Mermaid

The Gatorade of Water

von Leimbacher-Mario
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Eine sonnendurchflutete Loserstory irgendwo im Indieniemandsland zwischen Del Toro und einem abgeranzten Stripschuppen - „Mermaid“ (vom „Butt Boy“-Macher!) erzählt von einem waschechten Verlierer, der jedoch am Boden (des Meeres?!) seine mögliche Rettung und Erfüllung in Form einer „Meerjungfrau“ findet. Doch bei Tyler Cornack ist natürlich nichts so feuchtfröhlich und friedlich, wie es scheint…

Wie Schuppenflechte im Schritt

Mit „Butt Boy“ hatte mich Cornack schnell am Schlafittchen, mit „Mermaid“ braucht er etwas länger bzw. angelt mich gar nicht wirklich zu sich und seinem seltsamen Ton. Beides sind ziemliche One-Trick-Arschis/-Fishys, aber „Mermaid“ hat dann einfach nicht genügend Pfeile im Köcher für seine genretechnisch mutige Laufzeit, um hier gefesselt oder gar begeistert zuzusehen. Der Protagonist ist fast schon subversiv krass ein Loser, er verkackt ja auf traurig-melancholische Weise fast alles. Von den Menschen bis zu den Geschöpfen aus dem Meer, von seiner Familie über die Gangster in seiner Gegend bis zur straight up gekidnappten Meerjungfrau. Das muss man erstmal als Filmemacher dermaßen konsequent durchziehen mit seiner Hauptfigur - und es schaffen, dass diese doch noch einigermaßen nachvollziehbar und sympathisch bleibt. Das ist ein dicker Pluspunkt, der vielleicht vor einem Totalabsturz rettet. Dazu das schwitzig-schwüle Floridafeeling mitsamt ein paar gealterter Superstars zwischen Stripclubs, Strandbars und Golfwagen. Und die Meerjungfrau sieht ganz gut und glitschig aus. Der Humor ist schön off, hat mich zumindest zwischendurch mal getroffen. Und trotzdem: irgendetwas an „Mermaid“ kommt nicht in Fahrt, kann sogar richtig nerven und langweilen, will nicht gut genug funktionieren. Als ob man einfach mal gemacht hat und auch improvisierte Szenen länger stehen lässt, sodass beim Zuschauer Ratlosigkeit bis Frust aufkommen. Zumindest ging’s mir so. Das ist schade. Das hatte ich so drastisch nicht erwartet. Vielleicht ist es auch die Art von Film, bei der es besonders unfair ist, sie in einem Filmfestival-Stakkato zwischen vier weiteren Produktionen zu sehen. Denke schon. Soll aber keine Ausrede sein.

Stockfisch-Syndrom

Fuckin' Florida!

Fazit: Das Floridasetting samt vieler schräger Figuren fühlt sich authentisch bis offbeat-herzlich an. Fast schon „GTA“-Vibes. Die Meerjungfrau-Effekte sehen (für seine Liga) klasse aus. Und Cornack behält seinen ganz eigenen Humor. Und unser Verlierer-„Held“ ist einer der größeren filmischen Verkacker, die ich seit langem gesehen habe. Interessant. Konsequent. Dennoch funktioniert das hier für mich nicht über seine gesamte Laufzeit. Es nutzt sich schnell ab, es gibt zu wenig Höhepunkte (wie der Kindergeburtstag!) und wird sogar teils unangenehm - was aber auch wieder Teil des Plans scheint…
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

10.05.2025, 11:49


What the Fuck, Doug?

von D.S.
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Während Pseudo-Indie-Filme beim Festival weitläufig bejubelt werden, stößt einer der wenigen echten Indie-Filme im Programm offenbar genauso weitläufig auf Ablehnung – schade eigentlich, gelingt MERMAID doch mit Bravour, woran das Gros der typischen Genrevertreter regelmäßig scheitert: das Publikum zu überraschen; ihm eine sich vollkommen unvorhersehbar entwickelnde Handlung zu präsentieren.

In deren Mittelpunkt steht eine genauso vollkommen unberechenbare Hauptfigur: Doug (Johnny Pemberton, FALLOUT), ein Vollblut-Loser, der durch seinen Mangel an Empathie und seine planlos-konfrontative Art sämtliche Mitmenschen nachhaltig verstört und so stoisch wie unbewusst alle von sich wegstößt. Kein Wunder, dass er seit Langem und bis ins Mark einsam und verloren durchs Leben zieht. Durchaus ein Wunder hingegen, dass er eine Tochter hat. Die ist allerdings nur Ergebnis einer betrunkenen Nacht, oder so – sein Verhältnis zu ihr und speziell ihrer Mutter ist mindestens genauso gestört wie das zum Rest der Welt.

Als der hoffnungslose Fischfreund Doug unmittelbar vorm Selbstmord steht, treibt ihm das Schicksal dann aber in den blauen Weiten vor Florida plötzlich einen Lebenssinn vor die Flossen: ein abgrundtief hässliches Monsterwesen aus der Tiefe, das sich schnell als mindestens ebenso abgrundtief mordlüstern erweist. Wie geschaffen für einen echten Soziopathen. Und so nimmt die Weirdness ihren Lauf …

Doug ist ein als fundamental „offbeat“ gezeichneter Charakter, vor allem aber ist er zutiefst lebensunlustig und gibt (meist nicht mal bewusst) nichts auf gesellschaftliche Konventionen oder die Erwartungen der ihn umgebenden Welt. Aber wenn ihm einmal wirklich etwas an einer Sache liegt, ist er bereit, alles für sie zu geben – auch, wenn das extreme Probleme zum Beispiel mit der lokalen Unterwelt (großartig: Robert Patrick, PEACEMAKER) mit sich bringt. In seinem letzten Drittel nimmt der Film deshalb auch entsprechend Fahrt auf.

Darauf sollte man aber nicht unbedingt warten, wenn man MERMAID genießen will: Zum einen kommt die Action zu spät, um eine entscheidende Rolle für die Bewertung des Geschehens zu spielen. Zum anderen hat sie zwar durchaus Bedeutung für den Ausgang der Handlung, aber nicht für die Wirkung des Films. Die besteht nämlich vor allem darin, Einblick in die Seele eines echten Außenseiters zu offenbaren. Und seine Depression spürbar zu machen.

Wer wirklich wilde, absolut nicht nach den Regeln des „Business“ geformte Filmerlebnisse schätzt, sollte hier unbedingt einen Blick riskieren. Wenn er/sie auch ein Herz für pure, lakonische Melancholie hat. Und unschöne Meerjungfrauen. Wegen einiger Unrundheiten und zeitweiligem Tempomangel nur gute 6,5 Punkte, trotzdem empfohlen.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

13.05.2025, 23:21




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