Frontiers

Jägerin sucht Frau

von Leimbacher-Mario
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In diesem kanadischen Schwesternzirkus (den man bitte nicht mit der fast gleich betitelten, ultraharten Backwoodschlachtplatte von 2007 verwechselt!) und „Spannungsdrama“ (so würde ich es mal dezent nennen) kommen mehrere Generationen und Frauen einer Familie zusammen, um an der kanadischen Grenze bei Quebec mysteriösen Gefühlen, Traumata und womöglich sogar Spukerscheinungen Paroli zu bieten… Oder sind es am Ende doch „nur“ amerikanische Gefängnisausbrecher, von denen man im Radio hört?

Kalte Liebe im Kuhstall

„Frontieres“ (2023) hat nicht allzu viel Genre- oder Thrilleranspruch, kann aber mit einer eiskalten Atmosphäre, landwirtschaftlichem Leiden und innerlich brodelnder Frauenpower punkten. Zumindest wenn man weiß, was einen erwartet und man keinen „Poltergeist“ zwischen Mähdreschern und dem Ausweiden von Tierkadavern erwartet. Obwohl es durchaus „spooky“ Anflüge gibt, die durch den allgemein hohen Realismus hier stärker als meist nachwehen. Doch im Kern ist es ein trockenes Charakterstück, ländlich-lasches Psychogramm und fades Familiendrama mit vielen unterschwelligen Konflikten, Problemen, Paranoia und unausgesprochenem Groll. Familie, wie immer Fluch und Segen zugleich. Dorfleben hurra, na ja. Intensiv und echt gespielt. Durchaus neugierig machend auf die (alles andere als anfangs klare) Auflösung. Im Endeffekt bleibt aber alles im grauen Matsch der frankokanadischen Bauernhöfe und Feldwege stecken. Zu träge, zu zaghaft, zu bieder. Das hat dann was von der 22-Uhr-Vorstellung im ZDF. Mit kanadisch-französischem Flair. Aber immer noch immens altbacken und unfrisch. Nicht mit allzu viel Fantasy Filmfest-Berechtigung, geschweige denn -Fun. Ein „Qualitätsfilm“, der sich ein gutes Stück zu trist gibt und ernst nimmt. Es fehlt an Schwung und Farbe. Auch roter. Vieles bleibt unausgesprochen, vieles ist spürbar unterm Teppich, bleibt dort auch noch viel zu lang. Fast eher in der Tradition von flandrischem Kino à la „Bullhead“, „The Ardennes“ oder „The Broken Circle“. Nur in schwächer und egaler. Realistisch, schmerzhaft, traumatisch. Mäanderndes Matriarchat. Wütend und doch viel zu beherrscht. Ich hätte viel lieber mehr weibliche Ausbrüche aus der Norm und dem gesellschaftlichen Benimm gesehen. So bleibt alles nur angedeutet und versprochen, nie eingelöst und umgesetzt. Den natürlichen Umgang mit dem weiblichen Körper und das intensive Spiel der Frauen muss man aber zugutehalten. Dennoch eine Enttäuschung und schneller vergessen als einem lieb ist.

Was uns am Leben hält

Fazit: Kanadisch-feminines Drama auf öffentlich-rechtlichem Spannungsniveau und kaum mal mit Tempo oder Eskalation. Sehr seriös, sehr gemächlich, wodurch manch ein Spuk und Schock, wenn er dann mal (viel zu spät und spärlich) kommt, natürlich an Durchschlagskraft gewinnt. Insgesamt für mich aber ähnlich spannend wie ein Tag bei der Kartoffelernte. Stirbt an Ahornblattaltersschwäche.
Leimbacher-Mario

21.08.2023, 18:49


Unlustiges Landleben

von D.S.
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Was hatte ich mir nicht für schöne Überschriften für dieses Review überlegt, als dem Publikum in den ersten Minuten des Films idyllische Agrarmomente noch und nöcher präsentiert wurden: „Unsere kleine Blutfarm“ etwa, oder auch „Ferien auf dem Gorebauernhof“. Jedoch gibt es im weiteren Verlauf dieses frankokanadischen Indiewerks Gewalt und rote Flüssigkeit nur in homöopathischen Dosen zu bewundern: vielmehr entpuppt sich FRONTIERS als fast lupenreines Familiendrama mit gerade einmal minimalen Anteilen genrenaher Elemente, die sich um die Frage übernatürlicher Präsenz drehen.

Das muss ja nichts Schlechtes sein, sorgt jedoch insbesondere dann für nur wenig Spannung, wenn weite Strecken der Handlung daraus bestehen, dass auf dem platten Land hin und her gefahren wird, Kühe muhen und bis zum Horizont reichende Äcker zelebriert werden. Gut, dazwischen wird auch mal auf die Jagd gegangen, totes Rotwild aufs Widerlichste zerlegt, einer Kuh eine Hand in den Hintern gesteckt, ein Typ beim Fremdgehen erwischt oder ein romantisches Date im Café einer Eissporthalle abgehalten. Sprich: Mehr dröge „Normalität“ gab es selten in einem FFF-Beitrag zu erleben – und das, obgleich unsere Hauptfigur Diane, eine von drei taffen Schwestern mittleren Lebensalters, viel von einer angeblichen Nicht-Normalität berichtet, die sie auf dem alten Familienbauernhof umgibt. Von der wir als Zuschauer allerdings wenig zu sehen bekommen. Stattdessen sind sich die anderen beiden Schwestern und die hinzu geholte Mutter einig, dass es Diane selbst ist, die nicht ganz normal ist. Wobei ihr Auftreten wiederum über die ersten zwei Drittel des Films keinesfalls so angelegt ist, dass wir vor der Leinwand dieser Einschätzung unbedingt folgen würden.

Okay, irgendwann geschieht dann schließlich doch noch ein bisschen was, das die Auswahl des Films für ein Genrefestival zumindest ansatzweise nachvollziehbar macht – so sehr, wie sich die vorherigen Nicht-Ereignisse allerdings ziehen und strecken, muss man aufpassen, dass man bis dahin nicht eingeschlafen ist. Die TV-Optik und das mitunter steife Spiel der Darstellerinnen hilft nicht.

Zugegeben, ein paar Dialoge oder auch Verhaltensweisen einzelner Figuren sorgen zwischendurch für kleine Lacher. Rote Heringe und Twist-ähnliches wird auch recht geschickt eingebaut. Und wer ein ganz großes, offenes Herz sowie viel Toleranz gegenüber dem nicht vorhandenen Tempo des Films hat, mag vielleicht mit Diane und den anderen Damen, die es gewiss nicht leicht haben, mitfühlen und FRONTIERS als sympathisch unprätentiöses Provinzdrama schätzen. Mir persönlich passiert hier nur leider viel zu wenig Interessantes, als dass ich die Sichtung empfehlen könnte – ganz besonders dann nicht, wenn die Vorführung, wie in Frankfurt, im letzten Slot eines langen Tages stattfindet. 3,5 Punkte.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

12.09.2023, 01:13


Review

von traab
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"Frontières" aus dem Jahr 2023, international als "Frontiers" veröffentlicht, ist ein subtiler Mystery-Thriller, der sich mit familiären Bindungen und der Verarbeitung von Verlust auseinandersetzt.

"Diane lebt auf einer Farm in Québec mit ihrer Tochter Sarah, seit ein tragischer Unfall ihren Vater tötete. Sie leidet unter Panikattacken und sichert das Haus mit Vorhängeschlössern, aber die Türen öffnen sich mysteriöserweise immer wieder. Sie vermutet, dass ein Geist sie verfolgt, während andere die flüchtigen Gefängnisausbrecher aus den USA für die Vorfälle verantwortlich machen."

Dieser franco-knadische Mystery-Thriller lässt sich eine Menge Zeit, um vor allem durch seine Charaktere zu glänzen.

So bekommt man hier ein Drama über mehrere Familiengenerationen geboten, mit dem Fokus auf Diane, die besonders unter dem Tod ihres Vaters leidet und eine regelrechte Paranoia entwickelt, die möglicherweise gar nicht mal so unbegründet ist, wie ich anfänglich vermutet hatte.

"Frontières" zeigt in einem stimmungsvoll und atmosphärisch ländlichen Setting, wie unterschiedlich man den Verlust eines geliebten Menschen verarbeitet und wie irrational Menschen unter dieser Belastung reagieren, aber auch wie wichtig Nähe, Zuneigung und Zusammenhalt für uns sind.

Die große Auflösung kommt erst in den letzten 5 Minuten und hat zumindest bei mir geschafft, dass ich emotional nochmals anders involviert wurde und den Film rückblickend anders betrachtet habe.

"Frontières" ist somit eher ein leiser und ruhiger Vertreter, der mich aber irgendwie auf dem richtigen Fuß erwischen konnte.
traab
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt - Original-Review

14.09.2023, 17:09


Der Geist der Melancholie

von Herr_Kees
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„The house is haunted by the echo of your last goodbye“ – Soft Cell

Seit dem Unfalltod ihres Vaters leben die drei Schwestern Messier alleine auf ihrem Hof im französischen Teil Kanadas. Diane, die Älteste, scheint am schwersten getroffen zu sein, lässt niemanden mehr an sich heran und hat seltsame Erscheinungen.

Auch im Ort geht es nicht mit rechten Dingen zu: Kühe werden von Unbekannten fachgerecht zerlegt, Wilderer und ein eifersüchtiger Ehemann machen die Gegend unsicher und über die Grenze sind zwei amerikanische Häftlinge entflohen…

Man darf dieses franko-kanadische Familienmelodram nicht an gewöhnlichen Genremaßstäben messen. Der Film ist durchzogen von einer Atmosphäre des Abschieds, der Trauer und Melancholie. Sobald das wahre Ausmaß der Tragödie zutage tritt, wandelt sich Befremden in Mitgefühl, sodass selbst der eigentlich etwas kitschige Schlussmoment etwas Tröstliches hat.
Herr_Kees
sah diesen Film im EM, Stuttgart

26.09.2023, 00:47




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