crazy

Metalhead

Dunkelheit hilft beim Wachsen

von Leimbacher-Mario
Ich bin mittlerweile der Meinung: man muss zwar nicht jede Art von Musik lieben, feiern, verstehen oder dauernd hören - schätzen & respektieren kann man aber durchaus alles. Ein Hip-Hopper muss anerkennen, dass auch AC/DC abartig geile Musik macht & eine Helene Fischer darf ruhig auch Avicii feiern bzw. vice versa. Daher muss man beileibe kein Metal-Fan sein, um "Metalhead" zu mögen (stören tut es mit Sicherheit aber auch nicht). Denn das isländische Drama um ein Mädchen, das ihren großen Bruder verliert & sich in dessen dunkle Metal-Welt begibt, ist weit mehr als nur eine Ode an diese Musikrichtung. Es ist eine verdammt packende Geschichte einer jungen Frau, die über einen tragischen Verlust wegkommen muss & nur schwer erwachsen wird. Dazwischen der Metal als Kitt, Anker & Katalysator.

Obwohl "Metalhead" vor 3 Jahren auf dem FFF der absolute Publikumsliebling war, ist er immer noch ein Geheimtipp. Kein Wunder, schrecken Musik, Thema oder Herstellungsland doch im ersten Augenblick eher ab. Das ist jedoch schade, denn diese Ballade über den Tod & das Wachsen hat das Zeug dazu, sich in jedes Herz zu bohren - egal ob schwarz, weiß oder, am wahrscheinlichsten, ein Grauton. Der Film kommt manchmal etwas zäh & lang rüber, die Geduld zahlt sich jedoch mehr als aus. Überaus emotional, angenehm manchmal durchbrochen durch typisch-trockenen nordischen Humor, erleben wir die Reise eines Mädchens, das nur selten greifbar oder sympathisch wirkt, jedoch tief menschlich, unverstanden & aufgeladen mit kraftvollen Emotionen, die sich dann über den Metal-Lifestyle entladen. Vor allem die Darstellerin der jungen Hera macht ihre Sache grandios & vermittelt genau das richtige Fingerspitzengefühl aus Wut im Bauch & Traurigkeit im Herzen.

Dazu kommt eine karge, aber faszinierende Landschaft Islands samt unterkühlter Bilder & ein (wie zu erwarten) grandioser Soundtrack. Selbst wenn der Film weniger Musik enthält, als man erwarten könnte, ebenfalls weitaus weniger harte Stücke. Was ich als Nicht-Kenner der lauten Materie eigentlich fast schon begrüße. Ich musste über den Film überdurchschnittlich lange nachdenken & er wirkt noch immer nach, was absolut für ihn spricht. Wer also nur den Hauch einer Sympathie für das Genre (Metal oder Coming-Of-Age) besitzt, kommt um "Metalhead" einfach nicht herum. Am Ende ist Kopfnicken & Herz öffnen angesagt. Man ist einer Musikrichtung & einem Mädchen näher gekommen, als man es je vorher erwartet hätte. Dickes Nein plus Ausrufezeichen hinter den Satz, dass Metal nur dumme Depression & flache Aggression ist.

Fazit: die einfühlsame Seite des Heavy Metal - wundervolles Coming-Of-Age-Drama, das man so, selbst als Kenner des Subgenres, noch nie gesehen hat. Einmaliger Clash der Kulturen & Emotionen, zwar nicht ohne Längen, aber unglaublich ergiebig. Diese Reise in die dunkleren Gefilde der Musik lohnt sich!
Leimbacher-Mario

27.05.2016, 11:30



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