crazy

A Girl with Closed Eyes

Rache ist ein Gericht, das scheinbar nicht kalt wird

von Leimbacher-Mario
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„A Girl with Closed Eyes“ ist nicht allzu weit weg von amerikanischen Thrillern der 90er (oder auch später sowas wie „Gone Girl“), hat aber genauso Ansätze gemeinerer koreanischer Krimis - nur um dann teils wieder fast in harmlose „Tatort“-Gefilde abzutauchen. Ein tonal und qualitativ für mich wilder Ritt, der mich trotz vieler Twists und Turns leider nie genug „beißt“, überrascht und fesselt, um auf dem hohen Thrillerniveau seines Landes mitzuspielen… Erzählt wird von einer jungen Polizistin, die in einem zuerst recht klar erscheinenden Mordfall an einem Bestsellerautor ermittelt. Doch die scheinbare Killerin mit Engelsgesicht kennt die Ermittlerin aus ihrer Kindheit gut und langsam aber sicher schält sich ein Geflecht aus Rache, Trauma und (einstiger) Freundschaft heraus…

Nimm du ihn, ich hab ihn sicher!

Südkorea kann Thriller wie kaum ein zweites Land in den letzten zwei Jahrzehnten. Von Gamechangern wie „Oldboy“ über Oscargewinner wie „Parasite“ bis zu abgründigen Schockern à la „I Saw The Devil“ hat der weltweite Thrillerfan immer Bock auf eine twisty Mordgeschichte mit dieser Herkunft. Dass „A Girl with Closed Eyes“ ein wenig über diese enorme Erwartungshaltung stolpert und gegen sie verblasst, dafür kann er nicht allzu viel. Dass er dennoch ein deutlich bissigerer und böserer und packenderer Film hätte sein können, dafür schon. Irgendwie werden hier Geheimnisse und Lösungen länger gezogen als sie es hergeben, viele Dinge stehen in den Köpfen von uns Zuschauern glaube ich schon wesentlich fester als die Regisseurin annimmt und jede weitere Enthüllung kommt mit viel weniger Schwung daher als sie es müsste. Das ist nie ein Schlag in die Magengrube. Das ist nie wirklich fies. Das ist immer recht gesittet und verläuft in wohlbekannten Bahnen. Das ist sehr mainstreamig und das kannst du mit der Mama gucken. Da muss man nie Angst haben, das verstört heute keinen mehr. Das sieht aber auch solide aus, spielt sympathisch um Weihnachten und beide Hauptdarstellerinnen geben alles. Was jedoch nicht reicht, um diese epische Geschichte zweier Schulfreundinnen im Gedächtnis oder auf den Watchlisten zu verankern. Zudem leidet er noch unter einer alten Asiakrankheit und weiß nicht, wann er zum Ende kommen soll. Sodass unterm Strich keine Empfehlung von mir kommt. Zu sicher, zu beliebig, zu unkoreanisch. Universell okay und austauschbar.

Fazit: Trotz ein paar menschlicher Fragwürdigkeiten ein (zu?) realistischer Koreathriller über Rache, Freundschaft und die Zeit… Trotz aller Kurven und Möglichkeiten mir allerdings deutlich zu gemütlich und generisch. Das kann Südkorea um ein Vielfaches böserer und cleverer.
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

09.05.2025, 18:45


Girl you know it‘s true

von Herr_Kees
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Eine junge Frau wird am Tatort eines Mordes verhaftet, in der Hand noch die Schrotflinte, vor ihr die Leiche eines berühmten Schriftstellers. Der Fall scheint klar, doch gestehen will die mutmaßliche Täterin nur gegenüber Polizistin Park, die zu diesem Zweck in ihre alte Heimat zurückkehrt. Schnell stellt sich heraus, dass die beiden sich aus der Schule kennen – und dass die Festgenommene vor 20 Jahren ein mutmaßliches Entführungsopfer war. War der Mord ein Racheakt und hat er etwas mit der jüngsten Veröffentlichung eines Bestsellers zu tun?

Die Ermittlungen von Park bringen jede Menge Wendungen und Verflechtungen zu Tage, auch persönlicher Natur. Jedoch darf man sich A GIRL WITH CLOSED EYES nicht als twisty Hollywood-Thriller vorstellen, der den Zuschauer alle paar Minuten verblüfft. Der Zuschauer denkt sich vielmehr „Aha, so war das.“ Das Tempo des Films ist eher gemächlich und es besteht niemals akute Gefahr, da alle Verbrechen bereits begangen sind. So ist der Koreakrimi eher ein Aufarbeitungsdrama, das uns über zahlreiche Flashbacks eine Geschichte von Scham und Freundschaft erhält – vergleichbar vielleicht mit dem koreanischen Bullying-Drama MONSTER von 2024.

Auch wenn die Auflösung dann doch unerwartet kommt, vergeigt der Film sein Finale mit einer Anhäufung von Logikfehlern und absurd unrealistischen Situationen, sodass man doch dazu neigt, sich ein zumindest effektvoller inszeniertes Hollywood-Remake zu wünschen. Von dem erwartet man dann zumindest keinen Realismus.
Herr_Kees
sah diesen Film im EM, Stuttgart

10.05.2025, 00:56


Von hinten durch die Brust ins Auge

von D.S.
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Ich muss es kurz machen, sonst fange ich noch an, mich (erneut) lang und breit zu ärgern: Das Spielfilmdebüt von Chun Sun-young ist wohl einer der schlechtesten koreanischen Thriller, die ich je gesehen habe. Eine übermäßig konstruierte, in kaum einem Detail glaubwürdige Story, die extrem umständlich erzählt wird, trifft auf unglaubliche Mengen an Kitsch und Krimi-Klischees – fertig ist eine sich über 105 Minuten ziehende filmische Banalität, die zwar angenehm aussieht, jedoch über einen inhaltlichen Nährwert nahe Null verfügt.

Ich übertreibe nicht, wenn ich (aus Erfahrung!) schreibe, dass man bei der Sichtung getrost minutenlang in Sekundenschlaf verfallen kann, ohne sich am Ende von irgendeiner Wendung oder gar der Auflösung überrascht zu fühlen. Tatsächlich nämlich ist hier von Anfang an wie sonst nur selten überdeutlich, wohin das Erzählte führen wird. Und echte Twists gibt es ohnehin keine – das vordergründige Gefühl, solche präsentiert zu bekommen, liegt einzig und allein an der Erzählstrategie, die da und dort immer wieder Relevantes auslässt. Oder es bevorzugt, einzelne Storyaspekte auf möglichst komplizierte Weise zu vermitteln. Das wirkt nun allerdings alles andere als wie „in die Fußstapfen von Größen wie Park Chan-wook, Bong Joon-ho oder etwa David Fincher“ tretend. Sondern vielmehr wie mühselig versuchend, zu kopieren und künstlich Spannung zu erzeugen, wo die eigentliche Handlung sie kaum hergibt. Da sie schlicht und einfach sehr dünn, sehr vorhersehbar, sehr unglaubwürdig ist.

Dass der Bösewicht des Films mal wieder ein lachhaft übermäßig geniales, geradezu satanisches Mastermind straight from Hell ist, fällt da kaum noch ins Gewicht. Das kennt man ja auch aus anderen koreanischen Thrillern. Die geben sich jedoch meist etwas mehr Mühe, das Publikum nicht komplett für dumm zu verkaufen. Oder zeigen jedenfalls nicht so deutlich, dass sie es offenkundig für komplett dumm halten. Der visuellen Ästhetik wegen noch knappe, insgesamt aber glatt etwas verärgerte 5 von 10 Punkten.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

13.05.2025, 21:18




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