Kung Fu in Rome

„Kung Fu in Rome“??

von D.S.
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Mal ehrlich, was ist das für ein erbärmlicher (deutscher?) Titel für diesen Film, den man doch auch einfach, dem Original treu bleibend, „Die verbotene Stadt“ hätte nennen können? Er klingt reißerisch, plump, extrem unelegant – also nach all dem, was dieser Film eben gerade nicht ist.

Tatsächlich erweist sich LA CITTÀ PROIBIDA als erstaunlich „großes“ Kino, kunstvoll, geschliffen, vielleicht glatt mainstreamtauglich. Insbesondere die Kameraarbeit kann beeindrucken, nicht zuletzt durch einige spektakuläre Aufnahmen der ewigen Stadt, die sie stets ins beste Licht rückt – auch und gerade, wenn wir in Ecken unterwegs sind, die in den meisten Reiseführern wohl eher nicht herausgestellt werden. Eine Sequenz gegen Ende des ersten Filmdrittels wirkt sogar fast so, als wäre sie von der Tourismusbehörde in Auftrag gegeben worden. Hier und in ein paar (wenigen) anderen Momenten übertreibt es der Streifen mit der Poliertheit und einem ordentlichen Maß Kitsch definitiv ein wenig – in der Gesamtbetrachtung fällt das aber glücklicherweise nicht allzu sehr ins Gewicht.

Vielmehr bleibt eine erfrischend offene Herangehensweise an die Konventionen unterschiedlicher Genres in Erinnerung, sowie die Souveränität, mit der diese miteinander vermischt und zu einem originären neuen Ganzen zusammengefügt werden. Bereits die beiden vorherigen Spielfilme von Regisseur Gabriele Mainetti – der in seinem Videogruß übrigens wirklich nett und charmant wirkte –, THEY CALL ME JEEG ROBOT und FREAKS OUT, konnten durch einen solchen überraschenden Genremix punkten. LA CITTÀ PROIBIDA gelingt genau dies gleichfalls, nur wirkt das Ergebnis dabei eben noch ein ganzes Stück hochwertiger. Und ist erkennbar deutlich höher budgetiert. Eine Kreuzung aus klassischer asiatischer Martial-Arts-Action und typisch italienischem Drama-Gestus habe ich vorher jedenfalls noch nie gesehen, doch sie funktioniert, als wäre sie das Natürlichste der Welt. Wobei sie sich über manche überkommenen Klischees ihrer „Ursprünge“ immer wieder erfreulich sympathisch lustig macht.

Apropos sympathisch: Die größte Stärke des Films liegt wohl in seinen Hauptfiguren und -darsteller*innen. Sie sind äußerst lebensnah gezeichnet, vielschichtig und mit verschieden berührenden Hintergründen ausgestattet. Vor allem aber sind sie grandios besetzt. Speziell Held und Heldin muss man einfach mögen – ihre Ausstrahlung ist weit weg von der tumber, tougher Haudraufs, sie wirken jederzeit wie tatsächliche, mit allerlei Makeln (und viel gegenseitiger Chemie!) behaftete Personen.

Das „Haudrauf“ gibt’s allerdings in der Handlung, und das nicht zu knapp: Die Fights sind samt und sonders befriedigend hart und knallig in Szene gesetzt. Ein Spektakelfaktor ist dadurch allemal gegeben, der Kintopp-Non-Realismus von JOHN WICK & Co. wird aber glücklicherweise konsequent vermieden.

In Summe erweist sich LA CITTÀ PROIBIDA so als wunderbar eskapistisches Kino-Erlebnis, dem man zahlreiche Zuschauer wünschen möchte. Die große Leinwand wird hier exquisit genutzt für eine in ihrem Inhaltskern zwar wirklich nicht neue Erzählung, die aber erfrischend ungewöhnlich umgesetzt ist. Ohne dabei über die Stränge zu schlagen, aber dafür mit erheblichen Schauwerten ausgestattet.

Mir persönlich insgesamt zwar doch ein bisschen zu glatt und auch ein bisschen zu lang geraten, aber trotzdem ganz dicke 7 von 10 Punkten wert.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

09.05.2025, 01:45


Ein Schmerz & eine Sohle

von Leimbacher-Mario
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Mit seinem Debüt („They Call Me Jeeg Robot“) hat er dem Superheldengenre einen italienischen Indiestempel aufgedrückt und auch der von mir arg gefeierte „Freaks Out“ hatte comichafte Züge. Beide Werke waren mutig, frisch, originell und gerade in einem (ähnlich wie Deutschland) nicht allzu genrefreundlichen Italien sicher nicht einfach zu realisieren. Nun legt der sympathische junge Regisseur mit „Kung Fu in Rome“ aka „La Citta Proibita“ etwas bodenständiger und realistischer, aber keineswegs unspektakulärer nach. Hier verschmilzt er (Multikulti-)Rom(anze) mit brachialem Eastern. Über eine junge Chinesin, die sich nach Rom bzw. in dessen Unterwelt schleusen lässt, um ihre verschwundene Zwillingsschwester zu suchen. Doch zuerst trifft sie einen kampftechnisch unbeholfenen, dafür nudeltechnisch sehr versierten Koch, dessen Schicksal mit ihrem eng verknüpft scheint…

Die ewige Stadt des Arschversohlens

Vor allem wenn man wie ich (einseitig) italienische Wurzeln hat und auch noch ein kleiner Easternfan ist, dann bringt „Kung Fu in Rome“ schon verdammt viel des Besten beider Welten. Roms multikulturelle oder gar eher asiatisch angehauchte Viertel hat man bisher eher selten gesehen. Die Kombi dieser Gegenden und Genres wirkt ebenso rar, frech und fresh. Dazu ist die Action stark, toll choreografiert, mit erstaunlich wenig Schnitten aufgepeppt. Und wenn Fische, Blumensträuße, Bratpfannen oder CDs (!) als Kampfutensilien missbraucht werden, dann würde selbst ein Jackie Chan mindestens begeistert schmunzeln. Die Handkantenhighlights punkten. Plus etwas Humor. Plus ein gutes Stück an Chemie im Cast. Plus viele Zitate an Kung-Fu-Klassiker (selbst wenn es nicht zum von mir fest erwarteten Kampf gegen einen riesigen Dunkelhäutigen à la „Game of Death“ kommt). Das passt. Das kracht. Das ist süß, die Balance stimmt und das legt sogar noch echt romantische Momente obendrauf. Da ist für jeden etwas dabei, auch ein bombastischer Datemovie irgendwie. Zumindest ein Test, wie cool die Auserwählte wirklich ist. Die Laufzeit überstrapaziert es etwas. Es gibt durchaus Klischees und Vorhersehbares. Manch ein Nebenkriegsschauplatz und Sidekick nimmt zu viel Platz ein. Nicht alle Darsteller sind auf dem gleichen hohen Niveau. Der Score hätte noch etwas wuchtiger und treibender sein können. Und eine ganz besondere Szene, die ewig im Gedächtnis bleiben wird oder ihn auf eine Stufe mit den Besten seiner Vorbilder hebt, ist jetzt nicht direkt dabei. Aber das tangiert kaum. Denn im Endeffekt ist und bleibt es ein Herzensfilm. Für mich zumindest.

Romofuss & Tretmus

Fazit: Eine Herzensangelegenheit! Rom(anze) trifft Kung-Fu in bunter Location voller Multikulti und Nudeln aller Art. Ein Kampf der Kulturen mal anders. Erfrischend und mutig. Wenn auch etwas lang, berechenbar und ohne die komplett legendären Momente, egal ob im Kampf oder in der Liebe. Trotzdem: von der enormen Kampfmittelkreativität bis zur fühlbar ehrlichen Liebe zur ewigen Stadt… Mainetti liefert weiterhin ab!
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

09.05.2025, 01:52


Roman Holiday

von Herr_Kees
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Mei schleust sich über einen Mädchenhändlerring in Rom ein, um ihre Schwester Yun zu finden. Auf ihrer Suche gerät sie an Marcello, der im Traditionsrestaurant seiner Familie in der Küche steht. Beide verbindet ein gemeinsames Schicksal, doch während Marcello sich weiterhin friedlich der Essenszubereitung widmet, geht Mei voll auf Konfrontation und legt sich sowohl mit chinesischen als auch mit italienischen Gangstern an.

Gabriele Mainetti verheiratet in seinem jüngsten Werk italienisches Familienmelodram mit Gangsterklischees, Romanze und Martial Arts-Action – und es funktioniert! Erstaunlich gut sogar. LA CITTA PROIBITA ist nach JEEG ROBOT und FREAKS OUT Mainettis reifster Film geworden und trotz Überlänge extrem kurzweilig.

Die Genreelemente sind schön ausbalanciert, alles ist großartig fotografiert und wird von einem wunderbar vielseitigen Italosoundtrack begleitet, die Locations sind interessant, beschränken sich nicht auf touristische Highlights, sondern zeigen ein gleichsam authentisches wie stilistisch überhöhtes Rom. Die Vespafahrt von Mei und Marcello ist eine schön schräge Reminiszenz an die unvergessliche Sightseeing-Tour von Gregory Peck und Audrey Hepburn in William Wylers ROMAN HOLIDAY.

Vor allem in den Actionszenen zeigt sich, dass Mainetti keine plumpe Eastern-Kopie im Sinn hatte, auch wenn der versimplifizierende deutsche Verleihtitel KUNG FU IN ROM(E) dies nahelegt. Die Choreografien können es durchaus mit den besten Werken des asiatischen Kampfkunstkinos aufnehmen. Die Eröffnungssequenz, in der sich Mei gegen eine Horde Baddies eine lange Treppe emporkämpft, hat eine vergleichbare kinetische Energie wie das Opening des koranischen THE VILLAINESS (2017) und die Art, wie sie zwei kräftige Kerle mit einem Fisch und einem Blumenstrauß (!) vermöbelt, steht in bester Jackie Chan-Tradition. Dabei sind die Kämpfe akrobatisch und brutal, jedoch nie comicstripartig überhöht wie in den JOHN WICK-Filmen und der Film lebt nicht allein von seiner Action.

Wenn sich die Handlung gegen Ende ins Dramatische steigert, wirkt das nie aufgesetzt, sondern entwickelt eine echte emotionale Kraft, die man aus dem Genrekino heutzutage so nicht mehr gewohnt ist. Eine echte Empfehlung für Martial Arts-Fans, Romfans und überhaupt aufgeschlossene Freunde ungewöhnlicher Genrefilme.
Herr_Kees
sah diesen Film im EM, Stuttgart

09.05.2025, 09:30




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