Piercing

Kiri-kiri-kiri

von Lovecraft
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Optisch und akustisch ist der neue Streifen von Nicolas Pesce ein Hochgenuss, da eine tiefe Verbeugung vor der 70er Giallo-Ästhetik. Eigentlich reicht für einen Kinobesuch schon das Tenebre-Theme zum Abspann in voller Dröhnung aus.

Und doch stellt der Film letztlich eine ziemliche Enttäuschung dar, da die fast nicht vorhandene Story auch noch in Ansätzen steckenbleibt und den Zuschauer restlos unbefriedigt und unbeteiligt zurücklässt. Da können auch die vorzüglichen Darsteller nicht viel retten.
Lovecraft
sah diesen Film im Cinestar, Berlin

14.09.2018, 11:12


No Pain, No Gain!

von Leimbacher-Mario
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Nach dem eindringlichen Debüt-Geniestreich "The Eyes of My Mother" hätten meine Erwartungen und Hoffnungen an die zweite Regiearbeit des jungen Italieners Nicolas Pesce kaum höher sein können. Und obwohl ich noch immer von seinem Talent überzeugt und teilweise angetan bin, konnte mich dieses sadomasochistische Psychoduell zweier kaputter Seelen nicht ansatzweise so flashen wie sein schwarz-weißer Fiebertraum vor zwei Jahren.

Es gibt ein paar harte, trippige Momente der Klarheit und den giallo-lastigen, smoothen Score (u. a. von Goblin und bekannt aus einigen Argento-Classics) möchte man sich direkt in die Sammlung stellen, zudem hat mir Mia Wasidingsbums noch nie so gut gefallen wie hier und die Ausstattung ist stylisch wie das komplette Ding dunkel. Nur leider ist das cronenberg’sche Kammerspiel doch arg trocken, anstrengend und verkrampft geraten, erzählt über seine unsympathischen, kranken Figuren unterkühlt so gut wie gar nichts und tritt, zugegeben höchst stilvoll, meist auf der Stelle. Das hat faszinierende Höhepunkte und einen bizarren, oldschooligen sowie gleichzeitig futuristischen, menschenverachtenden und von genüsslichen Schmerzen durchzogenen Vibe, doch mir war das zu verkopft, zu leer, zu gewollt. Wir wurden nicht warm miteinander. Vielleicht fehlen mir aber auch einfach die SM-Tendenzen.

Fazit: Painkiller in ihrem natürlichen Lebensraum, eine seltene Spezies... Pesces zweiter Spielfilm hat seine extremen Momente, wirkt insgesamt aber spannungsarm, langatmig (bei kurzer Laufzeit) und trotz Extremität austauschbar und schnell vergessen. Im besten Fall noch interessant. Eine milde Enttäuschung!
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

19.09.2018, 23:35


Do you really want to hurt me?

von Herr_Kees
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Splitscreen, schwarze Handschuhe, Goblin auf der Tonspur und ein Hotelzimmer, dessen Regale mit gelben Büchern gefüllt sind. In den ersten Minuten könnte man meinen, Regisseur Nicolas Pesce hätte mit seinem neuen Film eine Giallo-Hommage beabsichtigt, spätestens bei den „Trockenübungen“ des ungeübten Killers rutscht der Film jedoch in absurde bis alberne Gefilde ab und erholt sich von diesem Tonwechsel auch nicht mehr.

Was soll das werden oder sein? Eine Retro-Parodie? Eine Stilübung? Eine SM-Liebesgeschichte?

Nach Pesces sehr eigenständigem und ungeheuer wirksamem Debut THE EYES OF MY MOTHER kommt man nicht umhin, diesen Film als Vergeudung von Talent zu sehen, eine Genrespielerei ohne Handlung, Sinn und Verstand, die andere Filme (AUDITION, TENEBRAE) und Regisseure (Argento, De Palma) zitiert, ohne ihnen eine Bedeutung oder Einordnung zuzuweisen. In der Filmographie Pesces wird sich PIERCING hoffentlich nur als marginale Fußnote erweisen.
Herr_Kees
sah diesen Film im Metropol, Stuttgart

29.09.2018, 01:17


Delirierend

von D.S.
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In Deutschland ist Ryu Murakami spätestens mit seinem hierzulande 2006 veröffentlichten Tokyo-Hardboiled-Thriller IN DER MISOSUPPE bekannt geworden; ein extrem nihilistisch wirkendes, mit verstörenden Szenen voller Sex, Gewalt und sexueller Gewalt gefülltes Krimi-Werk, das eine ganz eigene, atemlose, intensive Sprache spricht. FFF-Gängern sogar noch präsenter ist vermutlich sein ebenfalls 1997 geschriebener AUDITION, der Takashi Miike als Vorlage für seinen gleichnamigen Film diente.

Murakami steht für alles andere als leichte, konventionelle Kost, und insofern ist es passend, dass sich nun mit Nicolas Pesce wieder ein Regisseur an die Verfilmung eines seiner Bücher gewagt hat, der selbst bereits durch eine ziemlich schmerzhafte Arbeit aufgefallen ist. Verglichen mit seinem THE EYES OF MY MOTHER fühlt sich PIERCING nun allerdings geradezu harmlos an – blutig, bizarr und unangenehm in Details, im Gesamten aber eher nett schräg als grund-depressiv.

Gemeinsam mit der Hauptfigur Reed (Christopher Abbott, IT COMES AT NIGHT) – einem nicht genauer definierten Yuppie, der an einem nur unwesentlich genauer definierten Kindheits-Trauma leidet – delirieren wir hier durch ein zwischen Fetisch, Folter und völligem Fuck-up wechselndes Geschehen. Elegant ließe sich dieses vielleicht mit „schmerzaffiner Psychopath trifft schmerzaffine Psychopathin“ zusammenfassen, konkreter mit „Mordversuch trifft auf SM-Prägung, und beide laufen aus dem Ruder“.

Elegant gibt sich PIERCING allerdings nur in seiner Inszenierung – hier werden auf stilvolle Weise Ton- und Bildzitate klassischer Giallos zu einer formvollendeten 70s-Hommage zusammengeführt; alleine schon die Goblin-Songs im Vor- und Abspann lohnen den Kinobesuch. Und ähnlich wie in ELIZABETH HARVEST feiert der Splitscreen fröhliche Urstände. Die Handlung dagegen konzentriert sich eher aufs Drastische, hier wird häufig hemmungslos gehackt und geblutet und vor allem halluziniert, was auch mal in bunt-apokalyptischen Endzeitszenarien mündet.

Wer Wert auf Erklärungen oder auch nur auf kohärente Storys legt, wird von PIERCING vermutlich eher unbefriedigt zurückgelassen. Hier werden wesentliche Handlungsmotivatoren nicht erörtert und sperrangelweit offene Fragen nicht beantwortet; hier geschieht neben obskurem Selbst- und Fremdverstümmeln zu wenig von Belang; hier ist viel zu abrupt und ohne Auflösung plötzlich einfach Schluss. Um den Film zu mögen, braucht man neben einer grundlegenden Lust am Bizarren vermutlich eine hohe Toleranz für sinnfreien Style und eine Vorliebe für albtraumhaft eskalierende Gewalt-Szenarien sowie seltsame, gefährliche Frauen.

Schmeckt wie ein giftiges Bonbon, befriedigt nur manche sinnlichen Bedürfnisse, diese allerdings so überbordend, dass ich stellenweise gar nicht anders konnte als selig zu lächeln: 6,5 hingerissene Punkte von mir.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

30.09.2018, 04:14




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