S-VHS

Extrem mehr super als V/H/S

von D.S.
V/H/S war beim FFF 2012 der Publikumsspalter Nummer Eins. Während ein Teil der Zuschauer ihn als spektakulär, innovativ, gar revolutionär abfeierte, bewertete der andere Teil ihn als unfassbar anstrengend, aufgesetzt, gar unansehbar. Dazu gehörte auch ich. Nach einer zweiten Sichtung per DVD musste ich mein Urteil revidieren, die Anthologie hat schon was - neben dem neuartigen Konzept nämlich vor allem eine wirklich verstörende Atmosphäre. Unzweifelhaft allerdings, dass die Mehrzahl der Storys von V/H/S etwas schwach auf der Brust ist, der Schock-Value ihnen meist über den Inhalt geht.

Die Fortsetzung nun nimmt sich genau dieses Problems an: Hier ist eindeutig mehr Aufwand in die Entwicklung interessanter Geschichten geflossen, jeder Beitrag kann auch unabhängig vom „Found Footage"-Gimmick grundsätzlich bestehen. Wobei jenes nach wie vor die zentrale Rolle spielt - wer also eine Aversion gegen Wackelkameras, hektische Schnitte und permanente Unübersichtlichkeit hat, muss auch V/H/S 2 meiden. Selbst wenn das Ganze ein wenig glattgebügelter wirkt als im ersten Teil; echte Wackel-Extreme bzw. Schleudertraumata erlebt man hier nur noch im letzten Beitrag.

Die Rahmenhandlung (TAPE 49 von Simon Barrett) ist genauso nebensächlich wie im Vorgänger: Ein Detektivpärchen auf der Suche nach einem vermissten Jugendlichen dringt in ein Haus ein, in dem zahllose obskure Videotapes auf einen Betrachter warten. Zwei, drei nette Anspielungen auf die Geschehnisse des ersten Teils später landen wir auch schon in der ersten und belanglosesten Story von V/H/S 2:

PHASE I CLINICAL TRIALS vom allgegenwärtigen Adam Wingard berichtet von einem Mann, der sich nach einem Autounfall ein künstliches Auge einsetzen lassen muss. Mit diesem sieht er auf einmal Geister - was wir nicht zuletzt aus THE EYE kennen, ebenso wie das, was folgt. Eine Gruselgeschichte mit ein paar netten Jump-Scares, geht in Ordnung, reißt aber nichts. Treibt jedoch die Idee der Video-Brille aus Teil 1 auf die Spitze: Hier sitzt die Kamera direkt im Auge des Filmenden, was dem Betrachter eine durchaus intensive Bildsprache gewährt.

A RIDE IN THE PARK ist ein Zombiefilm, wie man ihn so definitiv noch nie gesehen hat. Über den Inhalt will ich weiter nichts verraten, aber: Regisseur Eduardo Sánchez, der mit THE BLAIR WITCH PROJECT das moderne Found-Footage-Genre quasi im Alleingang erfunden hat, schafft es - zusammen mit Gregg Hale -auch hier, völlig neue Perspektiven und Anwendungsmöglichkeiten für die Technik zu finden. Teils sehr lustig, teils tieftraurig, vor allem aber wirklich ungesehen: Sehr fein.

SAFE HAVEN (Timo Tjahjanto und Gareth Evans): Ein Besuch hinter den Kulissen einer indonesischen Endzeit-Sekte. Hier brechen alle Dämme und es wird gesplattert, was das Zeug hält - und was in der deutschen DVD/BD-Veröffentlichung wohl komplett fehlen wird. Sehr sehr derb, gleichzeitig aber auch faszinierend, verstörend und zuletzt zum Schreien komisch: Das absolute Highlight der Anthologie; muss man sehen, wenn man halbwegs schmerzfrei ist.

SLUMBER PARTY ALIEN ABDUCTION (Jason Eisener): Puh, hier kommt dann eben doch der Wackel-Exzess, denn der Hauptkameramann in diesem Segment ist ein kleiner, wild herumstreunender Hund! Auf dessen Rücken die Kamera befestigt wird und der für uns die Bilder einer äußerst unfreundlich verlaufenden Alien-Invasion einfängt. Die Kostüme der Außerirdischen wirken leider so billig wie beim Karneval in Rudis Resterampe, die Atmosphäre ist hier jedoch schwer bedrohlich - ebenfalls ein Gewinner, wenn man die Hektik verdauen kann und im Kino weit genug hinten sitzt.

Nach Abschluss dieses letzten Tapes endet V/H/S 2 mit einem wenig innovativen Schluss der Rahmenhandlung - was dem Gesamterlebnis aber keinen Abbruch tut. Ich kann es ja selbst kaum glauben, aber diese unbequeme, unschöne, gemeingefährliche Missgeburt ist bislang eins meiner absoluten Highlights beim FFF 2013. Denn sie ist abwechslungsreich, intensiv, spannend und verdammt scary, ohne so bemüht und amateurhaft daherzukommen wie Teil 1.

Wer also auch nur ein klitzekleines Herz für das Found-Footage-Genre hat, dem lege ich dieses Ding nachdrücklich an dasselbe. Ob man den Vorgänger mochte oder nicht: V/H/S 2 rockt. Rollt. Und spult dich vor und zurück, selbst beim Testbild.
D.S.
sah diesen Film im Metropolis 8, Frankfurt

07.09.2013, 06:10



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