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"Wir wollen doch nur spielen"

von Triggermike
Der folgende Review enthält SPOILER!
12,9 % von Bukarests 2,2 Millionen Einwohnern sind unter 15 Jahre alt, passt auf euch auf!

Die Kamera fliegt über Reihenhäuser, sie zeigt etwas körnig viele kleine Autos aus der Vogelperspektive und mittendrin das Parlament in Bukarest. Ein großer, weißer, prächtiger Bau.
Es kommt ein wenig wie ein Werbevideo der Tourismusindustrie daher, wie verspielt die Kamera über die Einwohner fliegt und Bukarest als eine Weltstadt entlarven will.
Gleich möchte der geneigte Urlauber seine Koffer packen und diesen Bauten und der Natur einen Besuch abstatten, doch wirklich nur in den allerersten Minuten, denn wenn die beobachtende Kamera aus der Vogelperspektive auf ein Schicksal zweier Bewohner schwenkt, will man schnellstens nach Hause und hofft, dass doch alles nur ein Film ist.

Viel weiß man über Lucas und Clementine nicht, sie ist Lehrerin. Er ist Schriftsteller, seit 3 Monaten wohnen sie am Rande Bukarests in einer etwas baufälligen, spärlich eingerichteten Villa. Einen ganz normalen Tag erleben wir in ihrem Leben. Mittag essen, neckisch, verliebt ärgern, Fernsehen gucken und irgendwann müde ins Bett fallen.

Wenn für einige diese Charakterzeichnung doch ermüdend wirkt, ist sie doch genauso konsequent realistisch wie der folgende Rest des Films.

Aufgeweckt von lauter Musik gehen die beiden an der Eingangstür nach einem Grund suchen, von weitem bellt der Hund, ein quiekendes Geräusch und er ist still. Fußschritte, leise Stimmen und imitierende Tiergeräusche sind zu hören. Langsam und angespannt traut sich Lucas, durch das kleine Fenster im oberen Türrahmen zu schauen. Auf einmal ein grelles Licht einer Taschenlampe und ein Rütteln an der Tür. Lucas und Clementine rennen weg, hoch ins Schlafzimmer, verschließen angespannt die Tür.

Beklemmender und realistischer kann man die Angst vor der Bedrohung im eigenen Haus und doch einer fremden Stadt nicht inszenieren. Minimalistisch sieht man meist nur die beiden Protagonisten und im Hintergrund spielen sich grausame Geräuschkulissen ab. Sehr professionell agieren die beiden Schauspieler, die den Film tragen. Es ist erst die Flucht und das Verstecken im eigenen Haus, dann im rumänischen Wald und schließlich in Tunnelbauten. Fiebert man nach gewisser Zeit nicht nur mit, sondern fühlt sich selber bedroht und verfolgt, hat der Film das erreicht, was er erreichen wollte und auch erreichen wird.

Wer nach "Severance", "Hostel" und "Ils" noch irgendwie die Idee hat, einen Firmentrip, Rucksacktrip dorthin zu machen oder sogar in Osteuropa zu wohnen, dem spreche ich viel Mut zu.
Auch nach der wirklich schlimmen Auflösung denkt man sich wieder, es ist nur ein Film, es ist nur ein Film, doch "Ils" beruht auf wahren Begebenheiten und das lässt das Gesehene noch viel fieser und unverdaulicher daherkommen.

An dieser Stelle mal wirklich ein großes Lob an den Spürsinn der Veranstalter und der neuen Sektion "Fresh Blood". Waren doch dort die meisten Perlen versteckt. Filme wie "Ils" oder "Brick" zeigen, dass man mit der Passion für Film, guten Darstellern und wirklich guten Drehbüchern keine 200 Millionen Dollar für Special Effects braucht, um gute Geschichten zu erzählen. Davon bitte mehr!
Triggermike
sah diesen Film im Cinemaxx 6, Berlin

16.08.2006, 12:50



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