Cyrano de Paul Austervon D.S. | |
Sebastian Stan ist vor allem als der „Winter Soldier“ bekannt geworden: ein, von seiner moralisch dubiosen Hintergrundgeschichte einmal abgesehen, typischer stahlharter, kantiger Marvel-Hühne, ein Alpha-Mann, wie Gott und CGI ihn schufen. Angesichts dieser Tatsache kann die Rolle unbedingt überraschen, die er in der ersten Hälfte dieser lakonischen A24-Komödie mit großen Grotesken-Anteilen spielt: Seit dem Einsetzen einer nicht genauer beschriebenen Krankheit mit einem entsetzlich deformierten Gesicht geschlagen, gibt er die Verkörperung eines Freaks. Keines bösartigen, im Gegenteil: Sein Edward ist ein ruhiger, sehr zurückhaltender Zeitgenosse, der sich mit seinem Schicksal abgefunden hat – bis er eine neue Nachbarin bekommt, die bildhübsche Theaterautorin Ingrid (Renate Reinsve), in die er sich unsterblich verliebt. Nicht zuletzt, weil sie sich ihm gegenüber mehr als freundlich verhält. Doch, ach, wie schon dereinst in „Cyrano de Bergerac“: Sie schätzt seine Persönlichkeit, nicht aber sein Aussehen. Vor allem deshalb willigt Edward schließlich ein, eine experimentelle medizinische Behandlung über sich ergehen zu lassen. Nach einiger Zeit führt diese zu erstaunlichen Ergebnissen: Eines Morgens wacht er auf – und sieht aus wie der Sebastian Stan, den wir kennen. Sein Leben wird schnell zur Erfolgsgeschichte, womit der Film ganz ähnliche Themen wie THE SUBSTANCE aufgreift und dabei zwar weitaus weniger spektakulär, zunächst aber auch nicht unbedingt subtiler vorgeht. Diese Themen werden hier allerdings im weiteren Verlauf in eine ganz andere Richtung getrieben, werfen mehr Fragen auf, münden letztlich gar in einem geradezu labyrinthischen Wechselspiel, in dem Edwards Verhältnis zu sich selbst, zu seiner inneren wie äußeren Schönheit oder Hässlichkeit ein verlässlicher Boden immer mehr entgleit. Das entstehende Gefühl von Paranoia und Verlust, das Auftreten eines „Doppelgängers“ (?), das Verleugnen von und das Suchen nach sich selbst – all das trägt Züge früher Romane von Paul Auster, wenngleich das Gesamtergebnis weniger schwer als jene wirkt, erst recht weniger schwer als seelenverwandte Filme wie etwa ENEMY. Für meinen Geschmack hätte das Geschehen in einigen Teilen gerne noch etwas absurder daherkommen dürfen – die Tonalität des Films erinnerte mich irgendwie an Werke von Michel Gondry, es wirkt alles ein wenig verträumt, melancholisch, leise. Dennoch eine weitere beeindruckende Produktion von A24, in der insbesondere Sebastian Stan außerordentliche Wandlungsfähigkeit und schauspielerische Klasse beweist. 7 Punkte von mir. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 20.09.2024, 03:25 |
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