Dark Water

Dunkle Wasser sind nicht immer tief.

von D.S.
Wie ja schon des öfteren festgestellt wurde: nur wenig kann für einen Film so tödlich sein wie eine falsche Erwartungshaltung seines Publikums. Neben MATRIX: RELOADED ist für mich DARK WATER das vielleicht beste Beispiel, um dies zu belegen - und ein unbedingter Kandidat für eine Warnung an alle, die sich weiß-Gott-was von diesem Film erwarten. Der Hype um RINGU, das Meisterwerk von Regisseur Hideo Nakata, hat sich - nicht zuletzt dank des Hollywood-Remakes - in einem solchen Maße hochgeschaukelt, daß offenbar schon vielfach die Erwartung vorherrscht, jeder Film von Nakata müsse auf eben solche Weise überraschen und schockieren können wie RINGU. DARK WATER widerlegt das nachdrücklich. Er ist durchaus kein schlechter Film. Aber eben durchaus auch kein besonderer, neuartiger, überraschender. Käme er von einem x-beliebigen Regisseur, wäre das kein Beinbruch. Vom RINGU-Meister stammend, allerdings... könnte die "Gewöhnlichkeit" von DARK WATER dazu führen, daß die Enttäuschung bei vielen maßlos ist.

Aber der Reihe nach. Im bewährten grau-braunen, trüben Look präsentiert uns der Film eine nicht eben schicke japanische Wohngegend, in der Yoshimi Matsubara mit ihrer fünfjährigen Tochter ein Appartement besichtigt. Recht heruntergekommen ist das Haus, ist erst recht die Wohnung - aber dennoch zieht man ein. Um bald feststellen zu müssen, daß hier noch mehr im argen liegt, als es zuerst den Anschein hatte: aus der Decke tropft beständig Wasser, und das "Leck" breitet sich rasch aus. Aber weder Hausverwaltung noch Makler fühlen sich zuständig. "In alten Häusern ist das nun mal so." Offenbar ist es in alten Häusern auch so, daß eine rote Kinder-Handtasche wieder und wieder auftaucht, egal, wie oft man sie wegwirft. Und daß seltsame Schemen durch die Gänge und über die Dächer huschen...

Yoshimi hat aber viel dringendere Sorgen: die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle, der Kampf um das Sorgerecht für ihre Tochter. Ihr Ex-Mann ist ein ausgemachter Fiesling, der mit den unsaubersten Mitteln versucht, sie zu diskreditieren. So tischt er der zuständigen Behörde die Mitteilung auf, daß Yoshimi vor 10 Jahren in Behandlung bei einem Psychoanalytiker war, und schnappt sich die gemeinsame Tochter einfach, als Yoshimi sie zu lange vor dem Kindergarten warten ließ...

Yoshimis Nervenkostüm ist also ohnehin extrem belastet. Dazu kommen immer beunruhigendere Geschehnisse in Haus und Wohnung... und eine permanent wachsende Atmosphäre der generellen Anspannung und Bedrohung, die schließlich in einer Nacht der Erscheinungen und Entdeckungen kulminiert...

Klingt gut, und ist es zum Teil auch: atmosphärisch stimmig, in teils sehr schönen Bildern festgehalten (insbesondere eine fast bernsteinfarbene Traumsequenz beeindruckt), mit einem Ende versehen, das sich zwar unaufhaltsam ankündigt, so dann aber doch nicht zu erwarten war. Dennoch konnte mich DARK WATER nicht begeistern, und das hat mehrere Gründe. Zum einen wäre hier das Tempo des Films zu nennen: sicherlich trägt seine Langsamkeit dazu bei, den Betrachter in der Atmosphäre versinken zu lassen, die das Haus ausstrahlt. Doch immer und immer wieder wird man herausgerissen, und das nicht etwa durch Schocks - sondern durch eine viel zu große Zahl an Szenen, die im Freien oder an storytechnisch eher irrelevanten Orten spielen. So verursacht das niedrige Erzähltempo statt Atmosphäre, im ganzen betrachtet, leider häufiger nur ein Gefühl von Zähheit. Ähnliches gilt für die ausufernden Nebenhandlungsstränge. Natürlich trägt es zur Tiefe etwa der Figur Yoshimis bei, Einblick in die verschiedenen Aspekte ihres Lebens zu gewinnen, ihre Sorgen mitzuerleben. Allein, dies ist großteils recht beliebig inszeniert, lenkt den Erzählfluß in gemächliche Bahnen.

Wer nun denkt, daß eine solche "Beruhigung" des Tempos ja vielleicht dem Zweck diene, ähnlich wie in RINGU Schockmomente noch angsteinflößender wirken zu lassen, hat zwar grundsätzlich recht. Aber es gibt eine entscheidende Einschränkung: im Gegensatz zu RINGU funktioniert hier fast keine der "Herzstillstands-Sequenzen". Denn sie sind, wie auch fast der komplette Storyverlauf bzw. das große "Geheimnis" der Geschichte, weitestgehend vorhersehbar. Ganz im Ernst: Wer sich von den entsprechenden Momenten der Inszenierung noch überraschen läßt, und wer nicht spätestens nach der Hälfte des Films wenigstens ahnt, wohin die Reise geht, sollte vermutlich häufiger mal wieder ins Kino gehen.

Hiervon war ich wirklich enttäuscht: vom Regisseur des innovativen, mit ungesehenen Bildern arbeitenden RINGU eine so abgegriffene, teils voller Klischees steckende Geschichte erzählt zu bekommen, hätte ich nicht erwartet.

Eben: ich hatte etwas anderes erwartet. Und bin darum in meinem Urteil vielleicht nicht ganz fair. Denn der Film hat seine starken Momente, bietet gute schauspielerische Leistungen, ist (zwischenzeitlich) atmosphärisch sehr dicht, ist inhaltlich konsequent zu Ende gedacht worden. Aber man wird das Gefühl nicht los, daß man ihn nicht mit der nötigen Ruhe und Übersicht - oder mit der nötigen Liebe produziert hat.

Geht es darum, sich "heute abend mal einen Horrorfilm anzusehen", gebe ich eine fast uneingeschränkte Empfehlung für DARK WATER ab.

Erwartet man ein verstörendes Meisterwerk wie RINGU - leider nur 6,5 Punkte.
D.S.

23.07.2003, 00:35



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