crazy

The Survival of Kindness

Rather die alone

von D.S.
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Ich muss zugeben, dass ich mich Von THE SURVIVAL OF KINDNESS in weiten Teilen überfordert fühle. Vom selben Regisseur, dem in den Niederlanden geborenen, in Australien tätigen Rolf de Heer, stammt der viel gelobte BAD BOY BUBBY, den ich bis heute nicht gesehen habe – aber auch der beim FFF 2003 gezeigte ALEXANDRA’S PROJECT, den ich von damals als sehr spannenden Überwachungskamera-Thriller in Erinnerung habe. Sein neuer Film nun ist alles andere als das. Vielmehr handelt es sich um einen gleichermaßen postapokalyptischen wie inhaltlich extrem zeitgemäßen, dabei äußerst düster gestimmten Experimentalfilm im Gewand einer nahezu ohne Dialog auskommenden „Entdeckungsreise“ eines Opfers der westeuropäischen Kolonisationsgeschichte durch eine Welt, in der es seinen eigenen Platz zu finden versucht. Im Angesicht der Definitionsmacht der einstigen – und heutigen? – Herrscher.

THE SURVIVAL OF KINDNESS wird vielfach als Film über Rassismus und seine mörderischen Konsequenzen beschrieben, und in der Tat lässt er sich ohne Weiteres als solcher deuten. Nach einer Eröffnungssequenz, in der eine mit Gasmasken ausgestattete weiße Großfamilie eine Torte verspeist, die als Feier der Unterwerfung schwarzer Sklaven gestaltet ist, folgen wir der Geschichte einer jungen schwarzen Frau, die ohne weitere Begründung irgendwo in der Wüste in einem Käfig zurückgelassen wird. Nach mehreren Tagen, die im Filmverlauf eindeutig zu viel Zeit für sich beanspruchen, kann sie sich befreien und findet ihren Weg, Schritt für Schritt, in Richtung der Zivilisation, begegnet unterwegs aber unterschiedlichsten Gestalten – die sämtlichst nicht verständlich kommunizieren können. Es wird entweder genuschelt oder gebrüllt, später in Fantasiesprachen gesprochen, die von anderen Menschen auf dem gleichen Erfahrungshorizont vielleicht verstanden werden – oder auch nicht. Irgendwann erreicht sie eine Stadt, in der sie als Schwarze allerdings gefährdete Außenseiterin ist. Genau wie jeder andere, der nicht zufällig eine weiße Hautfarbe aufweist… In dieser Stadt gelangt unsere Protagonistin im Laufe der nächsten paar Tage zu einer Einschätzung über den Zustand der Menschheit, die ihr nur eine einzige Konsequenz offenlässt. Diese wird hier natürlich nicht verraten, aber formulieren wir es so: sie ist äußerst deprimierend.

Dies beschreibt im Wesentlichen auch die sonstige Stimmung und Aussage des Films, und in Kurzfassung bedeutet das: Als politischer Weckruf ist er außerordentlich eindrucksvoll, aufrüttelnd gelungen. Als Film-Film lässt er jedoch viel zu viele Fragen offen und enthält eindeutig zu wenige Momente, die das Publikum mitnehmen. Die Welt ist böse, keine Frage, und in dieser Geschichte ist sie es erst recht. Die eine oder andere mögliche Antwort auf die geschilderte Situation wäre da vielleicht hilfreich gewesen, um die Zuschauer zu aktivieren. Oder sie zumindest mehr für den Ausgang der Handlung zu interessieren. Mit viel gutem Willen 5,5 Punkte von mir – obwohl ich die Intention des Films schätze und er atmosphärisch tatsächlich einiges zu bieten hat, hat er mich einfach nicht ausreichend abgeholt.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

09.09.2023, 06:26



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