Mixed Bagvon D.S. | Permalink |
Nach vielen Jahren, in denen ich von der Kurzfilmrolle durchgängig sehr angetan war, bin ich diesmal ein wenig enttäuscht. Dabei geht’s mir nicht um die Aktualität oder Verbreitung der enthaltenen Beiträge: Ich kannte – anders als in der Vergangenheit – vorab keinen einzigen der Filme. Nein, vielmehr haben mich in diesem Jahrgang erstaunlich viele Beiträge einfach kalt gelassen. Die große „Was will uns der Autor damit sagen?“-Frage war für mich bei der Hälfte von ihnen überaus präsent, andere haben in mir schlicht zu wenig ausgelöst. Ein paar Gewinner sind natürlich trotzdem dabei, insgesamt gibt’s von mir 2024 aber nur 6 von 10 Punkten. In der Reihenfolge des Frankfurter Screenings, soweit ich mich richtig erinnere: 1. COLÉOPTÈRE Filmisch absolut beeindruckend umgesetzte, sehr freie Interpretation von Kafkas „Die Verwandlung“. So recht sehe ich den Bezug der Handlung des Kurzfilms zu ihrer Vorlage ehrlich gesagt nicht, so inhaltlich notwendig fand ich die Umsetzung ihres titelgebenden Aspekts dann auch nicht wirklich. Davon unabhängig bekommen wir hier ein großartig gefilmtes und emotional sehr involvierendes Drama über Zivilcourage, menschliche Nähe und Entfremdung geboten. 8/10. 2. MOTHERS AND MONSTERS Ein schön absurdes Setting und ein paar lustvoll als widerlich inszenierte Protagonistinnen. Die Aussage des Films will sich mir jedoch nicht so recht erschließen, die Laufzeit ist deutlich zu hoch, Babies sind (zumindest als zentraler Filmbestandteil) einfach unglaublich anstrengend. Feine Schlussszene zwar, mehr als 5 Punkte von mir trotzdem nicht. 3. DREAM CREEP Einer der wenigen wirklich blutigen Beiträge dieses Jahrgangs. Gleichzeitig einer der lustigsten, wenn man ein Herz für schwarzen Humor hat. Macht eigentlich alles richtig, fühlt sich aber nach ein bisschen „zu wenig“ an. Kann ich mir gut als Eröffnungssequenz eines Langfilms vorstellen, der die bösartige und originelle Idee dann weiter ausbaut. 7/10. 4. SUCK Etwas Böses ist im See. Und es macht … Durst?! Viel zu lang geraten, keine Erklärung anbietend, im Finale viel zu unspektakulär. Nach den ersten fünf Minuten mehr anstrengend als unterhaltsam, der charismatischen Hauptdarstellerin zum Trotz. 5/10. 5. MIDNIGHT FRIGHTS Diese „True Crime“-Persiflage hätte ich gerne gemocht. Sie ist knackig kurz gehalten, sie ist witzig, die Darsteller sind gut gecastet. Auf ihrer Stirn steht aber viel zu deutlich „kultig“ geschrieben. Die bemühte Schrägheit des Konzepts überlagert bald schon den Spaßfaktor. Und die erzählte Geschichte hätte ruhig auch etwas schräger bzw. seltsamer ausfallen dürfen. 6/10. 6. REAL Aus typischer TikTok-Selfie-Perspektive gefilmtes Kurzstück über ein modernes Mobiltelefon, das aus ungeklärten Gründen in die Hände von zwei Frauen ein paar Jahrhunderte vor unserer Zeit fällt. Wie man sieht, galt auch damals schon: „Smart Phones, dumb People“. Witzig, aber nicht gerade gehaltvoll. 6/10. 7. ROTATION Ein koreanischer Beitrag, interessanterweise verantwortet vom britischen Regisseur Abner Pastoll (A GOOD WOMAN IS HARD TO FIND). Es offenbart sich hier eine äußerst obskure Zeitschleife sowie ein schwer aufzulösendes Doppelgängerproblem – oder liegt am Ende alles nur am Pfefferminztee? Interessantes Set-up und ein Sujet, das ich grundsätzlich sehr schätzen würde. Fühlt sich hier allerdings alles doch sehr unfertig, plötzlich abgeschnitten an. Mehr ein Proof of Concept als ein in sich abgeschlossener Kurzfilm. 6,5/10. 8. ONE HAPPY CUSTOMER Eine ausnehmend häßliche alte Bordsteinschwalbe lockt notgeile Männer und Frauen jeder Couleur in ihr Etablissement, um ihnen dort zwar einen gewissen Höhepunkt zu verschaffen – aber nicht den, den sie sich wohl erhofft hatten. Bis sie irgendwann auf einen ganz besonderen Kunden trifft… Extrem liebevoll gestaltet und animiert, was über die nur mäßig „befriedigende“ Story hinweghilft. Knappe 7/10. 9. WHODUNIT? Aus meiner Sicht die komplette Gurke dieses Jahrgangs. Sechs ausnahmslos unschön anzuschauende indische Aushilfsschauspieler möchten offenbar eine Rolle in einem Film ergattern und erstellen dafür Bewerbungsvideos. Vielleicht bringen sie aber auch jemanden um oder kochen einen Fisch. Bleibt unklar, ist aber auch völlig egal. Denn das Gezeigte bleibt von vorne bis hinten uninteressant. 3/10. 10. MEAT PUPPET Und im Anschluss, zum Abschluss, das Highlight: Die MUPPET SHOW in satanistisch! Irgendwo zwischen HAPPY! und MEET THE FEEBLES, mit der hinterhältigsten Handpuppe und dem verpeiltesten menschlichen Handpuppenhalter aller Zeiten. Großer, böser, echt britischer Spaß. 8/10. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 23.09.2024, 03:50 |
Böse Naschereienvon Leimbacher-Mario | Permalink |
Das diesjährige Kurzfilmprogramm des Fantasy Filmfests. Mal wieder 106 Minuten gemischte Genretüte von lustig bis heftig, genug tolles dabei. Einer der besseren Jahrgänge meiner Meinung nach aus den letzten Durchläufen. Vielleicht hätte man mit einem weiteren Knaller sogar gerne die 120 Minuten voll machen können… DREAM CREEP 8,5/10 Ein Paar schläft ruhig im Bett - bis der Herr auf einmal eine Stimme aus dem Ohr seiner Freundin hört… Genau so geht Kurzfilm! Klasse Idee, relativ einfach umzusetzen, brutal, intim, kreativ, dunkellustig, gruselig. Alles drin, alles dran. Erinnert an die Art eines Intros/Filmbeginns eines guten Films aus den 80ern wie etwa „Re-Animator“ oder „Innerscape“. Manchmal merkt man den unerfahreneren Schauspielern etwas die Steifheit in den Dialogen an. Dafür sehr hübsche Credits. MOTHERS & MONSTERS 7,5/10 Einige Frauen sitzen hübsch gemacht, sprachlos aber zufrieden an einem edlen Essenstisch - wie könnten sie auch anders als gut gelaunt sein, denn sie kriegen Babies frisch in Salatblättern gehüllt serviert… Gibt’s schon länger online in einer Mediathek. Dennoch sehenswert, stylisch und mit einem mütterlichen/weiblichen Thema voller Neid, Angst, Gruppenzwang und Glück, das mich schon immer fasziniert hat. Sehr andersartig und ungemütlich, creepy und eklig auch, wenn’s dann Untergrund geht. Toll gespielt nur mit Mimik und Körpersprache von den Ladies. Nicht ohne dunklen Humor. Visuell hochwertig und düster. SUCK 7/10 Ein Wochenende einer Clique am Baggerloch entwickelt sich durstiger als erwartet… Erinnert an Lovecraft, Ito oder „The Raft“ aus „Creepshow 2“. Die „Saugaktionen“ und Saugenden hätte etwas näher beleuchtet und auch gezeigt werden können. Dennoch unangenehm, mit perfektem letzten Shot. REAL 6/10 Zwei Französinnen finden in ihrem vergangenen Jahrhundert ein verlockendes Handy… Super simple Idee, die beiden spielen das aber gut, der kürzeste Beitrag. Aber selbst für die Laufzeit etwas wenig Ideen und visuelle Kniffe. Dennoch auf den Punkt. Arg vorhersehbar natürlich. Und durch den Handylook jetzt kein direkter Hingucker. ROTATION 3/10 Eine Zeitschleife entwickelt sich unerwartet … langweilig. Eine weitere Zeitreise auf dem diesjährigen FFF, die viel zu wenig Ideen und Antworten bereithält. Faul. MIDNIGHT FRIGHTS 8/10 „Twilight Zone“ in lustig? Eine toll moderierte Horrorshow mit Augenzwinkern und einem mörderischen Groupie… Wunderbar nerdig, spleenig, französisch und fix. Ein Genuss für Fans von „X-Factor“ bis zum o. g. Seriengiganten mit Serling. Würde ich gerne weitere kurzweilige Folgen von sehen. WHODUNIT? 5,5/10 Eine indische Clique folgt einer ungewöhnlichen Kochanleitung… Nette Idee und atmosphärisch-augenzwinkernde Augenblicke. Für mich dann aber doch eher ein halbgares Gimmick und nicht so witzig, wie er meint zu sein. Das indische Flair ist natürlich zumindest exotisch und frischer. COLEOPTERE 5,5/10 Kafka küsst Bodyhorror in einer visuell extrem hochwertigen Geschichte über Verwandlung, Beherrschung und die häusliche/elterliche Macht… Der audiovisuell wahrscheinlich hochwertigste und philosophisch ergiebigste Kurzfilm. Toll gespielt auch noch. Bodyhorror, Monster, Helikoptermama. Und doch hat mich das geschichtlich kaum gekriegt… ONE HAPPY CUSTOMER 7,5/10 Der Alltag einer legendären Bordsteinschwalbe - mit einem nicht minder legendären Kunden… Das schönste Setting bzw. der feinste Hintergrundaufbau der Shorties. Endlich was durchgängig zum Schmunzeln. Kein Horror oder Genre inhaltlich, dennoch einfach süß, flott und frech. MEAT PUPPET 9/10 Eine mysteriöse Handpuppe wird einem nerdigen Jungen geschickt - die seine Weltanschauung und Werte im Handumdrehen hopsnimmt… Mit dem wunderbaren David Jonsson z. B. aus dem letzten „Alien“ oder dem RomCom-Brit-Tipp „Rye Lane“. Sowas von ein künftiger Megastar! Aber auch der Rest ist einfach ideal: die Puppe, der Humor, die Beziehung, die Figurenzeichnung und -entwicklung, das Ende, der Gore. Ein Crowpleaser und perfekter Abschluss der Kurzfilmreihe. Und meine Stimmabgabe. Fazit: Eines der feineren und vorzeigbareren Kurzfilm-Potpourris der letzten FFF-Jahre - kurzweilig, knackig, abwechslungsreich! | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 23.09.2024, 11:52 |
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