"Is That She-Wolf Of The SS?"von Lovecraft | Permalink |
Álex de la Iglesia serviert eine garstige spanische Mediensatire vor dem Hintergrund der Aufzeichnung einer großen TV-Silvestergala (im Oktober!), während vor dem Studio der Arbeitskampf entlassener Mitarbeiter in wüste Straßenschlachten ausartet. "My Big Night" liefert ein irrsinniges Panoptikum bizarrer Gestalten mit böser, oftmals herrlich plakativer Medienschelte in durchweg atemlosem Tempo. Grandios die völlig schwerelose Kameraarbeit und die Choreographie der Bühnenszenen. Zeit zum Durchatmen gibt es nicht. Das erinnert (bewusst) an Klassiker des Wahnwitzes wie "In der Hölle ist der Teufel los" oder "Der Partyschreck". Eine Riesengaudi ist allein, in diesem Wimmelbild auf Zelluloid nahezu sämtliche Hauptdarsteller aus "Witching and bitching" wiederzuentdecken. Dem Applaus nach zu urteilen Publikumsliebling Nr. 1 in Berlin, auch wenn thematisch nur bedingt auf das Festival passend. | |
Lovecraft sah diesen Film im Cinestar, Berlin | 29.08.2016, 12:35 |
Buntes sexy Fun-Feuerwerkvon Alexander | Permalink |
Diesen Film könnte man am besten als spanische Antwort und Hommage an den ganz großen 60s Klassiker „The Party“ (Der Partyschreck) definieren, zieht er den Irrsinn eines oberflächlichen und nur von der nächsten künstlichen Performance lebenden Showbusiness genau so herrlich durch den Kakao, wie seinerzeit der Kracher mit Peter Sellers in der Hauptrolle. Dabei sind die Bilder genauso bunt und Sixty’s Style wie das Makeup und die Frisuren einiger der mir von der ersten Sekunde ihres Auftrittes ans Herz gewachsenen wunderhübsch anzusehenden Aktricen in diesem durchgeknallten, spanischen Spektakel, das sich im Kino auf der großen Leinwand so fett und bunt breit macht, wie seinerzeit der verrückte Knaller aus den 60er Jahren. Ohne Zweifel dürfte auch „My Big Night“ zu einem der zukünftigen Sylvesterparty-„Must sees“ avancieren, und dies nicht nur weil der an Tempo und knalligem Cast nicht mehr zu toppende Partyfilm sich ausschließlich um den Filmdreh einer fürs TV produzierten Sylvester-Show dreht. Alex de la Iglesia haut uns in seinem neuesten Werk dieses Spektakel mit einem so hohen Tempo um die Ohren, dass erfahrene Cineasten auf dem FFF zwar entzückt frohlocken konnten, der ungeübte Zuschauer ansonsten aber permanent überstrapaziert sein dürfte, da der für die Augen höchst anstrengende Wechsel zwischen schnellen Schnitten, bildgewaltiger Szenen und einem auf die Spitze getriebenen Speedy-Gonzales Subtitle-Geplapper nicht immer leicht ist. So wirkt mancher Dialog als wären die Darsteller dauerhaft auf Speed oder Koks, obgleich der Konsum dieser Verbalbeschleuniger zumindest im Film nicht offensiv zur Schau gestellt wird. Ich muss gestehen das ich neidisch auf die des Spanischen mächtigen Filmfreunde in der Reihe hinter mir war, die sich auf die grandiosen Bilder und im Minutentakt herunterregnenden Gags des Films konzentrieren konnten, ohne ständig an den wahnsinnig schnell vorbeirasenden Untertiteln kleben zu müssen. Nichtsdestotrotz macht dieser Film in seiner Originalfassung sicherlich mehr Spaß als in einer vielleicht weniger gelungenen Synchronisation, weil durch die Sprache die verrückte Atmosphäre dieser Speedshow erhalten bleibt. Besonders bemerkenswert an „Mi gran noche“ ist vielleicht, das er sein von der ersten Sekunde an vorgelegtes, irrsinniges Tempo an Dialogwitz und verrückter Einfälle nicht auf halber Strecke einbüßt, sondern uns bis zu seinem Ende konsequent mit Wortwitz, geilen Typen, sexy Chicas und coolen Bildern zudröhnt, so dass eine Lachsalve die nächste jagt und man sich selten zuvor besser unterhalten fühlte. Für mich war „My Big Night“ einer der ganz großen Überraschungen des diesjährigen FFF, den ich aufgrund seines Themas nach Ankündigung zunächst lange links liegen gelassen habe, weil er meiner Meinung nicht „ins Programm“ passte. Doch weit gefehlt, liebe Filmfreunde! „Mi gran noche“ ist einmal mehr der beste Beweis für die Treffsicherheit der Veranstalter, uns die genialsten und unterhaltsamsten, dabei dennoch unkommerziell und ungewöhnlich gemachten Filme zu präsentieren. Ich sage DANKE dafür, diese 90 Minuten waren für mich mit das Beste an Unterhaltung, die ich in diesem Jahr erleben durfte. Ich habe Tränen gelacht. Und sowas auf dem FFF - genial, unerwartet, super. | |
Alexander sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt | 11.09.2016, 21:53 |
"We’ll fix it in the edit"von Herr_Kees | Permalink |
Ein Samenraub, ein Attentat, ein zerstrittenes Moderatorenpaar, ein alternder Schlagerstar mit Allüren und einer Darth-Vader-Garderobe, ein attraktiver Bad-Luck-Charm, ein Haufen gewalttätiger Demonstranten vor der Tür und ein harmloser Statist, der von seiner Zeitarbeitsfirma zu dieser Silvesterparty-Aufzeichnung aus der Hölle befohlen wird (die im Übrigen bei seiner Ankunft schon anderthalb Wochen andauert). Álex de la Iglesia gibt ganz schön Gas, um diese und all die anderen Figuren und Handlungsstränge in rund 90 Minuten unterzubringen. Die Untertitel wechseln entsprechend in Rekordzeit und es fällt in dem ganzen Chaos nicht immer leicht, jede Story zu verfolgen. Auch dem Regisseur nicht. Aber das tut dem Spaß keinen Abbruch, denn MY BIG NIGHT ist durchgehend kurzweilig und bietet genügend Gags und Verwicklungen, um den Zuschauer bei Laune zu halten – es muss ja nicht immer große Filmkunst sein, guter Boulevard tut’s manchmal auch. | |
Herr_Kees sah diesen Film im Metropol, Stuttgart | 11.09.2016, 23:53 |
Show Infernale Genialevon Leimbacher-Mario | Permalink |
Wie "8 1/2" auf Speed oder der spanische Musikantenstadl auf zehn Adrenalinshots - "My Big Night" hat mich ganz kalt erwischt, dann heiß gemacht, mich explodieren lassen & mir mit den meisten Spaß gebracht, den ich 2016 im Kino hatte. Nicht nur auf dem Fantasy Filmfest. Allgemein. There’s No Business Like Showbusiness indeed! Das ist kein Wahnsinn mehr, keine comichafte Fast-Forward-Parodie oder Satire auf das TV-Geschäft - dieser Speed Demon macht keine Gefangen, dreht auf 11 (mindestens) & ist eines der kinetischsten Filmerlebnisse des Jahres. Es ist im Grunde genommen ein Ensemblefilm im Stile von Robert Altman - nur eben auf bewusstseinserweiternden Mitteln. Und das kommt einem nicht nur spanisch, überdreht & hysterisch lustig vor, dieses explodierende Etwas von Film scheint wirklich auf Drogen. Es geht um viele kleine chaotische Handlungen & Personen am Set einer TV-Aufzeichnung. Mitten im Oktober, für Silvester, dann wird auch noch ein Statist erschlagen & das Chaos nimmt seinen Lauf. Der Film kommt nie zur Ruhe, direkt zum Punkt & das ist auch gut so. Er ist fast schon zu schnell & wie gerne hätte ich heute Spanisch gekonnt - denn die Untertitel schossen an mir vorbei wie die Missgeschicke auf, neben, unter & hinter der Bühne. Das kann überfordern, dass kann jedoch auch alle Sinne zum Glühen bringen. Die Spanier sind oft aufgedreht, fix & übertrieben emotional - doch hier wird alles so weit gesteigert, bis es schlicht explodieren muss. Und das tut es in der genialsten & charmantesten Weise. Die Optik ist gespickt mit coolen Ideen, Schauwerten & Kommentaren auf die spanische TV- & Popkultur aller Jahrzehnte. Dazu wunderschön verrückte Figuren, die wildesten, sexiesten Frauen & die absurdesten Plots. Und die gut ein Dutzend Charaktere, und das sind nur die Hauptfiguren, gleichberechtigt zu halten & alle Plots so übersichtlich in all dem Chaos zu balancieren & später aufzulösen, ist nicht weniger als eine Meisterleistung. Dazu ein paar echte Ohrwürmer ("Scandalo!"), Witze, die wie ein Bühnenfeuerwerk einfach nicht aufhören & ein Rhythmus, der einen von einem Lachflash zum nächsten jagen kann. Wer auf Grund der Schnelligkeit & Abstrusität nicht sofort aufgibt, bekommt hier die feurigste Achterbahnfahrt des Jahres! Fazit: Licht aus, Spot an, Mann tot - und die Lachmuskeln auch. Nicht nur De La Iglesias bester Film seit "El Dia De La Bestia", sondern schlicht einer der besten spanischen Filme aller Zeiten. Eine höllisch-spaßige High-Speed-Toure-de-Force durch das Showbusiness! | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 12.09.2016, 02:53 |
Schaumschlägervon D.S. | Permalink |
Das Fernsehen ist der größte Schaumschläger, den es gibt. Es inszeniert eine perfekte Welt voller bunter Unterhaltung und glücklicher Menschen; und es ist bereit, alles dafür zu opfern – allen voran Integrität und Ehrlichkeit. Diese Sicht der Dinge präsentiert uns zumindest MY BIG NIGHT, das neueste Werk von Álex de la Iglesia, der sich längst vom Underground-Liebling zu einem der etabliertesten Regisseure Europas gemausert hat, seine Genre-Wurzeln jedoch nie verleugnet. Ganz im Gegenteil: Der erste von zahllosen skurrilen Höhepunkten seines jüngsten Films besteht darin, dass ein Mitglied des Studiopublikums einer TV-Aufzeichnung mit einem tonnenschweren Kamerakran buchstäblich plattgemacht wird. Feingeistigkeit gibt’s glücklicherweise woanders; MY BIG NIGHT ist eine spektakuläre, wilde, laute Feier des schlechten Geschmacks, der schlechten Menschen und des schlechten Ausgangs von exzessiv ineinander verwobenen Geschehnissen bei der Produktion schöner Bilder – die der Realität ihrer Entstehungsbedingungen spotten. Wir befinden uns am Set eines spanischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders, der bereits im Oktober die große Silvestergala 2015/16 aufzeichnet. Und das bereits seit zehn Tagen, denn irgendetwas läuft immer schief. Tolle Tanzchoreographien, alte und neue Musik-Stars mit ihren großen Hits, launige Sprüche des Moderatorenpärchens, ein begeistertes Saalpublikum – schön wär’s. Tatsächlich können die Statisten mit Sektattrappen in ihren Gläsern langsam nicht mehr dauergrinsen, kämpfen die Stars mit unsaubersten Methoden gegeneinander und für ihren Ruhm, zerfleischen sich die Moderatoren und Angestellten des Senders hinter und in den Kulissen nach allen Regeln der Kunst. Dazu kommen dann noch militante Demonstranten vor dem Studiogelände, die gegen Massenentlassungen protestieren, sowie ein paar waschechte Psychopathen mittendrin im Geschehen – und das fröhliche Chaos-Harakiri kann seinen Lauf nehmen. MY BIG NIGHT ist ungeheuer farbenfroh und energiegeladen, allerdings auch, typisch spanisch, etwas theatralisch geraten. Dutzende Storys entfalten sich gleichzeitig nebeneinander, fast jeder ihrer Protagonisten hat einen schweren Hau weg – mein Favorit: der vom iberischen Sänger „Raphael“ (Miguel Rafael Martos Sánchez) verkörperte, alternde Schlagergott "Alphonso", der wie ein Udo Jürgens auf Steroiden wirkt und so skrupellos egozentrisch wie unübertrefflich charismatisch ist. Diven sind hier aber auch fast alle anderen Figuren – und das kann auf Dauer mitunter dann doch etwas anstrengend sein, denn die Handlung bietet keine Sekunde lang Raum für Subtilität. Oder überhaupt mal eine Atempause. Ein Feuerwerk der Niederträchtigkeiten, bösen Pointen und bizarr krankhaft gezeichneten Charaktere: MY BIG NIGHT ist die grelle, aggressive, monströs aufgepumpte und mit dickem Almodóvar-Touch versehene Version einer Ensemble-Inszenierung von Woody Allen aus den 90ern; vollgepackt mit schrägen kleinen, miesen feinen Geschichten, die allesamt in einem glorreichen Drunter-und-Drüber münden. Sehr laute, überdrehte Unterhaltung, manchmal leicht anstrengend und ultimativ aussagelos, dafür mit viel Raffinesse und Detailverliebtheit umgesetzt: gute 7 Punkte, der perfekte Film für jede Silvesterparty – wenn auch selbst eigentlich nur ein Schaumschläger. | |
D.S. sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt | 13.09.2016, 03:46 |
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