Atomkraft nein dankevon Herr_Kees | Permalink |
Für den Bau eines Kraftwerks in einem japanischen Dorf müssen ein paar unliebsame Fischer von der Bildfläche verschwinden, darunter auch Migiwas Ehemann. Sie entgeht dem Anschlag nur knapp und schwört Rache. Wer allerdings auf brutale Exploitation und tabubrechenden Splatter hofft, muss sich gedulden, bzw. wird schlichtweg enttäuscht, denn das hier ist kein zweiter GUINEA PIG. Man muss schon viel guten Willen mitbringen, wenn man sieht, wie die zierliche Perlentaucherin ihre körperlich deutlich überlegenen Gegner bezwingt. Ein Mann wird von ihr mit einem Tuch im Nacken (!) gewürgt, was sie aber nicht davon abhält, kurze Zeit später quasi ihr komplettes Apartment mit seinem Blut neu zu streichen. Denn, ja, der rote Saft sprüht hier fontänenweise. Das ist bisweilen nicht ganz ernstzunehmen, auch wenn der Film alles andere als ironisch gemeint ist. MERMAID LEGEND lässt sich nicht an heutigen Maßstäben messen, auch nicht an den üblichen Genremaßstäben der 80er, es ist ein ganz eigener Bastard, der vielleicht nur Menschen begeistern kann, die mit japanischen Genrefilmen der 80er und 90er ihre filmische Erziehung genossen haben. Ein Film, der zärtliche und gewalttätige Momente vereint, der sich Zeit nimmt für Momente des Trauerns und ebenso lange auf ein absurd ausgedehntes Massaker draufhält, der Szenen eigentlich konträr, dann aber doch wunderbar passend mit einem wehmütigen musikalischen Thema unterlegt wie seinerzeit Riz Ortolani sein romantisches Theme für Deodatos CANNIBAL HOLOCAUST komponierte. Ein seltsam schöner Film, dem Poesie wichtiger ist als Realismus – das ist heute auch im Genre selten geworden. | |
Herr_Kees sah diesen Film im EM, Stuttgart | 15.09.2024, 01:10 |
Reviewvon Frank | Permalink |
Starker 80er-Jahre Film mit romantischem Aufbau. Unterm Strich für mich ein Drama mit einigen Thriller-Charakteren, Fantasy-Geist und Gore-Elementen. MERMAID LEGEND zeichnet sich durch seine hervorragende Atmosphäre aus, die vor allem durch den ruhigen, melancholischen Score geprägt ist. Die tragische Geschichte des Fischerpaares (Wasser ist ein zentrales Element des Films) ist mit Mari Shirato sehr gut besetzt. Ihre Körperlichkeit und ihr emotionaler Ausdruck verkörpern überzeugend das Leiden ihrer Figur. Die Sensibilität der Japaner für Radioaktivität ist Teil des Plots. Wie man es von einigen japanischen Produktionen kennt, sind einige der Nacktszenen unscharf kaschiert. Etwas albern, wenn man bedenkt, dass es offenbar kein Problem ist zu zeigen, wie Menschen in den Leib gestochen wird und Blut in Fontänen aus ihnen spritzt. Das kaschieren kann einerseits den visuellen Genuss stören, ist andererseits aber auch amüsant. In einer Nacktkampfszene sieht es fast so aus, als würde Maro Shirato vor der Unschärfe weglaufen, die Teile ihres nackten Unterkörpers verdecken soll. Third Window Films wird den Film in der Directors Company Edition veröffentlichen. Ich frage mich, ob die Szenen dort auch unscharf sein werden, und wie das technisch gehandhabt wird, also ob das bereits Teil des Originalfilmmaterials ist oder hinterher für die DVD und Blu-ray Produktion eingefügt wird. Letztlich spielt das jedoch keine große Rolle, denn der Film bleibt mit oder ohne Unschärfe ein sehr empfehlenswertes, atmosphärisches und poetisches Drama, dessen schlichte, aber eingängige Musikkomposition den Film emotional trägt und lenkt und dessen Story mich auch emotional berühren konnte. | |
Frank sah diesen Film im Savoy, Hamburg | 15.09.2024, 16:46 |
Poetischer Blutrauschvon Alexander | Permalink |
Niemand kann großes Drama besser als die Asiaten. Es ist vollkommen egal, ob man einen „Oldboy“ oder sonst einen neuzeitlichen Rachethriller, ein Mafiaepos oder einen kranken Film wie „Say Yes“ auf dem Filmfest goutierte, man konnte schon immer sicher sein, einem ungewöhnlich intensiven Filmerlebnis beizuwohnen, wenn es sich um einen Beitrag aus dem ehemals „Focus Asia“ genannten Genre handelte. „Mermaid Legend“ ist dabei ein eher „softer“ Vertreter der düsteren Asiaten. Der Film lässt sich sehr viel Zeit in nahezu poetischen Bild- und Musikkompositionen seine traurige Geschichte zu erzählen. Man muss sich darauf einlassen und darf nicht auf ein schnell erzähltes, blutiges Gemetzel hoffen. Für die ungeduldigen Cineasten gibt es dafür in diesem Jahr „Kill“. Wer dagegen aber schöne Bilder, schöne Frauen und schöne Musik mag, schaut sich besser „Mermaid Legend“ an. Ich war ganz schnell verzaubert. Du sitzt im Kinosessel und genießt Musik, Kamera, Darsteller und eine dramaturgisch gut aufgebaute Geschichte. Bis Dich dann, fast schon nicht mehr erwartet, die ganze Härte, auf die der Film ja zwangsläufig hinauslaufen musste, einholt. Der Kontrast zu den zuvor gezeigten, eher schon als Weichzeichnung aus einem Fellini Film zu benennenden Bildern, kommt irgendwann, wenn man fast schon eingedämmert ist, so plötzlich, ist dermaßen grotesk und extrem, dass einem auch als hartgesottener Fan kurz der Atem stockt. Auf der anderen Seite wird die Gewalt allerdings so extrem überzeichnet, werden Blutfontänen eigentlich wie blutrote Duschszenen inszeniert, hören sich blutende Wunden, aus denen der rote Saft spritzt an wie kleine Fontänen, dass man das Gezeigte eigentlich nicht mehr ernst nehmen kann. Für Fans harter asiatischer Kost eine unbedingte Empfehlung und toll, dass wir so einen „Oldie“ noch mal sehen durften. Der wäre ansonsten vollkommen an mir vorbeigegangen. | |
Alexander | 16.09.2024, 00:15 |
Wenn Cthulu Piano spielt…von Leimbacher-Mario | Permalink |
Ozeanpoesie und Blutfontänen, Pixelporno und Puffbredouille, Kernkraft und Meersalz, Karaoke und Gangsterbosse, Tauchgänge und Tieftraurigkeit, Selbstbestimmung und Körperkunst, Poolgymnastik und Filmnirwana, Racheplan und Freizeitpark, Flutregen und Hawaiihemden, Feminismus und Mystik, Gewaltexzess und Melancholie - „Mermaid Legend“ ist ein bizarres Paket und für mich voller Erfolg! Er hat sein ganz eigenes Tempo und es ist ganz wunderbar, dass man ihn momentan auf großer Leinwand (!) beim Fantasy Filmfest quer durch Deutschland wiederentdecken kann, denn bisher galt er weitestgehend vergessen bis verschollen. Damit ist nun Schluss! Und auch wenn ich nicht direkt behaupten will, dass dieser lethargisch-erotische Special Interest-Genremix zu den ganz großen Filmen seiner Zeit zählt, gehört er doch mindestens respektiert und rehabilitiert, sollte er auf jeden Fall auch erhältlich zu sein (Bildstörung, bitte übernehmen?). Denn er hat seine ganz eigene romantisch-lyrische Schönheit und passenderweise Sogwirkung, die man absolut empfehlen kann. Diving Lady Vengeance. Irgendwo zwischen Tarantinos Vorbildern, Lovecraft und einem ruhenden Liebesbrief an den Ozean selbst… Erzählt wird von einem Fischer, der einem Grossdindustriellen im Weg steht und zur Strecke gebracht wird. Daraufhin flüchtet seine attraktive Frau - und sieht sich dennoch auf einem nass-nackten Kurs der Rache… Meerjungfrauen haben schöne Keime „Mermaid Legend“ kann etwas einschläfernd und einlullend wirken, sodass manche Leute sicher erst beim blutigen Massaker am Ende wach werden könnten. Mich konnte dieses Beinahe-Märchen aber auch vorher schon fesseln, gänzlich wachhalten und teils begeistern. Guillermo Del Toro gefällt das sicherlich. Die Unterwassershots gehören zum Besten, was ich in dieser Beziehung bisher gesehen habe. Jemals. Die Hauptdarstellerin hat eine unfassbar intensive Aura und einen krassen Blick. Der Score ist ebenfalls extraklasse - mal jazzy, mal pianolastig, immer vollkommen, ausbalanciert, geschmeidig. Im Flow, wie im Wasser. Dann die Sexszenen, dann die Blutfontänen, dann die fast apokalyptischen Züge. Wie toll, dass Japan damals solche Wagnisse eingegangen ist. Eine algige Achterbahnfahrt. Mit nichts dann zu vergleichen, mit nichts heute zu vergleichen. Verträumt, gleichmäßige Atemzüge, brodelnde Rache. „Im Rausch der Tiefe“ trifft „Kill Bill“. Ein Unikum, das jede Wiederentdeckung wert ist. Stylisch, moody, rhythmisch. Exploitation trifft Kunst. Und im Kino, als ob man selbst in einem riesigen Aquarium sitzt. Bis die Flossen wieder lila sind… Fazit: Sexy Blutfontänen… Im Reich der Kiemen & Kimme … ein verlorenes Japan-Meisterwerk der 80er?! Atmosphärisch und akustisch in jedem Fall. Feucht, melancholisch, aquatisch, sinnlich. Score, Hauptdarstellerin und Unterwasseraufnahmen sind meisterhaft. Auf den Rest muss man sich geduldig einlassen und ein gutes Stück treiben lassen. P.S.: Auch wenn es zur Erheiterung als Kuriosum beigetragen hat - ohne „Züchtigkeitswölkchen“ vor den primären Geschlechtsorganen bei den Sexszenen wäre auch schön gewesen! ;) | |
Leimbacher-Mario | 17.09.2024, 14:36 |
Auf dem Trockenenvon D.S. | Permalink |
Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich heute schlecht und kurz geschlafen habe – oder daran, dass alle anderen bisherigen Reviewer in ihren eigenen Träumen unterwegs waren: Für mich entpuppte sich MERMAID LEGEND nach all den positiven Meinungsäußerungen als richtig harsche Enttäuschung, als ein Ding der absoluten Überflüssigkeit. Und ich muss gestehen, dass ich die ansonsten formulierte Begeisterung wirklich in keiner Weise nachvollziehen kann. Gut, da hat Rapid Eye Movies also die Rechte an einem japanischen Genre-Mix erworben, der lange Zeit als mehr oder minder verschollen galt und nun wohl in absehbarer Zeit fürs Heimkino verfügbar gemacht werden wird. Aus Marketingsicht ist eine Vorab-Vorführung beim FFF natürlich absolut sinnvoll. Und klar, es ist immer schön, solche älteren Filme auf der großen Leinwand sehen zu können. Aus Prinzip. Aber was bekommen wir denn in diesem Fall tatsächlich geboten? Eine Stunde lang erst mal gar nichts. Eine äußerst zäh erzählte Story um einen dauerbetrunkenen Fischer und seine Frau, ein dröges Krimi-Versatzteil rund um Korruption, Verschwörung, Verrat und (kaum explizit gezeigten) Mord – sowie um unvergängliche Liebe, die offenkundig nicht mit unverbrüchlicher Treue einhergehen muss. Dann minutenlange, maximal unerotische Sexszenen in 70er-Jahre-Softporno-Antiästhetik, unterbrochen von einer unfreiwillig komischen und (wie auch alle folgenden) wenig überzeugend gestalteten Kill-Szene, in der das Blut spritzt, als hätte jemand einen pumpenden Wasserschlauch durchtrennt. All das begleitet von einem aufdringlich schmalzigen Synthie-Score. Im Finale türmen sich schließlich eher anlasslos die Leichenberge, wobei die so namen- wie gesichtslosen Opfer schon tot umfallen, wenn sie nur mal kurz schief angeschaut oder höchstens einfach kurz irgendwo gepiekst werden. Dabei geriert sich die Inszenierung aber derart ernsthaft und von Aussagedrang geprägt (Uh! Böse Atomkraft! Böser Kapitalismus!), dass die Schwelle zum Dada-Trash näher liegt als die zum halbwegs goutierbaren Genrefilm. Auch wenn das nun vielleicht sogar einigermaßen interessant klingt, ist die Umsetzung dabei leider bei Weitem nicht wild und weird genug, um die unerträglich ausgewalzte Laufzeit von 110 Minuten auch nur ansatzweise zu rechtfertigen. Ja, die Unterwasserszenen sind teilweise sehenswert, einige Dialoge unterhaltsam, die Figurenzeichnungen mitunter interessant bzw. vielschichtiger als üblich. Insgesamt ist MERMAID LEGEND jedoch ein vergleichsweise äußerst biederer, viel zu lang gestreckter, höhepunkt- und harmloser japanischer Versuch, dem Erfolg wirklich extremer asiatischer, speziell indonesischer Genrebeiträge aus derselben Epoche wie etwa MYSTICS IN BALI oder QUEEN OF BLACK MAGIC nachzueifern. Hätte aus meiner Sicht nicht unbedingt aus der Versenkung gefischt werden müssen. Aus Nostalgiegründen knappe 5 Punkte. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 22.09.2024, 03:28 |
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