crazy

Bronson

Any Film you want

von GeorgeKaplan
Ein Mann prügelt sich durch. Ohne Sinn, ohne Verstand, alleine als sein Ausdruck zu sein: Ich schlage zu, also bin ich. Das "Uhrwerk Orange" des neuen Jahrtausend. Anscheinend kommt man um diesen Vergleich bei "Bronson" nicht herum.

Stanley Kubricks "Uhrwerk Orange" ist unbestritten eines der provokativsten und zugleich faszinierendsten Werke der Filmgeschichte, eine wahnwitzige Ästhetisierung von Gewalt: Alex kommentiert seinen Werdegang in seiner Nadsat-Sprache, während Kubrick durch - zum Teil elektronisch verfremdete - klassische Musik subtile, ironische Akzente setzt. Die Genialität bestand unter anderem darin, Stücke auszuwählen, die auf den ersten Blick so gar nicht zum Gezeigten passen, der Szene aber zu einem ganz eigenen Rhythmus und Wirkung verhalfen: "Wilhelm Tell" während einer in Zeitraffer gezeigten Orgie, "Die diebische Elster" zu einer Schlägerei mit einer rivalisierenden Gang, und selbstverständlich Beethovens Neunte, zu der Alex unter anderem onaniert. Freude schöner Götterfunken.

Und "Bronson"? Was ist an der "Nacht" aus Richard Strauss Alpensinfonie zur Einzelhaft in der Dunkelheit, Verdis Gefangenenchor aus "Nabucco" oder gar an "Madame Butterfly" in einer Szene, in der Bronson zu einem imaginären Publikum mit zwei Gesichtern spricht, genial? Es ist die naheliegendste musikalische Untermalung, die denkbar ist, und wenn dann noch Wagners "Götterdämmerung" erschallt, ist von dem ironischen Spiel, das Kubrick mit der Musik trieb, zugunsten einer unglaublichen Plattheit und Pathetik nichts mehr übrig. "Bronson" hat bei der Musikauswahl die Subtilität einer Bratpfanne.

Auch die Metaebene nutzt "Bronson" nicht, um eine Distanz zu schaffen, einen ironischen Kommentar zu geben oder sonst irgendwie Stellung zu nehmen. Zwar gibt es den bereits erwähnten Diskurs mit Bronson und seinem Publikum, anders als in "Uhrwerk Orange", in der Alex’ Kommentar das Bild begleitet, unterbricht der Film hierfür seinen Erzählfluss. Ob und wie ein Zusammenhang zum Gezeigten besteht, darf sich dann der Zuschauer selbst ausmalen.

Und hier fängt die Beliebigkeit des Films an. "Bronson" gibt sich vordergründig provokativ, nimmt aber zu keinem Zeitpunkt eine wie auch immer geartete Haltung an, alles wird relativiert. Wer den Film etwa politisch sehen will, als Anklage gegen das englische Rechtssystem und seine drakonische Strafen, wird später Zeuge, wie alle Versuche dieses System, Bronson zu helfen, gnadenlos von ihm zusammengeknüppelt werden. Wenn "Bronson" eine Fassungslosigkeit und Leere hinterlässt, liegt das am naheliegendsten Grund: "Bronson" macht die Beliebigkeit zum Programm. Er will gar nicht anecken oder erfasst werden, weder formal noch inhaltlich. Bezeichnend hierfür ist die Szene, in der Bronson seinen Wärter als Geisel nimmt. Als der Gefängnisleiter fragt, was Bronson will, hat Bronson keine Antwort. Nach einiger Überlegung antwortet er dann mit einer Gegenfrage: Was bietest du denn an?

Sollte "Bronson" in Deutschland erscheinen, wird er unzweifelhaft zum Liebling der Feuilletonisten. Wir werden lange Abhandlungen über den Film und seine Facetten erhalten, die im Film zwar nicht enthalten sind, die man aber, wenn man möchte, darin sehen kann, und die mehr über den Schreiber als über den Film aussagen. "Bronson" bietet sich dankbar dafür an.

Aber ein größerer Kontrast zu "Uhrwerk Orange" ist nicht denkbar.
GeorgeKaplan
sah diesen Film im Cinedom 9, Köln

03.09.2009, 20:01



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