Reviewvon ElisabethMaurer | Permalink |
Obschon der Trend der großen Kinoproduktionen immer noch in Richtung immer größerer Spektakel und unglaublicherer Effekte geht, kann gleichzeitig auch eine andere Bewegung erkannt werden. Besonders in der Darstellung vergangener Zeiten scheint vermehrt größerer Wert auf Authentizität gelegt zu werden, oftmals fehlen die romantische Verklärung und der nostalgische Blick auf die Vergangenheit völlig. Beispiele wären Ridley Scotts Robin Hood, der die Geschichte in viel rauhere und schmutzigere Bilder faßte als Kevin Reynolds zwei Jahrzehnte früher, und viel stärker als in Gladiator oder Königreich der Himmel die realistische Wirkung des Films betonte. Auch Michael Mann entschied sich für seine Darstellung von der Person John Dillingers in Public Enemies für eine durch ihre Handkamera und Videooptik fast dokumentarisch wirkende Ästhetik. Dazu entstehen in jüngerer Zeit in diesem Zusammenhang offenbar immer mehr historische Filme, die, auch im Zuge der Authentizität, sehr harte und brutale Geschichten erzählen und vor dem Zeigen von extremer Gewalt nicht zurückschrecken. Zu nennen seien Van Diemens Land und Valhalla Rising, die beide wie Black Death an der Grenze zum Horrorgenre stehen.
So geht es also in Black Death auch nicht um irgendwelche Ehrenkämpfe, Rittergeschichten, Kriege oder ähnliches, was allgemeinhin zuvorderst mit dem Mittelalter assoziiert wird. Thema ist der Tod und zwar in seiner ganzen Unverständlichkeit. Die ersten Aufnahmen sind statisch, zeigen Nebel, darin sind Bäume zu erahnen, vielleicht auch ein paar Felder, ein Fluß. Wenige Bilder später wackelt die Handkamera über Leichenhaufen, die am Straßenrand liegen. Die Unruhe der Kamera macht es unmöglich auf einer Person zu verharren, ein Gesicht zu fokussieren, die einzelnen Körper zu unterscheiden. Im Nebel seiner naturgemäßen Unwissenheit kann der Mensch den Tod nicht erfassen. Die eigentlich existenzbestimmende Furcht ist die vor dem Tod und eben vor dem was danach kommt, oder eben nicht.
Eine Epidemie wie die Pest verstärkt diese Furcht zusätzlich. Einerseits rückt so der Tod noch näher in die Gemeinschaft, außerdem wird es auch unverständlicher, warum ein einer der Krankheit erliegt, ein anderer vielleicht verschont bleibt. Im Mittelalter als Zeitalter am Vorabend der Moderne ist das Referenzsystem, dem sich die Menschen bei Problemen zuwenden, eben keine empirische, logische Wissenschaft, sondern die Religion. Als der einleitende Voice-over einsetzt, ist eine Ratte zu sehen. Die Stimme behauptet, sie hätten damals gewußt, woher die Pest kam. Jeder Zuschauer wird wissen, daß die mangelnden hygienischen Bedingungen hauptausschlaggebend für die Verbreitung der Seuche waren, die dann auch von Ratten und Ungeziefer übertragen wurde. Doch der Voice-over wird erklären, daß sie, im Gegensatz zu der Meinung, Gott schicke die Krankheit, vom Teufel stamme. Denn bei den zentralen Figuren handelt es sich um eine Gruppe englischer Soldaten, die vom Bischof beauftragt wurden, ein Dorf zu suchen, in dem Gerüchten zufolge noch niemand an der Pest gestorben sei, obschon die Hälfte der Bevölkerung Englands bereits der Pest erlegen ist. Unter den Dorfbewohnern vermuten die Soldaten Dämonen und Hexen, die bösen Zauber einsetzen, um nicht krank zu werden. Im Angesicht des Schwarzen Todes versuchen die Menschen verzweifelt, irgendeinen Halt und vielleicht sogar Rettung zu finden. Dies kann dazu führen, daß sie sich auch mit Magie beschäftigen. Die christliche Kirche muß also alles daran setzen, ihre Macht über die Menschen zu behalten. Dadurch unterdrückt sie gegebenenfalls auch Praktiken, die wirklich gegen die Pest helfen können, denn, wie heute allgemeinhin bekannt ist, waren die Menschen, die als Hexen und Ketzer verbrannt wurden, oftmals einfach nur kundig im Umgang mit Heilkräutern. Dazu werden einzelne Menschen auch einfach als Sündenbock geopfert, damit die Bevölkerung ihre Wut und ihren Schmerz durch die Hinrichtung einer vermeintlichen Hexe etwas lindern kann. Die Kirche bekämpft also den Tod zunächst einfach einmal nur mit noch mehr Tod.
Als Führer der Gruppe stößt der junger Novize Osmund (Eddie Redmayne) hinzu, der sich eigentlich nur für diese Aufgabe anbietet, weil er sich in der Nähe des fraglichen Dorfes mit seiner heimlichen Geliebten Averill (Kimberley Nixon) treffen möchte. Der Weg der Gruppe ist die klassische Reise ins Herz der Finsternis. Anführer ist Ulric (Sean Bean), der, wenn er auch sehr abgehärtet auftritt, doch Mitgefühl zeigt. Allerdings ist er sehr gefestigt im Glauben an die Existenz der bösen Mächte, die sie angeblich in dem Dorf erwarten. Am Ziel ihrer Reise stoßen sie jedoch auf eine Idylle im Vergleich zu allem, was sie unterwegs erlebt und gesehen haben. Das kleine, an einem Fluß gelegene Dorf ist sauber, ebenso wie die Bewohner, die die Fremden freundlich und scheinbar ohne Argwohn aufnehmen. Schnell jedoch keimt der Verdacht in den Soldaten, daß Dorfvorsteherin Carice van Houten eine Hexe ist. Ob nun wirklich übernatürliche Kräfte am Werk sind und was von den Dorfbewohnern zu halten ist, bleibt lange unklar. So ist der Zuschauer hin- und hergerissen, wem nun das Vertrauen zu schenken ist. Ebenso ergeht es Osmund. Zusätzlich wird er immer mehr von seinen Schuldgefühlen beherrscht, seinen Zölibatsbruch betreffend. Die Suche nach einem Schuldigen für alles, was geschieht, für die Pest, das persönliche Leid, den Schmerz der Freunde, dies ist der Antrieb hinter dem Vorhaben der Soldaten, hinter Osmunds Zweifeln, hinter der Hexenverfolgung der Bevölkerung, hinter den heidnischen Ritualen der Dorfbewohner. Denn wenn es einen Schuldigen gibt, dann gibt es auch einen Sinn, dann läßt sich der Tod fassen.
Die durchaus drastische Brutalität des Gezeigten dient nicht einfach nur der Befriedigung des Wunsches der Zuschauer nach Exzessen und Gewalt, wie dies vielleicht eher in früheren Filmen von Regisseur Christopher Smith der Fall war. Vielmehr ist sie notwendig, um das Thema der Geschichte zu transportieren. Smith wählt sich eben auch diese Zeit der Menschheitsgeschichte aus, weil dort der Tod so allgegenwärtig war und wissenschaftliches Denken sowie Aufklärung nicht existierten. Diese Zeit setzt er dann auch mit einer akribischen Detailtreue in Szene, wie sie bisher selten auf der Kinoleinwand zu sehen war. Die nebeligen, entfärbten, übrigens in Deutschland entstandenen Aufnahmen sowie der häufige Einsatz der Handkamera unterstreichen diesen authentischen Eindruck und ermöglichen es dem Zuschauer, sich in das Denken und das Leben der Menschen sehr gut einzufühlen. Im Übrigen ist es natürlich so, daß das zentrale Thema universell ist. Auch mit wissenschaftlichem Fortschritt bleibt der Tod ein Mysterium, dessen Unergründlichkeit uns auch heute in die tiefsten Gegenden unseres Selbst, in religiösen Fanatismus oder einfach nur in Verzweiflung führen kann. | |
![]() sah diesen Film im Metropolis 8, Frankfurt - Original-Review | 03.09.2010, 22:17 |
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