Open Water

Wassersuppe

von D.S.
Irgendwie geschmacksneutral, zu dünn und unbefriedigend - das ist der Eindruck, den "Open Water" bei mir schlußendlich hinterlassen hat. Dabei hätte der Film in jedem Fall das Potential zu einem echten Knaller gehabt. Denn die von ihm etablierte (und angeblich ja auf einer wahren Begebenheit basierende) Ausgangssituation ist wirklich nicht ohne: ein Ehepaar wird durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle beim Tauchtrip auf dem offenen Meer zurückgelassen. Ganz auf sich allein gestellt, ohne Nahrung, ohne Orientierungsmöglichkeit, schwindet ihre Hoffnung, gerettet zu werden, langsam aber stetig... während Spannungen und Ängste überhand nehmen.

Das klingt interessant und relativ neuartig. Doch schafft es der Film nur viel zu selten, den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen; oder auch nur, atmosphärisch dicht zu werden. Woran das liegt, ist schwer zu sagen. Vielleicht an der Home-Video-Optik, die (so absurd es klingt) eher dabei behindert, sich in das Geschehen wirklich hineinzuversetzen. Denn wenn der Film auch gerade hierdurch "authentisch" wirken will, so erinnert einen doch eben sie immer wieder daran, daß wir hier nur einen FILM sehen, nicht selbst dabei sind. Die Wahrnehmung unserer Augen im realen Leben ähnelt nun mal eher dem Bild eines "normalen" Kinofilms als dem, das eine Videokamera liefert. Auch, wie von einem anderen Reviewer bereits erwähnt, die mehrfach eingebauten Zwischenschnitte auf typische Urlaubsszenen tun "Open Water" nicht eben gut. Wahrscheinlich sollen sie den Kontrast zwischen der Normalität an Land und der Situation, in der sich die Protagonisten befinden, verstärken - und damit deren Krassheit umso mehr betonen. Nur leider bewirken sie eher das Gegenteil, zerstören jeden Anflug von Anspannung und "Klaustrophobie" (klingt angesichts der unendlichen Weite, in der die Figuren verloren sind, grotesk, aber beschreibt das teilweise vermittelte Gefühl doch recht gut...!), den das vorher Gezeigte vielleicht gerade so hatte erzeugen können.

Letztendlich ist es also wahrscheinlich, ironischerweise, ausgerechnet der Versuch, über einen inszenierten "Realismus" dem Publikum außergewöhnlich nahezugehen, der "Open Water" eines Großteils seiner Wirkung beraubt. Zudem fehlt ihm ein Aspekt, der dem formal ja durchaus ähnlich arbeitenden (und darum im Zusammenhang mit "Open Water" auch regelmäßig Erwähnung findenden) "Blair Witch Project" eine gewisse Stärke gab: das Geheimnisvolle, das Angedeutete, das die Imagination über das bloße Sich-in-eine-Situation-Hineindenken hinaus Anregende. Wo letzterer durch bedrohliche Geräusche, eine mysteriös und undurchdringlich wirkende Umgebung und durch umherhuschende Schatten das Gefühl einer unsichtbaren Gefahr erzeugen konnte, bietet "Open Water" nur einen uneinheitlichen, inkonsequenterweise non-diegetischen, Soundtrack samt seltsam meditativer Eingeborenengesänge (?), und eben: Wasser. Bei dem man nun mal nur den Kopf unter die Oberfläche bewegen muß, um zu erfahren, ob man sich etwas nur einbildet, oder ob sich wirklich etwas Schlimmes in der Nähe herumtreibt (was die Protagonisten auch regelmäßig tun). Natürlich vorwiegend durch sein Thema bzw. Setting bedingt, geht dem Film somit eine ganze, bedeutsame Dimension der Bedrohung verloren. Was bleibt, ist neben den sehr anfaßbaren Angst-Feldern "Haie" und "Ertrinken" wirklich nur die Ausgangssituation des hoffnungslosen Verloren-Seins - die aber, wie gesagt, wesentlich stärker hätte inszeniert werden können bzw. (erst recht bei fortschreitender Laufzeit) müssen.

Dennoch bleibt sie eindrucksvoll und ungewöhnlich genug, um "Open Water" zumindest in gewisser Hinsicht, und speziell für Tiefsee-Freunde, sehenswert zu machen. Zudem tue ich mir, auch wenn meine Bewertung das nicht ausdrückt, derart wenigstens originelle Filme immer noch wesentlich lieber an als den x-ten müden "Texas Chainsaw Massacre"- oder "Halloween"-Epigonen. Ich hatte nur, angesichts seiner exponierten Stellung als Abschlußfilm des FFF, der internationalen Vorschußlorbeeren und vor allem der Möglichkeiten, die die Idee des Films geboten hätten, deutlich mehr erwartet. Deshalb nur 5,5 Punkte.
D.S.
sah diesen Film im Metropolis, Frankfurt

14.08.2004, 15:54



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