crazy

Memories of Murder

Alles und nichts.

von D.S.
Ich kenne nur wenige Filme aus Korea, die es mir nicht schwer angetan haben. Ihre frischen Inszenierungsweisen, ihre großen Geschichten, ihre unverbrauchte und beeindruckende Bildgestaltung usw. haben mich immer wieder begeistert - oder zumindest sehr gut unterhalten. Aufgrund dieser Erfahrungen und aufgrund der namhaften Beteiligten - und nicht zuletzt auch aufgrund der größtenteils euphorischen Reviews - hatte ich mir eine ganze Menge von "Memories of Murder" versprochen. Und wurde leider ziemlich enttäuscht.

Das lag neben meiner Erwartungshaltung wohl vor allem daran, daß sich der Film meiner Meinung nach nicht wirklich entscheiden kann, was er sein möchte: ein Thriller über einen teils schockierend arbeitenden Serienmörder? Das ist er eigentlich fast nur in den wenigen Momenten, in denen wir ihn am Werk erleben bzw. mit seinen Taten konfrontiert werden. Das sind durchaus spannungsvolle Momente, und die Bildsprache ist hier tatsächlich beeindruckend - aber das kommt eben nicht allzu oft vor.

Möchte der Film aber nicht vielleicht viel eher eine Charakterstudie sein? Eine Studie darüber, wie bestimmte Menschentypen auf bestimmte Situationen reagieren, oder darüber, wie die "Umstände" und gemachte Erfahrungen Menschen verändern können? Auch in dieser Hinsicht ist "Memories of Murder" phasenweise sehr beeindruckend. Gerade im letzten Drittel bleibt einem doch manchmal die Spucke weg angesichts der Wandlungen, die da allüberall auftreten. Wobei diese größtenteils wiederum so deutlich, symbolhaft fast dargestellt werden, daß man (spätestens nachträglich) "Moralkeule! Moralkeule!" rufend am liebsten resigniert den Kopf schütteln möchte. Man könnte auch "platt" sagen.

Vielleicht aber auch sieht sich der Film hauptsächlich als Exkurs in die jüngere Geschichte Südkoreas, als Portrait einer Epoche und ihrer heute nur noch bedingt nachvollziehbaren Eigenheiten? Auch hier hat er seine Stärken - dem Außenstehenden wird im Verlauf der Story immer wieder vorgeführt, welche Konsequenzen die Militärdiktatur und die daraus resultierende gesellschaftliche Rückständigkeit und Verkrüppelung auf Alltag und Erleben der Menschen gehabt hat bzw. wohl gehabt haben muß. Aber auch hier wird der Symbolismus für meinen Geschmack viel zu groß geschrieben. Zumindest werte ich es, im Gegensatz zu den meisten anderen Reviews, nicht als "komödiantische Ader" des Films, sondern als Symbolismus, wenn die Dorfpolizei, in grotesk überzeichneter Weise, aus Dummheit, Faulheit, Tradition und Hierarchiedenken heraus letztendlich (unbeabsichtigt) alles tut, um die Ermittlungen zu behindern - während der Sonderermittler aus der wirtschaftlich bevorzugten und darum weiter entwickelten Großstadt genau so auftritt: fortschrittlich, analytisch, kühl, zunächst als offenbar einziger mit so etwas wie logischem Denken gesegnet.

Halt, natürlich könnte man auch versucht sein, "Memories..." einfach als einen Krimi, einen Film über polizeiliche Ermittlungsarbeit zu werten. Dann hört es aber endgültig auf - denn neben der erwähnten Permanent-Groteske in mindestens der ersten Hälfte des Films verhindern einige unglaublich konstruiert wirkende Storyelemente alles, was in Richtung Glaubwürdigkeit gehen könnte. Ja, der Film basiert auf wahren Begebenheiten. Diese wurden allerdings aus den berühmten "dramaturgischen Gründen" abgewandelt, interpretiert, überhöht, ergänzt usw. Rausgekommen ist nichts Realistisches.

All das wäre für mich verzeihbar, wenn der Film Energie ausstrahlen würde. Wenn er eine - wie auch immer gewichtete - Kraft hätte, die mir ins Gehirn oder den Magen tritt. Wenn er so schockierend oder so neuartig oder so aufschlußreich oder so andersartig wäre, daß vor diesem Gesamtkunstwerk und seiner Wirkung alle (Drehbuch-) Schwächen verblassen würden. Naja, das ist nur eben leider nicht der Fall. Dafür wirkt er zu zerrissen. Zu wenig stringent. Zu unentschieden.

Er ist deshalb nicht wirklich schlecht. Gerade, wenn die "Groteske" dann mal überwunden ist und nicht mehr dauernd irgendwelche Unfaßbarkeiten (die im Zusammenhang leider wie Albernheiten wirken) nerven, packt einen "Memories of Murder" schon. Dann gibt es beeindruckende Szenen, auch mal überwältigende Bilder, und, hey, Emotionen, die mitreißen. Das kommt nur leider viel zu spät, und auch dann noch nicht konsequent genug, als daß das Vorherige vergessen gemacht würde.

Was so bleibt, ist ein äußerst zwiespältiger Film, dessen Stärken in mangelnder Fokussierung und auch einigen Längen verloren gehen. Schade, ich hatte mir mehr versprochen. Wegen des starken letzten Drittels gerade noch 6,5 Punkte.
D.S.
sah diesen Film im Metropolis, Frankfurt

05.08.2004, 03:58



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