crazy

Infernal Affairs

Größe zeigen.

von D.S.
Vom ersten Moment an (na gut, sagen wir, sobald das gräßliche "Media Asia"-Logo verschwunden ist) weiß man: hier haben wir es mit großem Kino zu tun. Epische Erzählweise, eine intelligente Geschichte und brillante Schauspielerleistungen verweben sich in "Infernal Affairs" mit relativ hohen Production Values auf eine Weise miteinander, die es nicht verwunderlich erscheinen läßt, daß der Film zu einem der größten asiatischen Publikumserfolge der letzten 10 Jahre wurde.

Dabei ist seine Story weder außergewöhnlich originell noch besonders spektakulär in Szene gesetzt: Wir verfolgen die äußeren wie inneren Konflikte von Yan (Tony Leung), der bereits ein Jahrzehnt lang als Undercover-Cop verschiedene Triaden-Gruppen unterwandert und mit ausgehoben hat, sowie die von Ming (Andy Lau), der seinerseits als Spitzel tätig ist - allerdings als Spitzel für Yans derzeitigen Boss (erstaunlich bedrohlich und skrupellos: Eric Tsang), eingeschleust und sehr erfolgreich im Organized Crime & Triad Bureau der Polizei Hong Kongs, der Abteilung zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Mings Vorgesetzter Wong (erstaunlich zurückgenommen: unser Lieblings- und Oberpsycho Anthony Wong) vertraut nun ausgerechnet Ming die Aufgabe an, den Spitzel in den eigenen Reihen ausfindig zu machen... und ähnliches passiert auch Yan... während beide gleichzeitig von ihren EIGENTLICHEN Chefs damit beauftragt werden, den Spitzel auf der jeweils anderen Seite aufzudecken. So machen Yan und Ming also Jagd aufeinander, und letztlich auch auf sich selbst, wobei bald klar wird, daß sie sich entscheiden müssen, auf welcher Seite sie eigentlich stehen...

Natürlich steht und fällt ein solcher Inhalt mit den Leistungen der Darsteller - und die sind ohne Ausnahme als großartig zu bezeichnen. Auch die Inszenierung überzeugt, indem sie auf laut donnernde Effekte und ein hohes Erzähltempo bewußt verzichtet, sich dafür Zeit läßt für genaue Charakterisierungen ihrer Hauptfiguren und das überzeugende Etablieren der mehr und mehr ausweglos scheinenden Situation, in der diese sich befinden. Ehrlich gesagt war ein so "ruhiges" Charakterdrama, ein fast altmodischer HK-Heroic Bloodshed-Streifen (wenn auch mit vergleichsweise wenig Blood & Bullets), von den beiden Regisseuren nicht unbedingt zu erwarten gewesen: während Andrew Lau (neben der vom Setting her verwandten, aber weitaus actionlastigeren "Young and dangerous"-Serie) zuvor vor allem durch Effekt- und Kampf-Orgien wie "Stormriders" und "Avenging Fist" in Erscheinung getreten war, galt Alan Mak durch Filme wie "Nude Fear" und "Rave Party" eigentlich eher als Vertreter einer "moderneren" Inszenierungsweise. Wie auch immer: durch die "Infernal Affairs"-Reihe etablierten sich beide gleichsam als Könner des Big Budget-Erzählkinos.

Trotz allem gibt es auch einige Kritikpunkte für mich. So weist das Tempo des Films gelegentliche Schwankungen auf, manche würden es auch "Längen" nennen. Auch hätte ich mir an einigen Stellen noch ein stärkeres Unterstreichen der Dramatik gewünscht: manche Momente, obwohl inhaltlich tragisch, präsentiert der Film auf fast schon zu nüchterne Weise. Insbesondere aber irritieren einige (Neben-) Figuren, für deren Auftauchen es kaum einen Anlaß zu geben scheint außer dem Versuch, noch ein paar mehr angesagte Schauspieler im Film unterzubringen und damit deren Fans ins Kino zu locken (siehe etwa die Ex-Freundin von Yan, deren Bedeutung sich kaum erschließen läßt). Zum Teil ändert sich das durch die Fortsetzungen: einige Rollen werden größer bzw. erklären sich rückblickend, sind hier also eher als "Ankündigung für Kommendes" zu sehen. Im Gesamtzusammenhang sind also auch sie zwar meist stimmig angelegt, für sich genommen aber weist "Infernal Affairs I" in dieser Hinsicht Schwächen auf.

Insgesamt jedoch überzeugt er als ein sehr intensives, großes Stück Film, das weitgehend klischeefrei und, wenn auch nicht überwältigend originell, so doch stets clever und spannend bleibt. Nebenbei könnte man ihn als Liebeserklärung an die Gangster-Epen der Kino-Hochzeit Hong Kongs, ja an Hong Kong selbst werten: denn neben allerlei Genre-Referenzen finden sich zahlreiche sehr schöne - jedoch niemals aufdringliche - Einstellungen, die die Stadt selbst (Central und Kowloon) in Szene setzen.

Sollte man gesehen haben - ob im Kino oder auf DVD bleibt jedoch jedem selbst überlassen, denn die große Leinwand braucht der Film trotz seiner "Größe" m.E. nicht unbedingt. Aber schaden tut sie ganz bestimmt nicht ;)
D.S.

26.07.2004, 16:23



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