Burning

Korean Psycho

von Leimbacher-Mario
Manchmal wünschte ich mir, ich würde mir mehr Zeit nach Filmen nehmen und sie erstmal wirken lassen, bevor ich meine Kritik schreiben. Besonders bei Brettern wie „Burning“, die Nachwirken wie ein eingeklemmter Ischias. „Burning“ ist ein koreanischer Genremix, der einen eiskalt erwischen sollte. Daher hier auch nur ein Storyanriss: Ein junger Mann trifft eine alte Freundin aus Kindheitstagen wieder und als diese ihm einen seltsamen, reichen Freund vorstellt, läuft die Sache aus dem Ruder... Nächsten Monat könnte „Burning“ ein heißer Kandidat auf den Auslandsoscar sein und er landete auf etlichen Bestenlisten für 2018 von Filmfans und Fachleuten. Nach Betrachten dieses wuchernden Geschwürs weiß man auch warum. Vielleicht nicht sofort, aber es dämmert von Minute zu Minute mehr. Definitiv ein Film, ein Gefühl, ein Gedanke, der mich noch einige Tage begleiten wird...

„Burning“ fordert Geduld, man merkt, dass er die Zeit extrem dehnt und ob man aus einer Kurzgeschichte einen fast 150-minütigen Trip machen musste, sei mal dahingestellt. Doch seine einlullende Langsamkeit kommt ihm im Endeffekt zu Gute. Steven Yeun mal außerhalb von Zombies und Baseballschlägern zu sehen tut gut und er spielt den „Bösewicht“ der Geschichte wirklich eindringlich, ambivalent und passend. Allgemein ist die Besetzung klasse, die Bildsprache hypnotisch und der Soundtrack vollendet veredelt. Doch was am ehesten bleibt, sind die unsicheren Vibes, das Gefühl der Gefahr, der Angst und der Ratlosigkeit. Bei den Figuren wie bei uns Zuschauern. Alles lauert hier unterhalb der Oberfläche. Und was man nicht sieht, vielleicht sogar nicht versteht, macht noch mehr Angst... Über Klassenunterschiede und Machtlosigkeit, über Geilheit und Hunger, über Verdruss und Kälte, über Ungewissheit und Verlust. „Burning“ brennt noch lange nach und beschäftigt einen enorm. Selbst wenn man das gar nicht will. Komplexer und unterschwellig gemeiner geht’s kaum. Wie ein unaufhaltsamer, schlürfender Mix aus „American Psycho“, „The Invitation“ und alles einnehmender Einsamkeit. Fantastisch und überraschend. Außerdem traut er uns Betrachtern einiges zu und erklärt sehr wenig, was auf den ersten Blick frustrieren kann, doch im Endeffekt endlos belohnt und anstachelt. Fordernd und fördernd. Außergewöhnlich, vor allem heutzutage, wo vieles vorgekaut wird.

Fazit: Was für ein schleichender, kriechender, mäandernder und sich langsam zuziehender Würgegriff... Geduld und Sitzfleisch lohnen sich hier enorm. Zumindest für mich. Mysteriös, vielschichtig, brodelnd. Unter der ruhigen Oberfläche befindet sich kochendes Öl, das lange nachwirkt... Ein moderner, unwirklicher Alptraum in Zeitlupe. Für eine Generation der Langeweile und Empathielosigkeit.
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

20.01.2019, 02:50



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