Land of the Little People

Eine Frage der Ethik

von Frank
Ein ehemals zu militärischen Zwecken genutztes Gebäude, auf einem von Büschen und Sträuchern bewachsenen Gelände, haben sich Jugendliche als ihr Revier zum Spielen auserkoren. Als sich zwei Kriegs-Deserteure den Ort als Versteck aussuchen, kommt es zur Konfrontation mit Folgen.

Kinder, die Kriegsberichterstattungen im Fernsehen als tägliche Nachrichten hören und ihre Väter vermissen, weil diese in den Krieg ziehen. Die mit einer selbstgebastelten Armbrust durch ihren Alltag ziehen und die, völlig emotionslos, nicht zögern eine gefundene Waffe zu benutzen. Ich gehe mal davon aus, dass die Regisseure die Folgen des Krieges auf die kommende Generation darlegen wollten. Das wird intellektuell und auf der Dialog-Ebene auch einigermaßen verständlich. LAND OF THE LITTLE PEOPLE ist außerdem schön gefilmt, mit einer Kamera nah bei ihren Figuren und ordentlichen Schauspiel.

Wenn ein Film jedoch mit solch großem Thema aufwartet, sollte er auch Figuren präsentieren, deren Charaktere noch nachvollziehbar sind. Doch diese Charakter-Skizzen, denen eine tiefere Charakterisierung fehlt und denen in letzter Konsequenz wirklich kein menschliches Empfinden mehr innewohnt, verweigern dem Zuschauer zu wirklich jedem Protagonisten, der durchaus charismatischen jungen Schauspieler, empathischen Zugang. Hier fehlen einfach entscheidende filmische, nicht intellektuelle Hinweise, die mich davon überzeugen, dass die Kinder ausschließlich Opfer eines Systems bzw. der Umstände sind. Sie werden nicht zum Krieg geschickt bzw. befinden sich nicht in einem aktiven Kriegsszenario. Sie erleiden oder haben keine körperlichen Misshandlungen erlitten, die im Krieg möglich sind. Es werden keine Traumata aufgezeigt. Auch tägliche Indoktrination durch Erziehung und Schule scheint für die Filmemacher nicht von großer Bedeutung. Die alltäglichen Freiheiten der "kleinen Leute" sind letztlich auch noch groß genug. Sie treffen selbst Entscheidungen was sie sein wollen und wie sie sich verhalten.

Kurz: Hier geht es nicht um moralische Fragen und auch nicht bloß um das Schwinden von Empathie, sondern um ein grundlegendes ethisches Verständnis. Wenn dies offenbar jedem der Heranwachsenden fehlt, ist es nicht dem Aufwachsen unter diesen Umständen allein zuzuschreiben. Ethisches Empfinden ist nicht allein abhängig von anerzogenen Faktoren, wir kommen nicht als unbeschriebenes Blatt auf die Welt.

So stellt dieser Film, der suggeriert, dass die junge Generation eigentliches Opfer des Krieges ist, die Jugendlichen letztlich als Täter dar, deren Handeln emotional nicht plausibel scheint. Der Schrecken verliert seine Wirkung oder verkehrt sich ins Gegenteil und statt der zwei toten Soldaten, die, einer gesunden Ethik folgend, den Kriegsdienst verweigern, habe ich mir ein Pfeil in der Brust jedes dieser Kinder gewünscht. Ich habe meine Zweifel dass dies die Absicht der Regisseure war. Die vermeintliche Grundaussage passt nicht zur Struktur und emotionalen Auflösung. (Es sei denn die Regisseure wollten darauf hinweisen das fehlgeleitetes ethisches Verständnis nicht rein konditioniert ist.)

In seiner Gesamtheit scheint mir LAND OF THE LITTLE PEOPLE daher nicht schlüssig und somit in seiner Aussage gescheitert. Dazu ist er noch weitgehend spannungsarm erzählt. Weil er insgesamt jedoch kaum Langeweile aufkommen lies, gut gespielt und fotografiert war und mich immerhin so oder so emotional bewegen konnte, trotzdem (gerade) noch durchschnittlich.
Frank
sah diesen Film im Savoy, Hamburg

28.09.2017, 02:10



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