Itsy Bitsy Bastardsvon D.S. | |
Spinnen sorgen bei vielen Menschen für ein grundsätzliches Unbehagen – ich bin einer davon und blickte dem diesjährigen Abschlussfilm deshalb nicht nur mit Vorfreude und Neugierde entgegen, sondern auch mit einer gewissen Portion, nun ja, Nervosität. Wie sich herausstellen sollte, war diese alles andere als unbegründet. Denn VERMIN enthält eine gewaltig große Zahl an Szenen, in denen die fiesen kleinen Viecher maximal furcht- und ekelerregend durch die Gegend flitzen … Ihre mitunter wahnwitzig hohe Geschwindigkeit ist dabei sowohl Erkennungszeichen des Films als auch relatives Alleinstellungsmerkmal, jedenfalls kann ich mich gerade an keinen anderen Spinnenhorrorfilm erinnern, in dem die Biester derart schnell unterwegs sind. „Horrorfilm“ ist übrigens genau der richtige, entscheidende Begriff: VERMIN ist fast durchgängig komplett ernsthaft angelegt und aufs Erschrecken aus. Comic-Relief-Momente kann man an einer Hand abzählen und sie kommen fast ausschließlich im ersten Drittel zum Einsatz, als die Bedrohungslage als solche noch kaum etabliert ist. In deren Mittelpunkt steht eine Gruppe junger migrantischer Bewohner einer architektonisch durchaus interessanten Wohnanlage in den Pariser Banlieues, die mit dem Problem einer Giftspinnenplage konfrontiert wird, das sich kontinuierlich vergrößert. Verantwortlich dafür ist Hauptfigur Kaleb, der sich als großer Reptilien- und Insektenliebhaber auf dem Schwarzmarkt ein einzelnes, mit ausgestreckten Beinen gerade einmal handtellergroßes Exemplar einer exotischen Spinnenart zugelegt und dieses nicht gerade professionell in einem Schuhkarton in seinem vollgemüllten Zimmer untergebracht hat. Selbstverständlich entkommt das Ding – und es vervielfältigt sich so rasant, wie es sich vorwärtsbewegt. Seine natürlichen Freunde sind dabei dunkle und schwer zugängliche Ecken, von denen es in einem altertümlichen Hochhaus viele gibt. Besonders bedenklich ist dabei der Keller, dessen Beleuchtung nur noch teilweise funktioniert. Und, wenn überhaupt, nur von einem Drehregler in Gang gesetzt werden kann, der für nur eine Minute Licht sorgt, bevor er erneut betätigt werden muss … Das Setting und die Protagonisten lassen VERMIN in mancher Hinsicht tatsächlich an eine Kreuzung aus ATTACK THE BLOCK und ARACHNOPHOBIA erinnern, wie die Website „The Film Verdict“ vermerkt. Der humoristische, partyähnliche Aspekt des Erstgenannten geht diesem Werk jedoch vollkommen ab – der sozialkritische Unterton ist dagegen weitaus stärker ausgeprägt. Wie schon im Titel angelegt, geht es hier auch um die gesellschaftliche Position unserer Protagonistengruppe, die vom alten weißen Frankreich häufig im Wesentlichen wie Ungeziefer oder Unrat betrachtet und behandelt wird, ganz gleich, wie sehr der Einzelne sich auch bemühen mag, wert- und verantwortungsvolles Verhalten an den Tag zu legen. Dieser kolonialistisch geprägte Rassismus findet sich in VERMIN sogar personifiziert in der Form eines mittelalten Wutbürgers, der Kaleb des Drogenhandels verdächtigt und deshalb zu rabiaten „Law and Order“-Maßnahmen greift. Welche die Lage selbstredend nur noch verschlimmern. Apropos, auch die Staatsmacht und ihr Verhalten gegenüber den Unterprivilegierten spielen hier eine große Rolle. Sie ist nicht löblich, was vom Film in einer wütenden Weise thematisiert wird, die ein wenig an LA HAINE erinnert – genau wie der HipHop-geprägte Score. Der Soundtrack hingegen ruft Assoziationen an ein ganz anderes Meisterwerk hervor: Die Spinnenarmee in VERMIN gibt mitunter Klapperschlangen-ähnliche Geräusche von sich, die starke ALIEN-Vibes induzieren. In seiner Handlung hat das Spielfilmdebüt von Sébastien Vanicek kaum etwas Neues zu bieten, von der erwähnten Bewegungs- und Reproduktionsgeschwindigkeit der Spinnen vielleicht einmal abgesehen. Die CGI ist effektiv, aber nicht immer überzeugend, was insbesondere im letzten Drittel zutage tritt. Zudem können die Lautstärke und Vehemenz, mit der sich unsere Protagonisten mitunter anschreien, durchaus nerven. Trotzdem ist VERMIN ein echter Hit, zumindest für Spinnenphobiker. Die Biester sind unfassbar bedrohlich in Szene gesetzt, und es sind so unglaublich viele … Das sorgt so effektiv wie konsequent für Gänsehaut und Ekel, und das macht den Film in einem horrorseitig sehr dünn besetzten FFF-Jahrgang zu einem herausragenden Ereignis. Ein paar Logikschwächen und generischen Aspekten zum Trotz: 7,5 Punkte und ein nachhaltiges BRRRRRRR von mir. | |
![]() sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 14.09.2023, 22:36 |
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