhaltung und Anspruch, zwischen Bahnhofskino und Kunstkino, zwischen Trash und Tohuwabohu, zwischen Mainstream und Abseitigem - ein wahres Feuerwerk der Genregefühle! Und (da lehne ich mich jetzt schon aus dem Fenster) der völlig verdiente Gewinner des diesjährigen Fresh Blood-Preises auf dem Fantasy Filmfest! (Womit er dann meines Wissens nach der erste Filmemacher ist, der diesen Preis mit seinen ersten beiden Regiearbeiten gewinnen konnte!)

X-Men: Freaks Class vs. bemitleidenswerte Nazischurken

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll über „Freaks Out“ zu schwärmen. Ohne Frage jetzt schon einer meiner absoluten Lieblingsfilme des Jahres. Diese italienischen „Fantastic 4“ müssen sich hinter keiner Hollywoodkonkurrenz verstecken. Ganz im Gegenteil: wenn die kommenden Fanta Vier des MCU auch nur ansatzweise auf dieses Level und so nah an mein Herz kommen wie diese heldenhaften Italofreaks, kann sich Disney glücklich schätzen. „Freaks Out“ ist pure Movie Magic. Mit einem der ausgiebigsten und unterhaltsamsten Bösewichter seit Jahren. Rogowski rockt erwartungsgemäß! Man liebt absolut alle eigenwilligen Figuren sofort. Nicht selten wurde ich auch an die legendäre Liga der außergewöhnlichen Gentlemen erinnert - die Comicversion von Alan Moore versteht sich. Die Effekte können sich meist sehen lassen, die finale Schlacht sprengt alle europäischen Genregrenzen, das Tempo bleibt hoch und ist nie eine Minute zu lang. Der sechsfingrige Bösewicht ist wie gesagt sehr ambivalent und interessant, samt seiner Fähigkeit in die Zukunft zu sehen und dann etwa PlayStation-Controller zu malen. Genial! „Freaks Out“ ist äußerst hart und noch herzlicher. Splatter, Spannung und Spaß geben sich gekonnt die Klinke in die Hand. Falsche Töne werden trotz des prekären Themas nie getroffen. Die sonst oft abgenutzte Epoche wirkt hier frisch und fast magisch, mystisch, dennoch menschlicher denn je. Der Score ist heroisch und episch. Die Chemie untereinander stimmt. Die Nebenfiguren bleiben im Gedächtnis, bekommen alle ihre Minuten und Momente. Ihr merkt es: Ich bin restlos begeistert und spätestens jetzt muss man Mainetti im Auge behalten!

Fazit: Traum- und rauschhaftes Genrekino, das Grenzen sprengt und eindringlich beweist, dass der europäische Film in Ausnahmefällen selbst Hollywood die emotionalen wie abwechslungsreichen Grenzen aufzeigen kann. Superheldenkino mal ganz anders. Einer der Geheimtipps des Jahres, der diesjährige Liebling auf dem Fantasy Filmfest, ein Fest für den Freund von Außenseiterfilmen. Ein Werk für die Ewigkeit. Eine famose Vorstellung für die Geschichtsbücher. Bravo!
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

18.09.2022, 02:34


Mad Circus

von D.S.
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Eine Ballade von ein wenig Liebe, viel Freundschaft und noch mehr Tod: Mit FREAKS OUT ist JEEG ROBOT-Regisseur Gabriele Mainetti eine einzigartige Kreuzung aus Álex da la Iglesia, Guillermo del Toro und den X-MEN gelungen – und damit das Kunststück, ein durch und durch europäisches Stück echten Fantasy-Kinos zu erschaffen, das die große Leinwand vollumfänglich verdient hat. Neben der so überdreht farbenfrohen wie actionreichen Handlung und der emotionalen Vielschichtigkeit der Erzählung überraschen dabei insbesondere das hochwertige Production Design und die aufwendigen Effekte: Vom eher trist-grau-günstigen Vorgängerfilm des Regisseurs bis hierher ist ein wirklich weiter Weg zurückgelegt worden.

Angesiedelt ist die Story im vom Deutschen Reich besetzten Italien im späten 1943; im Mittelpunkt stehen vier „Freaks“ aus einem kleinen Wanderzirkus, der zu Beginn des Films im alliierten Bombardement der Zerstörung anheimfällt. Während der Zirkusdirektor Israel in die Fänge der Faschisten gerät und ins KZ deportiert werden soll, macht sich ein Quartett seiner wundersam mutierten Künstler:innen auf die verzweifelte Suche nach ihm – und/oder nach Möglichkeiten des Überlebens in einer von „Herrenmenschen“ bestimmten Kriegsgesellschaft. Wolfmann Fluvio (Claudio Santamaria, der Hauptdarsteller aus JEEG ROBOT), Insektenbeherrscher Cencio und Magnetzwerg Mario suchen ihr Heil im Nazi-Etablissement „Zirkus Berlin“ unter der Leitung des psychopathischen, mit sechsfingrigen Händen fantastische Klavierkonzerte gebenden SS-Mannes Franz (Franz Rogowski), während die elektrisch aufgeladene Matilde an der Seite antifaschistischer Partisanen gegen Besatzer und Schwarzhemden kämpft. Die Aufspaltung unserer Held:innen ist jedoch nicht von langer Dauer: Franz erhascht in einer seiner durch Ätherkonsum herbeigeführten Zukunftsvisionen einen Blick auf die sagenhaften Fähigkeiten der Mutanten und will sie nutzen, um sich in der NSDAP und speziell beim „Führer“ wieder ein besseres Standing zu verschaffen, ist er doch als selbst „Abnormaler“ beim Etablissement ein wenig in Ungnade gefallen. Alsbald finden sich die vier gemeinsam in Gefangenschaft – doch dort wollen sie nicht verbleiben …

FREAKS OUT präsentiert sich als ziemlich einzigartige Mischung aus Kriegsfilm mit realistischen historischen Handlungsaspekten (wie etwa der Judendeportation), Superhelden-/Mutanten-Action und Außenseiterdrama, das mit überbordender Fantasie, tollen Darsteller:innenleistungen und mitunter atemberaubenden visuellen Effekten echte Kino-Magie entwickelt. Zwar weckt die offensiv betriebene Popartisierung von NS-Ikonographie zwiespältige Gefühle und es lässt sich auch ein gewisses trashiges, comicartiges Flair nicht leugnen, das angesichts des bitteren realen Rahmens der Erzählung nicht immer angemessen wirkt. Auf filmischer Ebene macht Mainetti hingegen so viel richtig, lässt sich viel Zeit für eine einfühlsame Geschichte und gibt Raum für Charaktere, die weder gewöhnlich noch eindimensional „bizarr“ erscheinen, dass man als Liebhaber von epischem Erzählkino mit Spektakelfaktor und spürbarem Herz kaum anders kann, als hingerissen zu sein.

Ein Film mit einer wirklichen und originellen Vision – eigenständig, fesselnd, begeisternd. In der obersten Liga des aktuellen internationalen Fantasy-Kinos, und sowieso des FFFs 2022. 8 Punkte.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

24.09.2022, 04:42




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