Trespassing

Step over the Line...

von D.S.
"Trespassing" ist kein großartiger Film. Dazu ist seine Storyidee eindeutig zu wenig ausgereift und seine Inszenierung oft zu holprig, außerdem wird die Geschichte durch ausufernde Dialoge streckenweise fast erdrückt. Er ist aber auch bei weitem nicht so schlecht, wie viele Kritiken glauben machen: Wer bereit ist, dem Film angesichts seines absoluten Independent-Status’ einige dramaturgische Schwächen zu verzeihen, und wer ihm die nötige Zeit gibt, seine Atmosphäre aufzubauen, der kann hier eine erstaunlich intensive und wirksame Mixtur aus "The Blair Witch Project", Slasherfilmen und clever konstruiertem Mindfuck erleben.

Die Rahmenhandlung von "Trespassing" ist dabei besonders stark an "Blair Witch" angelehnt: um die Uni-Arbeit ihres Freundes Mark zu unterstützen, begleiten ihn vier College-Kids in ein einsames Haus in den verwilderten Außenbezirken von New Orleans. Vor 20 Jahren hat dort ein Teenager seine Eltern abgeschlachtet, was nur den viel älteren Mythos verstärkt hat, der dem entsprechenden Grundstück anhaftet: angeblich wird jeder, der widerrechtlich dort eindringt, von Wahnsinn und tödlicher Aggression heimgesucht, wird quasi zur menschlichen Zeitbombe. Mark will diesen Mythos als Aberglauben entlarven, wozu er nach diversen Interviews mit Experten zum Thema nun auch Videoaufnahmen und Fotos vor Ort machen will. Die Uni-Arbeit ist aber nicht sein einziger Beweggrund - es geht ihm auch um seine eigene geistige Stabilität...

Die geistige Stabilität der fünf jungen Leute wird im "verfluchten" Haus aber sehr bald auf die Probe gestellt, als sie alle dort merkwürdige Erlebnisse machen - die den Zuschauer schnell vor die Frage stellen: was ist hier nun real, und was nur eingebildet? Welche Perspektive ist die "richtige"? Versucht ein unheimlicher Killer, die Gruppe zu dezimieren? Treibt hier jemand ein mörderisches Spiel mit den Kids, oder liegt an diesem Ort tatsächlich das Böse in der Luft? Die Antwort darauf zu finden, wird zum schmerzhaften Prozeß - dessen Ergebnis nicht unbedingt vorhersehbar ist...

Wie schon angedeutet, läßt sich "Trespassing" viel Zeit, Location und Charaktere vorzustellen. Gerade letztere werden dadurch relativ interessant, entsprechen schon bald nicht mehr den Abziehbildern, die in ähnlich gelagerten Filmen normalerweise die Leinwand bevölkern. Andererseits bedeutet dies natürlich auch eine recht lange Zeit (oberflächlich betrachteten) Leerlaufs, in der eigentlich nur geredet wird. Was für das Publikum nicht immer unmittelbar interessant wirkt - es braucht anfangs wirklich einiges an Geduld, um nicht verärgert "abzuschalten". Wer sich allerdings auf diese Erzählweise einläßt, den Dialogen und ihren Untertönen genau zuhört, für den beginnt schon hier eine unangenehme bzw. leicht verstörende Atmosphäre sich auszubreiten. Die im geheimnisvollen Haus, das fast selbst lebendig zu sein scheint, dann ihren Höhepunkt erreicht: einige Momente im Überlebenskampf der Kids sind so intensiv inszeniert, ihre Angst, Panik, ihr Wahn (?) wird so lebendig vermittelt, daß man nahezu das Gefühl hat, selbst gejagt zu werden, sich selbst vor einem bestialischen Killer verstecken zu müssen.

Spätestens in der zweiten Hälfte also überzeugt "Trespassing" fast uneingeschränkt - wenn auch das Ende etwas abrupt kommt und als doch recht unbefriedigend gewertet werden kann. Was vor allem deshalb schade ist, da die Auflösung der Geschichte eigentlich ziemlich clever ist. Zwar nicht vollkommen neuartig, aber immerhin extrem effektiv. Nach dieser Auflösung hätte ruhig noch etwas mehr passieren dürfen. Das erscheint mir insgesamt aber doch eher nebensächlich, da der Film auf der anderen Seite, neben seiner dichten Atmosphäre und dem fesselnden Storyverlauf, auch mit ein paar guten Schockmomenten und passablen schauspielerischen Leistungen sowie einem guten Soundtrack auftrumpft.

Zusammengefaßt betrachtet ist "Trespassing" vor allem anfangs manchmal leider ein wenig ermüdend, und die Rahmenhandlung ist alles andere als originell. Auch merkt man dem Film sein minimales Budget an vielen Stellen störend an. Doch seine Konsequenz, seine Intensität und seine Cleverness heben ihn deutlich über den Durchschnitt. Wer "High Tension" vergöttert, dürfte auch an "Trespassing" Gefallen finden - wenn er nicht gerade eine unüberwindbare Abneigung gegen umfangreiche Dialogsequenzen hat. 6 Punkte hat der Film allemal verdient - wenn nicht mehr.

Übrigens: einen guten Teil seiner Wirkung entfaltet "Trespassing" erst hinterher... er wächst im Laufe der Zeit. Vor allem dann, wenn man nachts allein im Bett liegt ;)
D.S.
sah diesen Film im Metropolis, Frankfurt

12.08.2004, 04:10



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