Leblosvon D.S. | Permalink |
Der chinesische Beitrag HAVE A NICE DAY erzählt eine typische Crime-Story auf typisch postmoderne Art: Eine Tasche voller Geld wird gestohlen, und bald schon heften sich nicht nur die organisiert kriminellen Besitzer an die Fersen des von wohlfeilen Motiven angetriebenen Diebes, sondern auch alle möglichen anderen moralisch fragwürdigen Gestalten machen Jagd auf die Beute. Dabei kreuzen sich die Wege der unterschiedlichen Beteiligten immer wieder, in verschiedenen Variationen, woraus neue Handlungsstränge entstehen – die jedoch alle auf das gleiche Ziel zulaufen... Eine solche Story ist zwar nicht neu, aber grundsätzlich ja nicht uninteressant; zudem ist sie hier auf ungewöhnliche Weise umgesetzt – als Animationsfilm, der mit groben Strichen und starren Hintergründen arbeitet, vor denen stets nur wenige einzelne Elemente in Bewegung versetzt worden sind. Mag sein, dass Anime-Fans oder Kunstbegeisterte von dieser Zeichen-/Animationsform angetan sind, meins ist sie leider nicht. Zwar gelingt es dem Film darüber, eine deprimierende Tristesse und Hoffnungslosigkeit des Handlungsumfeldes zu vermitteln, das zu den niederen Motiven der Lowlife-Protagonisten passt. Gerade diese Unterkühltheit und Monotonie der Bildebene sorgt jedoch auch dafür, dass eine enorme Distanz zwischen dem Zuschauer und dem Geschehen entsteht. Verschärft wird diese noch durch den fast vollkommenen Mangel an einem non-diegetischen Soundtrack: Abgesehen von zwei musikalisch unterlegten Sequenzen gibt es hier ausschließlich die kalten Klänge der Realität in einer Betonwüste zu hören. Eine davon ist eine schräg überdrehte und recht unterhaltsame Vision von einer Art Werbespot für das glückliche Landleben, die offensichtlich kommunistische Propagandafilme persifliert. Die andere eine episch ausgewalzte Einstellung von... Wellen im Meer. Hinzu kommt, dass sich die Ereignisse mit viel zu wenig Tempo entwickeln und selbst beim dramatischen Höhepunkt des Films jede Dramatik fehlt, jede Energie und Lebendigkeit fehlt. Ebenso wenig hilfreich fürs Zuschauer-Involvement ist die Tatsache, dass die meisten Figuren mit so groben Strichen gezeichnet sind, dass man sie kaum als echte Individuen wahrnehmen kann. Mag sein, dass genau das auf die gewünschte Aussage des Films einzahlen soll, mich hat er damit aber weitgehend kaltgelassen. Besonders auffällig ist dieser Mangel an Details wohl bei der Hauptfigur. Irgendwann im ersten Drittel unterhalten sich andere Figuren über sie und entwerfen dabei das Bild eines eher scheuen, schüchternen, harmlos und nett wirkenden Jungen. Gut, dass sie das gemacht haben. Bis zu diesem Moment hatte er aufgrund seiner Zeichnung für mich nämlich überhaupt keinen Charakter und hätte vom Äußeren her genauso gut auch einen langjährigen, eiskalten Profikiller darstellen sollen können. Von der Idee her allemal interessant, konnte mich HAVE A NICE DAY in seiner Umsetzung leider nicht ausreichend packen. Dafür gibt es 5 von 10 Punkten. | |
D.S. sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt | 20.09.2017, 02:44 |
Großartige Milieustudie in düsteren Bildernvon Alexander | Permalink |
Zugegeben: Visuell hatten wir schon überwältigendere Animés auf dem Filmfest. Doch niemand hat behauptet hier ein neues Meisterwerk a la "Hayao Miyazaki" zeigen zu wollen. Auch wenn die Optik von "Have a Nice Day" irgendwo zwischen "Heavy Metal" und "Beavis & Butthead" angesiedelt sein mag und, wie ein Filmfestkumpel bemerkte, der Film wirkt, als würde man "einen Comic umblättern", so handelt es sich bei aller Kritik an der Bildgestaltung doch um einen SEHR GUTEN Comic, der mich alleine schon mit seiner Bildsprache ganz besonders zu beeindrucken vermochte. Man meinte fast die verrauchten Internet-Cafés und die kleinen Garküchen am Straßenrand riechen zu können. Mir gefiel das wirklich auf den Punkt gebrachte Bild-Design und die wunderbaren, bis in das letzte Detail stimmigen Kompositionen von versifften Szenen aus den Niederungen Chinas, die in oft ruhigen Einstellungen und unaufgeregter Folge ein China der Armut und der Kriminalität abbilden, ohne das es notwendig wäre, dies mit hastigem Gestus oder übertriebenem Sounddesign zu verstärken. Die meist trostlosen Bilder und die hervorragenden Charakterzeichnungen sprechen für sich und über allem hängt ein Nebel der Verzweiflung und der Düsternis. Das ist große Kunst und ein wirklich einmaliges Erlebnis. Auch die Geschichte machte Spaß, ist sie doch, typisch für die meisten weniger kommerziellen Produktionen aus Asien, ziemlich verschwurbelt und wirft einen direkt hinein in das Geschehen, ohne sich zuvor lange mit der endlosen Einführung ihrer zahlreichen Charaktere aufzuhalten. Wie sich hier die Wege zahlreicher Personen kreuzen, die sich alle eine Erlösung aus ihrem teils recht elenden Leben erhoffen, ist schon großartig erzählt und ein wirklich düsteres Drama. Für mich war es ein Fest. Solche Filme werden auf dem FFF leider viel zu selten gezeigt. | |
Alexander sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt | 21.09.2017, 10:13 |
Ein Sack voll Geld, bedeutet die Weltvon Leimbacher-Mario | Permalink |
"Have a Nice Day" sollte kurz & knackig sein. Sein Style sollte allein cool genug sein für eine Empfehlung, zumindest für Asia-Animations-Fans. Seine politischen Statements sollten aufhorchen lassen. Und die vielen verbundenen Schicksale von gesellschaftlichen Außenseitern und zeitlichen Sprünge könnten an "Pulp Fiction" erinnern. Allerdings steht all das im Konjunktiv. Denn die Wahrheit sieht leider anders aus. Zumindest für meinen Geschmack. Gefallen hat mir der lässige Soundtrack und die Optik, zumindest der Hintergründe. Doch selbst audiovisuell hat er mich nicht so sehr geflasht, um den Film durch diese Qualität zu tragen. Enttäuschend, wenn man bedenkt, dass der Film eh nur knapp über eine Stunde geht... Es geht um einen Sack voll Geld. Hinter dem die halbe Unterwelt her ist. Irgendwo in den Randbezirken einer chinesischen Stadt. Wo es keiner mitkriegt und nur wenige interessiert. Genug Stoff für einen bewegten Comic-Gangster-Neo-Noir. Aber wie gesagt, trotz Gesangseinlage und angeschnittener, aktueller Themen (Trump, Brexit, soziale Lage/Gerechtigkeit Chinas) ließ mich das Gangstersuchspiel vollkommen kalt. Coole gemalte Poster gab’s noch im Hintergrund zu sehen. That’s it. Zum Glück kurz. Fazit: Optisch cool, eingängiger Soundtrack, uninspiriert eingeworfene politische Statements. Storytechnisch eine Null. Insgesamt absolute Zeitverschwendung. Eine Comic-Neo-Noir mit X - das war wohl nix. | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 26.09.2017, 01:18 |
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