crazy

Imperium

Worte als Waffe

von D.S.
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Der Politthriller Nr. 1 des diesjährigen Festivals ist ein echter Horrorschocker – denn er dokumentiert die rasante Ausbreitung von militantem Rassismus und Antisemitismus in westlichen Gesellschaften, die zu einer immer stärkeren Zunahme der Zahl solcher Leute führt, die offen zu rechtsextremen Gewalttaten im großen Stil aufrufen. Solche Taten finden seit langem statt; von vielen gerne ignoriert wird ja der Fakt, dass Rechtsterrorismus in Europa und den USA zusammengenommen mehr Todesopfer als alle islamistischen Anschläge gefordert hat. Was diesen Taten vorausgeht, sind Worte: Worte, die Menschen zum Hass gegen andere anstacheln, die diese anderen zu "Untermenschen" erklären und schleichend Undenkbares für viele diskussionswürdig machen; Worte, die Hemmungen senken, die Menschenverachtung zur legitimen Meinungsäußerung machen wollen. Wenn man Gedanken nur oft und laut genug verbreitet, wird sich sicher jemand finden, der sie in Taten umsetzt – eine Strategie, wie sie ja leider auch hierzulande von AfD und Konsorten erfolgreich verfolgt wird.

Nur passend, dass IMPERIUM mit einem Zitat eröffnet, das dieses Vorgehen zur Handlungsmaxime erklärt; das Worte zur potentesten Waffe erklärt – und einen durch die Nennung seines Verfassers höchstwahrscheinlich auf dem falschen Fuß erwischt. Daniel Radcliffe spielt den FBI-Agenten Nate Foster, der sich widerwillig zu einem gefährlichen Undercover-Job überreden lässt: die Neonazi-Szene von Washington DC infiltrieren, um herauszufinden, ob von ihr ein Anschlag mit einer „dirty Bomb“ geplant wird, der den „Rassenkrieg“ auslösen soll. Die Physis von Herrn Radcliffe ist nun mal eher Harry Potter als bedrohlicher Schläger, als tougher Skinhead sieht er einigermaßen unglaubwürdig aus, aber diesen Mangel macht seine Figur gegenüber den neuen Kameraden durch das Vorspielen von viel ungesundem Fanatismus sowie erhebliches Wissen um militärische Taktik wett – wobei es angesichts seines oftmals auffälligen Verhaltens dennoch etwas seltsam wirkt, dass Nate von der grundparanoiden White-Power-Crew nicht viel früher schon als Spitzel verdächtigt wird.

Wie dem auch sei, die darstellerische Leistung ist durchaus beeindruckend – wie auch der konzeptionelle Ansatz des Films: Er versucht nicht etwa, das Denken und die Hintergründe einzelner Nazi-Figuren im Detail zu erörtern oder dabei gar implizit Verständnis für sie zu erzeugen, wie das etwa bei AMERICAN HISTORY X der Fall war. Nein, IMPERIUM bezieht hier ganz explizit Position: Mit solchen Leuten kann man nicht diskutieren, ihr Denken kann man nicht (mehr) ändern. Es geht vielmehr darum, zu verhindern, dass sie weiter an Einfluss gewinnen. Was am effektivsten geschieht, indem man – wie hier im Rahmen einer Thriller-Handlung – die Hintermänner ans Tageslicht zerrt. Und sie am Verbreiten ihrer Worte hindert.

Abgesehen von seinen guten Absichten und der erfreulich schonungslosen, authentischen Darstellung rechtsextremer Denkweisen und Handlungsstrategien ist IMPERIUM aber auch als banaler Unterhaltungsfilm weitgehend zu loben. Denn abgesehen von ein paar kleineren Längen bleibt er stets sehr spannend, sowohl was die Nachforschungen nach den vermuteten Anschlagsplänen als auch die Frage nach einer möglichen Aufdeckung der Undercover-Aktivitäten angeht. Sowie danach, was das radikale Umfeld wohl mit dem Denken und Fühlen von Nate anrichten wird. Zudem wirkt vor allem die erste halbe Stunde des Films ziemlich intensiv beklemmend, wenn wir Nazi-Thesen und -Symbole nur so um Ohren und Augen gehauen bekommen.

Im Ausgang der Handlung wird zwar nicht die spannendste aller möglichen Richtungen eingeschlagen, stimmig ist er aber allemal. Und vermutlich entspricht er tatsächlich am ehesten den realen Geschehnissen, welche den Film inspiriert haben. Für politisch Interessierte und Freunde souverän inszenierter Thriller-Kost allemal sehenswert – 7 Punkte von mir.
D.S.
sah diesen Film im Cinestar, Frankfurt

05.09.2016, 03:10



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