Das Fleisch ist willigvon Leimbacher-Mario | |
Satte 7 Jahre hat es gedauert, bis uns Coralie Fargeat nach ihrem extrem stylischen Rape&Revenge-Brett „Revenge“ nun ihr neuestes Werk präsentiert. In und mit „The Substance“ ist sie mitten in Hollywood angekommen, zeigt dem dortigen Zeitgeist direkt mal den Mittelfinger und wandelt gewagt, abgefuckt, gewohnt stilsicher auf den Spuren von Cronenberg, Yuzna, Henenlotter und Carpenter. Vergleiche mit ihrer Landsfrau Ducournau muss sie sicher nun auch öfters hören. Ein beachtlicher Gencocktail. Handlung: Eine abgehalfterte Schauspielerin und Fitnessikone (genial, sehr nackt und ohne Ende mutig: Demi Moore!) soll von ihrer Firma bzw. ihrem Management gegen ein jüngeres „Modell“ ausgetauscht und in den Ruhestand geschickt werden. Da kommt ihr ein mysteriöses und experimentelles Programm gerade richtig, das eine ziemlich exakte Kopie oder Variante von dir verspricht - nur in jünger, knackiger, besser… Einer für die Bodyhorrorbestenliste „The Substance“ ist einer der größeren Hypegenreknaller des Jahres - und er wird sicher hier und da den Durchbruch in den Mainstream schaffen. Wo er dann wiederum sehr oft anecken, anekeln, angewidert abgewiesen werden wird, da bin ich mir sicher. Umso mehr gefällt und mundet er mir. Vielleicht hätte er noch ein Stück straffer und kompakter erzählt werden können, vielleicht ist er nicht subtil, vielleicht übertreibt er es an manchen Stellen mit Exzess und Parodie. Und dennoch: für mich ist das eine Bombe! Demi Moore war nie besser, mutiger, brachialer. Auch ihrem filmischen jüngeren Pendant Margaret Qualley gebührt mächtig Respekt. Beide sind ein Tandem, von dem man die Augen selbst in den schmerzhaftesten Momenten nicht lassen kann. Audiovisuell ist das eine Wucht, ein Styler vor dem Herrn. Obwohl sicher hier manche zum Sprichwort „Style over „The Substance““ greifen werden. Dennoch hat er etwas zu sagen. Und rammt es uns knietief in den Rachen. Sexy wird verdreht, der male gaze wird erst auf- dann vorgeführt, der gore gaze wird deftig bedient und dann comichaft überdreht. Das ist weiblich, das ist null schüchtern, das ist heftig. Das ist trotz seines uramerikanischen Schauplatzes doch sehr europäisch. Fargeat packt alles rein und will nichts auslassen. Das geht von Troma bis Lynch, von „Basket Case“ bis zum Home Shopping, von Cronenberg bis Verhoeven, von DSFs Sexy Sportclips bis zum „Elefantenmensch“. Das dehnt Grenzen (des Massengeschmacks), fleischlich wie kinotechnisch. Eine Tour de Farce. Eine gallige Missgeburt von Gesellschaftskritik und „Frauenpower“. Fargeat will nicht jedem gefallen, wird sie auch nicht. Aber ich habe jede Sekunde bestaunt und genossen. Fazit: Ein ziemlich ulkiges und ultimatives Statement zu Körperkult, Jugendwahn und Schönheitsidealen. Für mich ein direkter Bodyhorror-Klassiker. Matschig, drastisch, satirisch. Introvertiert und extrovertiert gleichzeitig - und das kann man auch noch wortwörtlich nehmen! Jane Fonda trifft „Society“. Genau die richtige Mischung aus eklig, tragisch, lustig. Demi Moores späte Krönung. „The Substance“ ist wenig mainstreamig und ziemlich in die Fresse - aber brillant! | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 19.09.2024, 12:33 |
Weitere Informationen (externe Links): | |||||