Das seltsame Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit (in einer dystopischen Zukunft)von Leimbacher-Mario | |
Dass einige der auf den diesjährigen FFF Nights gezeigten Titel mir noch lange im Gedächtnis blieben & mich viele Gedanken befielen, von befremdlich bis augenöffnend, spricht ganz klar für den diesjährigen Jahrgang. Die futuristische Gesellschafts- & Beziehungssatire "The Lobster" gehört definitiv in die erste Reihe dieser schleichenden Brain-Bender & gefällt mir von Tag zu Tag besser. Skurrile Charaktere werden in eine noch verrücktere Welt & Grundprämisse gesteckt, mit einer komisch-charmanten wie auch wunderschön-bedrohlichen Sci-Fi-Dramödie als Ergebnis. Eigentlich war "Moonwalkers" als einzige Komödie des Wochenendes angekündigt – man hatte wohl selbst in den positivsten Einschätzungen nicht damit gerechnet, dass auch hier so viel gelacht werden würde. Ein Spaß, so weit neben der Spur, so intellektuell witzig, dass man vor dem griechischen Regisseur & Schreiber Yorgos Lanthimos einfach nur alle Hüte ziehen muss. Irgendwo zwischen Orwell & Charlie Kaufman, Nolan & Kubrick, Allen & Wilder findet diese außergewöhnliche Stimme im Independent-Kino unheimlich viel Kraft, noch mehr Ideen. So viel, dass ich seine vorangegangenen Werke "Alps" & "Dogtooth" baldigst nachholen werde. "The Lobster" spricht nur ein kleines Publikum an, würde das Mainstreampublikum schon allein durch auf links gedrehte Stars wie Farrell verwirren bis verschrecken – trotzdem ist es schade, dass er keine Kinoauswertung hierzulande erfährt & lange Zeit unter dem Radar fliegen wird müssen. Dann halt Mundpropaganda. Aber bitte nur auf Grund der Qualität, denn zu viel über die dystopisch-(gar nicht so)-abwegige Geschichte zu erzählen, wäre fatal. Umso mehr man sich überraschen lässt, desto positiver wird diese. Nur so viel sei gesagt: vergesst den bescheuerten deutschen Untertitel "Hummer sind auch nur Menschen" & lasst euch auf dieses intellektuelle Abenteuer ein. Im Grunde geht es anhand eines verrückten Systems, das Leute, die zu lange Single sind, in Tiere verwandelt, um den Zwang von Partnerschaften, den Zwang der Gesellschaft & die Einschränkung der persönlichen Freiheit & Entfaltung des eigenen Willens. Durch seine emotionslose, fast roboterhafte Art wirkt der Film unterschwellig bedrohlich, oberflächlich aber oft unglaublich witzig. Die namhaften Darsteller machen ihre Sache grandios & egal wie konfus ihre Charaktere sind, sie wirken authentisch genug & nuanciert. Vor allem Colin Farrell schafft es, den Film zu tragen & zu führen – noch nie habe ich ihn so unattraktiv gesehen, aber ebenso noch nie so gut. Stilistisch komplett verschieden, ist auch "The Lobster", ähnlich wie "High-Rise", wunderschön inszeniert, fast komponiert könnte man sagen. Manche Shots, z.B. die Menschentreibjagd in Zeitlupe oder das mörderische Treiben in den Korridoren, sind einfach sagenhaft schön. Man möchte sie, trotz trister Farbpalette, stoppen & einrahmen. "High-Rise" & "The Lobster" machen zusammen ein gnadenlos gutes & vernichtend kritisches Double Feature, wo ich das Werk des griechischen Wunderkindes fast sogar noch etwas vorne sehen würde. Schade, dass er mich im letzten Drittel, als die Handlung das Hotel verlässt, etwas verliert & er sich im "Wald der Loner" etwas verirrt. Dort gewinnt er an Emotionen & Liebe, verliert allerdings gehörig an Tempo & Spritzigkeit. Ebenso klasse, dass der Film nicht wirklich Stellung bezieht & schwarz/weiß malt, sondern sowohl die Schwächen & Zwänge von Paar-Suchties als auch von eigenbrötlerischen Einzelgängern offenlegt. Das kann dann schonmal wehtun, denn irgendwo erkennt man sich immer wieder. Im Kopfkratz-Ende habe ich mich aber leider ganz & gar nicht wiedergefunden. Fazit: Ziemlich geniale & ultrahübsche Satire auf unseren Zwang, einen passenden Partner zu finden & in die Gesellschaft zu passen, egal wie krank diese ist. Sehenswert, lustig & schamlos entlarvend zugleich, auch wenn ihm hintenraus (im Wald) etwas die Luft ausgeht & er sich zieht, wie ein roher Hummer. | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 14.04.2016, 07:24 |
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