Deep House of Ushervon GeorgeKaplan | |
Jean Epsteins CHUTE DE LA MAISON USHER ist zweifelsohne eins der ganz großen Werke der Filmgeschichte. Epstein reicherte Poes Novelle um ein entscheidendes Element aus einem anderen Klassiker an, nämlich aus „Das Bildnis des Dorian Gray“: Usher malt ein Bild seiner Frau. Mit jedem Pinselstrich scheint sie auf dem Bild mehr zu leben, dafür geht es der realen Madeleine immer schlechter. Und den Beginn der Geschichte lieh sich Epstein sogar von Bram Stoker aus, als nämlich Ushers Freund Allan in einer Gaststätte nur Misstrauen erntet und niemanden findet, der ihm zum Haus fahren will. Trotz der starken Geschichte sind es aber vor allem die Bilder, die bis heute einen Sog ausüben. Epstein und sein Assistent Bunuel arbeiten stark mit Doppelbelichtungen, mit bewusster Unschärfe, mit Zeitlupe, sie nutzen die Montage eher assoziativ und befreiten die Kamera von ihrem Stativ. Nicht selten verliert der Zuschauer damit den Boden unter den Füßen. USHER ist zudem ein Beispiel für eine gelungene Filmarchitektur. Die kalte, abweisende Halle des Hauses scheint nicht mal der riesige Kamin wärmen zu können. Der Hausherr lebt nicht in festen Wänden, sondern allein zwischen wehenden Vorhängen und scheinbar ohne Decke. Ein großer Film also, der mich in der ersten Sichtung vollends gebannt hat. Daher ist es zu begrüßen, ihn wieder auf großer Leinwand erleben zu können. Ob es aber unbedingt diese Fassung sein muss, sei mal dahingestellt. Das fängt beim Bild an. Das FFF zeigt den 4K-Scan einer Restauration der Cinemathek francaise, die bereits 17 Jahre alt ist. Restaurationen sind aber fast nie abgeschlossen. Zum einen gab es Stummfilme meist in mehreren offiziellen Fassungen, unterschieden nach dem nationalen und dem internationalen Markt. Zum anderen kann man nur selten auf ein vollständiges und schadfreies Kameranegativ zurückgreifen, was der Idealfall wäre. So ist denn auch die Cinemathekfassung alles andere als frei von Spuren der Vergangenheit. Und offensichtlich hat man in den 17 Jahren weder besseres Material gefunden noch den Wunsch gehabt, die digitalen Möglichkeiten der Bildrestauration zu nutzen. Das ist vielleicht puristisch, weil der Film damit sein Alter nicht vertuscht, aber andererseits auch etwas enttäuschend. Noch fraglicher ist aber natürlich, ob man USHER gleich mit Starkstrom defribillieren musste, um ein junges Publikum ansprechen zu können. Meine spontane Frage, als ich erstmals von dem Experiment hörte war „Sollen wir dazu tanzen?“. Aber ich bin da pragmatisch: Wenn auch nur ein Zuschauer sich aufgrund des DJ-Sets USHER angeschaut hat, hat das Wagnis sein Ziel erreicht. Aber kann man mit Deep-House tatsächlich die Wirkung der Bilder transportieren? Zum Teil ja. Es gibt sicher atmosphärischere Klangcollagen. Aber es gibt keinen Grund, der Musik von vornherein eine bestimmte Wirkung abzusprechen. Denn ob nun gewollt oder ungewollt, in einigen Passagen funktioniert das Set. Und zwar vorwiegend dann, wenn es mehr die Stimmung wiedergibt und weniger, wenn die Lyrics vermeintlich passend und damit extrem unpassend sind. Auch die Entscheidung des DJs, einen Trackwechsel nicht immer zwingend mit einem Szenenwechsel, sondern vielmehr von einem Stimmungswechsel abhängig zu machen, verdamme ich nicht. Was nicht bedeutet, dass jede Entscheidung richtig ist. Und was auch nicht heißt, dass ich den Soundtrack uneingeschränkt empfehle. Vor allem nicht bei der Erstsichtung. Denn dafür zerstört er auch zu oft die Wirkung der Bilder. Dennoch wäre wünschenswert, mehr dieser Wagnisse auf Leinwand erkunden zu können. Es gibt viele Schätze der Filmgeschichte, die man heben könnte. Und, liebes Rosebud-Team, das müssen nicht immer die großen Klassiker sein, die nur teuer aus den Kinematheken geliehen werden können. Denn es gibt viele Stummfilme, die ins Public Domain gefallen sind oder die von den Kinematheken kostenlos angeboten werden. | |
GeorgeKaplan sah diesen Film im Cinedom, Köln | 16.09.2014, 10:41 |
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