Blow Your Trumpets Heravon Thassa | Permalink |
Als Hera zwölf Jahre alt ist, stirbt ihr Bruder durch einen Mähdrescherunfall. Der Rest der Familie, der aus Hera und ihren Eltern besteht, muss eine schwere Zeit durchstehen. Hera versucht den Verlust ihres Bruders mit Hilfe von dessen Vorliebe für gitarrenlastige Musik zu bewältigen, zieht daher fortan dessen Lederjacke an und fängt an, auf seiner E-Gitarre Riffs zu üben. Ihrer Trauer und ihrem Wut scheint sie mit Heavy Metal-Musik Ausdruck verleihen zu können. Kurz darauf macht der Film einen Sprung und Hera ist inzwischen eine junge Frau - mit ihrer persönlichen Rebellion ist allerdings lange noch nicht Schluss... Ob Island nun im geographischen Sinn zu Skandinavien gehört, sei einmal dahingestellt, von filmtechnischer Seite aus gesehen reiht sich Metalhead jedenfalls in die skandinavischen Produktionen der letzten Jahre ein. Sehr trüb und verwaschen sind die Farben, die grandios die Tristesse des Umfelds von Hera zeichnen. Der Film nimmt sich (trotz einiger trocken-komischer Momente) stets ernst, und das tut ihm gut (!), da seine Figuren und Personenkonstellationen niemals ins Klischeehafte driften, sondern immer real, fast schon dokumentarisch wirken. Trotz des Zeitsprungs nach ca. 10min handelt es sich bei dem Film um einen Coming Of Age-Film, denn der Selbstfindungstrip der erwachsen gewordenen Protagonistin ist noch mitten im Gange. Dort, wo ein Heavy Metal-Hörer als Bürgerschreck seine Umwelt provozieren kann, zelebriert Hera ihr Rebellendasein auf eine Weise, die den Zuschauer teils melancholisch und rührselig stimmt, ihn aber auch stets wieder vermag aufzubauen. Keine Autoritätsfigur, sei es die Familie, sei es der Arbeitgeber, sei es die Kirche, bleibt verschont, und doch versucht letztendlich nur ein gebrochener Mensch seinen Platz im Leben zu finden. Neben der der Regie- und Kameraarbeit, an der es nichts auszusetzen gibt, sind es vor allem die stets mindestens guten Darsteller, aus denen die Hauptdarstellerin heraus sticht, die es möglich machen, dass "Metalhead" so gut funktioniert. Schade ist es, dass das Verhältnis von Hera und ihrem Bruder nicht weiter bebildert wird - hier hätte man sicherlich noch mehr an Wirkung erzielen können, wenn es um die Beziehung der beiden geht. Zudem hätte man solche Szenen dazu nutzen können, den Film mit etwas mehr Gitarrenmusik zu garnieren, denn für einen Film der "Metalhead" heißt, bietet der Film gar nicht mal so viel Musik - obgleich es ihm ja sowieso eher um die leisen zwischenmenschlichen Töne geht, als um die lauten, die aus den Verstärkern dröhnen. An der durch und durch sympathischen Produktion an sich gibt es also wenig bis gar nichts auszusetzen und man kann dem Text des Programmheftes eigentlich in allen Aussagen nur zustimmen. Ob der Film allerdings dem Publikum des Fantasy Filmfests munden wird, ist eine sehr fragwürdige Sache. Wer auf der Suche nach den (früheren?) Programmpfeilern Horror, Action oder Thriller ist, wird hier nichts dergleichen finden. Daher wird es auch ein bisschen verständlicher, warum als Vorfilm das Behemoth-Musikvideo "Blow Your Trumpets Gabriel" läuft, dieses Video ist nämlich nicht nur als Einstimmung für Schwermetaller da, es ist auch näher an Action, Horror und Thriller, als der Hauptfilm selbst. Mir ist "Metalhead" allemal 08.5 / 10.0 wert. Wer jedoch etwas gegen gefühlsbetonte Außenseiterdramen oder (allgemein) Menschen mit schwarzen Lederjacken hat, sollte um "Metalhead" einen großen Bogen machen. | |
Thassa | 14.08.2014, 14:28 |
Am I evil?von D.S. | Permalink |
Vor dem METALHEAD kommt der BEHEMOTH: Dem Feature vorangestellt ist ein düsterer s/w-Clip jener polnischen Blackened-Death-Metal-Band, der hinsichtlich des musikalischen Gehalts der isländischen Produktion ein Stück weit auf eine falsche Fährte führt – genau wie das Filmposter, das ein stylisches Corpsepaint-Foto zeigt. Der Großteil des Soundtracks besteht jedoch aus denkbar klassischem Heavy Metal Marke Judas Priest und Diamond Head; den mit dem skandinavischen Kontext sinnfällig zu assoziierenden Black Metal gibt es nur in drei Szenen kurz zu hören, daneben wird – etwas ausführlicher – ein Melodic-Death-Metal-Stück vorgestellt. Das an dieser Stelle reichlich unpassend wirkt, aber dazu gleich mehr. Den Großteil des "normalen" Publikums wird es zwar vermutlich freuen, dass die musikalische Untermalung über die meiste Zeit hinweg auf einem allgemeinverträglichen Niveau bleibt. Die im Poster angelegte "Irreführung" ist allerdings schon ein Zeichen dafür, dass es METALHEAD mit seinen musikalischen Details nicht immer so genau nimmt – auch wenn er unter anderem durch diverse Dialoge eben gerade so tut, als wisse er bestens Bescheid. Was man von einem Film ja eigentlich auch sollte erwarten können, in dem ausgerechnet eine zur Zeit der Handlung (1992) weitläufig noch als "extrem" und "Underground" betrachtete Musikszene eine entscheidende Rolle spielt. Das mag jetzt auf den ersten Blick vielleicht wie Erbsenzählerei erscheinen. Wenn man allerdings mit der Entwicklung dieser Szene ein bisschen vertraut ist, wirkt es durchaus störend unglaubwürdig, wenn sich die Hauptfigur mal eben spontan mit Corpsepaint versieht, nur um dann gleich wieder eine Megadeth-Scheibe aufzulegen oder alte Priest-Heuler auszupacken. Oder auch, wenn ein Black-Metal-Bandprojekt auf der Bühne auf die Schnelle beschließt, zu einem Melodic-Death-Metal-Stück überzuwechseln. Nach nur ein paar Tagen gemeinsamen Probens übrigens. Nicht gerade sehr realistisch, solche Momente. Was schade ist, denn sie nehmen METALHEAD ein Stück seines authentischen Charakters, der das spröde, blasse, bisweilen melancholische Außenseiter-Drama ansonsten auszeichnet. Sehenswert ist es natürlich trotzdem allemal, vor allem aufgrund seiner liebevollen Figurenzeichnung, seiner Klischeefreiheit und Natürlichkeit sowie der darstellerischen Leistungen. Insbesondere die Hauptfigur kann völlig überzeugen und wächst einem sehr ans Herz, die von der Enge und Leere ihres isländischen Heimatdorfes wahnsinnig frustrierte, unverstandene Hera, die auch nach sechs Jahren noch nicht im Geringsten über den Unfalltod ihres von ihr vergötterten großen Bruders hinweggekommen ist. Und über das Zelebrieren ihres Metal-Daseins verzweifelt zu provozieren versucht. Im Kern erzählt METALHEAD natürlich keine neue Story, seine weitgehend nüchtern-authentische Inszenierung und vor allem seine Musik-Thematik (gerade in ihrer speziellen Ausprägung) machen ihn jedoch grundsätzlich definitiv zu etwas Besonderem. Über die gesamte Laufzeit fesseln konnte er mich allerdings nicht – und dass schließlich für meinen Geschmack komplett deplatzierte kuschlige Wohlfühlpädagogik-Botschaften ausgepackt werden, mindert seine ernsthafte Wirkung beträchtlich. Mehr als 6,5 Punkte sind für mich aus den genannten Gründen so letzten Endes nicht drin. Jugenddramen-Freunden dennoch empfohlen. | |
D.S. sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt | 04.09.2014, 04:09 |
Hera und ihr Brudervon Giallorossa | Permalink |
Dieser Film war wirklich großartig! Durch den Tod des Bruders, der am Anfang nur sehr kurz vorgestellt wird, verwandelt sich Hera zum Metalhead und lehnt sich gegen die kleine Dorfgemeinschaft auf. Auch wenn sie immer wieder sagt, sie wolle in die Stadt gehen, bleibt sie in dem Dörfchen, in dem sich die Tragödie ereignete, hängen. Auch der Song über ihren toten Bruder will einfach nicht fertig werden. Dies ist sehr interessant geschildert mit einer ganz tollen jungen Schauspielerin in der Hauptrolle, mit der man jede Sekunde des Films mitleidet bzw. mitfiebert. Auch interessant zu sehen ist, wie Heras Eltern auf unterschiedliche Weise mit dem Verlust umgehen. Ein toll gespieltes Drama in der perfekten Umgebung Islands! Auch für Nicht-Metalheads geeignet. Für Metalfans natürlich umso mehr! | |
Giallorossa sah diesen Film im Cinecitta', Nürnberg | 14.09.2014, 03:25 |
Dunkelheit hilft beim Wachsenvon Leimbacher-Mario | Permalink |
Ich bin mittlerweile der Meinung: man muss zwar nicht jede Art von Musik lieben, feiern, verstehen oder dauernd hören - schätzen & respektieren kann man aber durchaus alles. Ein Hip-Hopper muss anerkennen, dass auch AC/DC abartig geile Musik macht & eine Helene Fischer darf ruhig auch Avicii feiern bzw. vice versa. Daher muss man beileibe kein Metal-Fan sein, um "Metalhead" zu mögen (stören tut es mit Sicherheit aber auch nicht). Denn das isländische Drama um ein Mädchen, das ihren großen Bruder verliert & sich in dessen dunkle Metal-Welt begibt, ist weit mehr als nur eine Ode an diese Musikrichtung. Es ist eine verdammt packende Geschichte einer jungen Frau, die über einen tragischen Verlust wegkommen muss & nur schwer erwachsen wird. Dazwischen der Metal als Kitt, Anker & Katalysator. Obwohl "Metalhead" vor 3 Jahren auf dem FFF der absolute Publikumsliebling war, ist er immer noch ein Geheimtipp. Kein Wunder, schrecken Musik, Thema oder Herstellungsland doch im ersten Augenblick eher ab. Das ist jedoch schade, denn diese Ballade über den Tod & das Wachsen hat das Zeug dazu, sich in jedes Herz zu bohren - egal ob schwarz, weiß oder, am wahrscheinlichsten, ein Grauton. Der Film kommt manchmal etwas zäh & lang rüber, die Geduld zahlt sich jedoch mehr als aus. Überaus emotional, angenehm manchmal durchbrochen durch typisch-trockenen nordischen Humor, erleben wir die Reise eines Mädchens, das nur selten greifbar oder sympathisch wirkt, jedoch tief menschlich, unverstanden & aufgeladen mit kraftvollen Emotionen, die sich dann über den Metal-Lifestyle entladen. Vor allem die Darstellerin der jungen Hera macht ihre Sache grandios & vermittelt genau das richtige Fingerspitzengefühl aus Wut im Bauch & Traurigkeit im Herzen. Dazu kommt eine karge, aber faszinierende Landschaft Islands samt unterkühlter Bilder & ein (wie zu erwarten) grandioser Soundtrack. Selbst wenn der Film weniger Musik enthält, als man erwarten könnte, ebenfalls weitaus weniger harte Stücke. Was ich als Nicht-Kenner der lauten Materie eigentlich fast schon begrüße. Ich musste über den Film überdurchschnittlich lange nachdenken & er wirkt noch immer nach, was absolut für ihn spricht. Wer also nur den Hauch einer Sympathie für das Genre (Metal oder Coming-Of-Age) besitzt, kommt um "Metalhead" einfach nicht herum. Am Ende ist Kopfnicken & Herz öffnen angesagt. Man ist einer Musikrichtung & einem Mädchen näher gekommen, als man es je vorher erwartet hätte. Dickes Nein plus Ausrufezeichen hinter den Satz, dass Metal nur dumme Depression & flache Aggression ist. Fazit: die einfühlsame Seite des Heavy Metal - wundervolles Coming-Of-Age-Drama, das man so, selbst als Kenner des Subgenres, noch nie gesehen hat. Einmaliger Clash der Kulturen & Emotionen, zwar nicht ohne Längen, aber unglaublich ergiebig. Diese Reise in die dunkleren Gefilde der Musik lohnt sich! | |
Leimbacher-Mario | 27.05.2016, 11:30 |
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