The Investigator

Kein Gefühlskino...

von landscape
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... weil der gute Tibor schlichtweg keine hat. Er kennt auch kein Privatleben, und genau das möchte eine Kellnerin ändern. Blöd nur, dass eine schwedische Klinik (Anmeldungsformular mit wunderbar kaputten virtuellen Bildern dargestellt) seine kranke Mutter nicht aufnehmen will - da muß Schotter her. Scheißidee, willkommen im Film. Danke Ungarn für diesen Beitrag - das ist wie Finnland oder Estland im Grand Prix de la Chanson, das kennt man so nicht, und man fühlt sich prima unterhalten.
landscape
sah diesen Film im Cinemaxx 2, Hamburg

19.08.2008, 22:52


mal anders, aus Ungarn

von tatabanya
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In sozialistischen Farben gefilmt (mal mehr, mal weniger), kommt das Leben von Tibor trist daher. Als Pathologe bekommt er skurrile Fälle auf den Tisch, die er nach der Obduktion hübsch herrichtet. Tragen nicht zur Entwicklung Story bei, sind aber großartige kleine Szenen. Möchte sie nicht missen, hätte sogar gern noch mehr davon gesehen. Seine Mutter schwerkrank, versucht er sie in einer Klinik anzumelden, doch die lehnen ab. Bleibt nur, sich mit Geld einzukaufen. Wo hernehmen? Da kommt die Anfrage gerade recht, einen Auftragsmord zu begehen. A la "Fremde im Zug", das perfekte Verbrechen, weil man keine Verbindung zwischen Leiche und Mörder nachweisen kann. Falsch gedacht, wie sich am Folgetag herausstellt. Nun setzt der Protagonist alles dran, herauszufinden, nachdem er weiß, wen er umgebracht, warum er dies tun musste ... Drahtzieher und Verbindungen herauszufinden. Und das läuft kurzweilig, weil es immer wieder Stilmittel gibt, dass seine Gedanken als "Bildfilm ablaufen" oder dass eben die Briefe der schwedischen Klinik als Filmsequenz dargestellt werden. Tolle Ideen, gute Schauspieler, interessante, nie langweilig werdende Umsetzung der Geschichte. Nachdem ich Kontroll gar nicht mochte, dies also ein unterhaltsamer ungarischer Film.
tatabanya
sah diesen Film im Kino in der Kulturbrauerei, Berlin

20.08.2008, 08:23


Stranger in a strange Land

von GeorgeKaplan
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Das war sie, die Überraschung des Festivals. Beim ersten Sichten noch nicht mal ansatzweise in Erwägung gezogen, dann die ersten guten Rückmeldungen, noch mal durchgelesen und es einfach probiert, weil die Zeit passte. Der erzählerische Rahmen ist nicht so wirklich überraschend, rückblickend betrachtet sogar recht simpel. Aber darauf kommt es nicht an, wenn die Wendungen und vor allem die visuelle Umsetzung etwa eines einfachen Briefevorlesens so erfrischend sind wie hier. Dabei gibt der Film - sehr sympathisch - nicht mehr vor, als er ist; es bleibt eine kleine Produktion, ein leiser Thriller, wie ihn vielleicht die Coen-Brüder gedreht hätten, wenn sie in Ungarn groß geworden wären. Aber es sind vor allem die Randnotizen, der Blick rechts und links vom Geschehen, die den Film liebenswert machen. Die schrägen Todesursachen, die die Kundschaft des Pathologe mit schöner Regelmäßigkeit hat, die skurrilen Filme, die er mit der Kellnerin beim Date sieht. Großes, kleines Kino!
GeorgeKaplan
sah diesen Film im Cinedom 9, Köln

23.08.2008, 13:11


Die Krabbe kriecht rückwärts

von D.S.
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Holla, was für eine Überraschung - und nach "Just another Love Story" gleich der nächste Film, der direkt der Feder von Paul Auster entsprungen sein könnte. Das heißt: unserem Protagonisten, dem stoischen Pathologen Tibor, passieren von einem Tag auf den anderen immer mehr Dinge, die immer weniger nachzuvollziehen sind. Er lässt sich beinahe unmerklich in ein Knäuel von schicksalhaften Entscheidungsfäden hineinziehen, die sich miteinander verheddern, verknoten, da ein Deutungsmuster bilden, dort ein anderes auflösen, bis sie sich schließlich zu einem undurchdringlichen Mysterium gewoben haben. In dessen Mittelpunkt ein Mord steht - und die Frage, wer ihn begangen hat. Obwohl wir und Tibor das ja eigentlich die ganze Zeit schon wissen. Obwohl, tun wir das wirklich? Gesichertes Wissen ist ohnehin das Kernthema von "The Investigator", denn mit Tibor steigern wir uns in diesem wunderbaren ungarischen Hirnfick mehr und mehr in absolute Skepsis über alles und jeden um uns herum hinein. Ab einem gewissen Zeitpunkt stellt man jede Figur dieses Films und ihre Beweggründe in Frage: in mancherlei Hinsicht ein Whodunnit mit inszenatorischen Mitteln des Film Noir, ist "The Investigator" aber tatsächlich vor allen Dingen ein Film über Kausalität, Entscheidungsfreiheit und deren Wahrnehmung durch den Handelnden. Oder vielleicht besser durch den, mit dem das Schicksal handelt. Was jetzt alles furchtbar schwer klingt, aber das ist der Film überhaupt nicht. Zum einen gewinnt man den Protagonisten dank seiner Kauzigkeit ziemlich schnell ziemlich lieb und baut jede unterkühlte Distanz zum Geschehen deshalb bald vollständig ab. Zum anderen hat der Film eine ganze Menge unglaublich lustiger Dialoge und Handlungsmomente zu bieten, die ein ums andere Mal völlig überraschend über den Zuschauer hineinbrechen. Weil man nie vorhersehen kann, ob jetzt ein gewöhnliches Gespräch geführt werden wird oder sich aus heiterem Himmel wieder die größtmögliche Skurrilität ihre Bahn brechen wird. Wobei es übrigens das ein oder andere Mal auch ums Kino geht - ein bestimmter Dialog bringt den Saal dabei unter Garantie zum fassungslosen Lachen. "The Investigator" ist zum einen ein richtig spannender Miträtselfilm, dessen Auflösung zur Abwechslung mal nicht die naheliegendste ist und die den Zuschauer bis zuletzt gefangen nimmt. Zum anderen enthält er jede Menge unverbrauchte Ideen, die sich teilweise in absolut schrägen, surrealen Szenen niederschlagen und ein, zwei Mal sogar auf eine Metaebene überwechseln: etwa, als Tibor mit allen Figuren des Films in einer Art übernatürlichen Vorlesungsraum versammelt ist und sie gemeinsam die verschiedenen Lösungsansätze des Mysteriums nach ihrem Für und Wider abwägen. Fast alles ist hier unvorhersehbar und macht darum richtig viel Spaß - gerade im Gegensatz zu all den Genrefilmen, denen Routine und Sicherheitsdenken auf die Stirn geschrieben ist. Der einzige Wermutstropfen: "The Investigator" ist über weite Strecken zu langsam, fast schon behäbig inszeniert. Gerade im ersten Drittel passiert viel zu wenig - was aber in gewisser Hinsicht auch seinen Sinn hat: denn unsere Hauptfigur ist nun mal ein Stoiker, der sein Leben mehr als bedächtig angeht, der nichts mehr hasst als Aufregung und Veränderung, der stets die Ruhe bewahrt. So gesehen, stimmt uns das niedrige Tempo also perfekt auf seinen Charakter ein. Und nach einer gewissen Zeit geschehen dann ohnehin so viele merkwürdige Dinge, dass man nur noch fasziniert auf die Leinwand starrt. Bis dahin ließ mich der Film aber zu lange kalt, weshalb nur 7,5 Punkte drin sind. Dennoch ganz sicher eins der diesjährigen Highlights, gerade auch im "Fresh Blood"-Wettbewerb. Und Pflicht für jeden, der Lust auf einen Film hat, dessen Plotentwicklung er nicht schon im Schlaf vorhersagen kann.
D.S.
sah diesen Film im Metropolis 6, Frankfurt

03.09.2008, 05:33




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