Verhext und zugenähtvon D.S. | Permalink |
Ach, Neil Marshall. THE DESCENT ist für mich immer noch einer der intensivsten Genrefilme des neuen Jahrtausends und spätestens seitdem hast du bei mir einen Stein im Brett. Aber was hast du dir denn hierbei gedacht? „Based on "Red Hex"“, heißt es im Abspann. Keine Ahnung, worum es sich dabei handelt, aber möglicherweise ist diese Vorlage ja Schuld am Trash-Desaster, das THE RECKONING geworden ist. Wobei "Red Hex" sicher nichts für Marshalls Entscheidung kann, die Hauptrolle der Grace Haverstock mit seiner Verlobten, Charlotte Kirk, zu besetzen. Die ist zwar hübsch anzusehen, hat aber das mimische Ausdrucksvermögen eines Bettpfostens und fällt ansonsten vorwiegend dadurch auf, dass ihre Figur stets absolute Contenance und ein makelloses Antlitz bewahrt: Selbst nach tagelangen Folterungen sitzen Make-up und Frisur perfekt; lange Kerkerhaft hinterlässt weder an ihrer Physis noch an ihrer Kleidung die geringste Spur. Aber wer weiß, vielleicht liegt das ja daran, dass Grace tatsächlich eine Hexe ist – wie ihr mieser fieser Vermieter Pendleton (Steven Waddington, HALO: NIGHTFALL) in dieser „Old-England Folktale“ behauptet, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts angesiedelt ist und in Ungarn gedreht wurde. Nach dem pestbedingten Tod ihres Ehemanns macht er ihr unmoralische Avancen, die sie empört von sich weist. Und das genügte in jener Zeit ja wirklich schon, um sich auf der Anklage- bzw. Folterbank wiederzufinden. Dort steht ihr in der zweiten Filmhälfte Chefhexenjäger Moorcroft gegenüber, gespielt von Sean Pertwee (GOTHAM), dessen Figur als eine der wenigen wichtigeren in diesem Machwerk halbwegs glaubwürdig wirkt, seinem extra-zwirbeligen Schnurrbart der Grotesk-Klasse zum Trotz. Aber Grace lässt sich nicht so leicht brechen. Und dann gibt sich auch noch der Leibhaftige ein Stelldichein – oder bildet sich unsere Landpomeranze das alles gar nur ein...? Vielleicht hatte Neil Marshall ja ein grimmiges Update von WITCHFINDER GENERAL im Kopf. Einen ernstzunehmenden Genrebeitrag. Der ist bei der Umsetzung aber absolut nicht herausgekommen – sondern viel eher eine wohl unfreiwillige Parodie, die speziell in den Darstellerleistungen und Dialogen oft fatal an eine Schultheateraufführung erinnert. THE RECKONING ist tatsächlich Theatralik pur; vom permanente Fremdscham erzeugenden Overacting fast aller Darsteller über den pompösen Score bis hin zu peinlichen Inszenierungsideen wie der Szene, in welcher Pendleton in dämonischem Tonfall in den Raum ruft: „Did somebody say... Witch?!“ – was, ganz ernsthaft, von Donnerhall und zuckenden Blitzen gefolgt wird. Das gibt den „Blücher!“-Gedächtnispreis! Nein, THE RECKONING ist kein neuer WITCHFINDER GENERAL, er ist höchstens das deformierte Love-Child einer verunglückten Affäre vom WITCHFINDER GENERAL mit FRANKENSTEIN JUNIOR und einem Black-Metal-Plattencover aus den 80ern. Damit kann man bestimmt Spaß haben, jedenfalls mit den richtigen Freunden und ein paar Flaschen Bier. Irgendetwas „in der heutigen Zeit Relevantes“ gibt es aber bei aller Liebe nicht zu entdecken, der entsprechenden Behauptung Neil Marshalls im FFF-Video-Intro zum Trotz. Für Nüchterne heben zumindest die schicke Haupt-Location (eine originale mittelalterliche Burg), das adäquate Produktionsdesign und die akzeptable Kamera den Film über Vollversagen-Niveau. Mehr als sehr großzügige 4 Punkte sind aber trotzdem nicht drin. Es sei denn, man hat ein Faible für Trash de luxe. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 14.09.2020, 23:47 |
„Nobody expects the Spanish Inquisition!“von Herr_Kees | Permalink |
Schon die erste Einstellung sorgt dafür, dass man Marshall seinen gesamten folgenden Film nicht abnimmt: Hauptdarstellerin (und Co-Autorin sowie aktuelle Flamme des Regisseurs...!) Charlotte Kirk sieht mit ihren gezupften Augenbrauen, den geschminkten Lippen und ihrem perfekt weißen Hollywood-Gebiss nicht nur aus wie Alexandra Neldel oder Veronica Ferres in einer ARD-Schmonzette, sie spielt auch so. Überhaupt sehen fast alle Darsteller mit ihren gepflegten Zähnen nicht mal aus wie Engländer, geschweige denn wie Engländer im Mittelalter. Sogar die Ratten hier sind sauber. Leider macht es auch die Dramaturgie nicht besser, der Film ist völlig klischeehaft und bisweilen auch arg plump inszeniert, manche Szenen bewegen sich gefährlich nahe an der Grenze zum Monty Python Sketch („Confess!“), dazu gesellen sich unfreiwillig komische Traumsequenzen, die mit ihren Makeupmonstern wohl helfen sollen, den Film als Hexenhorror zu vermarkten (was irreführenderweise auch im Programmheft angedeutet wird). Das Geld hätte man mal lieber in ein paar Zahnprothesen investiert, um wenigstens einen Aspekt des Films richtig hinzubekommen. Denn auch Exploitationfreunde kommen hier kaum auf ihre Kosten, die Folterszenen finden zumeist offscreen statt. Und so sieht unsere Heldin Charlotte Kirk auch nach allem, was sie „durchgemacht“ hat, immer noch aus wie auf einem Cover der TV Spielfilm. Neil Marshall hat neben seinen eigenen Klassikern (DOG SOLDIERS! DOOMSDAY! THE DESCENT!) einige der besten und herausforderndsten Episoden von GAME OF THRONES inszeniert – allerdings garantiert mit einem deutlich höheren Budget als hier. Vielleicht sollte er sich auch in Zukunft auf hoch budgetiertes Premium-TV konzentrieren, anstatt mit Filmen wie HELLBOY und diesem hier über kurz oder lang den Weg anderer großer Genreregisseure wie Argento und Carpenter zu gehen. | |
Herr_Kees sah diesen Film im Metropol, Stuttgart | 27.09.2020, 23:51 |
Für Charlottevon Leimbacher-Mario | Permalink |
Frauen, Liebe, Sex – all das kann in der richtigen Kombination dem mächtigsten Mann den Kopf verdrehen. So muss es dem guten Neil Marshall auch ergangen sein, als er mit der attraktiven und ehrgeizigen Charlotte Kirk anbandelte (die probierte das übrigens nicht nur bei ihm, sondern auch mit einigen in der Hollywoodhierarchie noch wesentlich höheren Herrschaften!). Und dann wird natürlich irgendwann auch ein Film fällig, der der „netten“ Maid auf den knackigen Leib geschneidert ist. Und da wären wir bei „The Reckoning“, einer Geschichte über Hexenverfolgung, Folter und scheinbar unkaputtbaren Lippenstift. Oder so ähnlich. Das mag gehässig und etwas zu negativ klingen, denn ich halte „The Reckoning“ jetzt nicht für eine waschechte Gurke, er hat sogar echt starke, saftige, neblige und nackte Momente für meinen Geschmack, aber der richtige Film um sich aus dem erschreckenden „Hellboy“-Tief zu befreien sieht natürlich anders aus... „The Reckoning“ würde gerne irgendwo in die großen Fußstapfen von „Hexen bis aufs Blut gequält“, „Passion of Joan D'Arc“ oder „Witchfinder General“ treten, stolpert dabei aber doch etliche Male über die eigenen, billigen Beine. Charlotte Kirk ist nahezu in jeder Szene und auch sehr ansehnlich, zeigefreudig, sicher nicht komplett unbegabt. Es wird auch fies gefoltert (meist aber leider im Off), einige Splattereien sind erfreulich handfest und man sieht solche cheesy Mittelalterschinken und B-Movies nicht mehr allzu häufig auf diesem Niveau, mit diesem Budget. Die Teufelskreaturen sehen hier z. B. fabelhaft aus und zwischendurch blitzt alte Könnerschaft Marshalls durch. Doch insgesamt ist das oft lächerlich, ermüdend und nicht ansatzweise auf dem Niveau, das der Herr vor 15 Jahren noch erreichen konnte. Ich hoffe, nun sind alle „Schulden“ beglichen und das nächste Projekt rückt seiner Madame Kirk etwas vom Leib. Fazit: Auftragsarbeit für seine Geliebte/Muse? Hochglanztrash? Haarspray für Hexenjäger? Zurück zu den Wurzeln für Marshall? Hexen und Zuschauer bis aufs Mark gequält? Das andere Ende des „Fanny Lye“-Subgenres? Gurkenalarm? Mittelalter-TV-Werbung? Pandemie-Nostradamus? Vanityprojekt? Drei-Folter-Taft? Witchhunter Penneral? Muss das weit über 100 Minuten gehen? Mmmmh. Keine klare Gurke für mich. Aber toll genauso wenig. Coole, handgemachte Teufelchen. Sexy „Hexy“. | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 28.09.2020, 16:42 |
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