crazy

She Loved Blossoms More

Amphetamine Logic

von Alexander
Manchmal gibt es Filme, die einen wieder in die Zeit zurückversetzen zu vermögen, als das eigene Filmherz noch so wunderbar unverdorben und jungfräulich war, als selbst die simpelsten Filme, die man seinerzeit als Teenager auf einem von nur wenigen TV-Sendern auf seinem kleinen Röhrenfernseher in den 70er Jahren schaute, einen verzücken und entrücken konnten. „She Loved Blossoms More“ war für mich endlich mal wieder so ein Film.

Ich erinnere mich noch an eines meiner allerersten, und seinerzeit intensivsten Filmerlebnisse, als wäre es gerade erst gestern gewesen. Das war seinerzeit der Film „La Belle et la Bête“ aus 1946 von Jean Cocteau, dieser schwarz/weiß Klassiker, den ich mit etwa 10 Jahren seinerzeit im „ZDF Matinee“ sonntagmittags sehen durfte. Ein nachhaltiges Filmerlebnis, eine wunderschöne, und für meinen zukünftigen Filmgeschmack, sehr prägende Erfahrung.

Heute im Kino hatte ich seit langer Zeit wieder diesen „Kindheitsmoment“, diese unschuldige Faszination, mit weit aufgerissenen Augen und verzaubert, einem kleinen Kunstwerk beiwohnen zu dürfen, das die eigene Erwartung grandios übertraf. Würde Jean Cocteau heute noch leben, würde er wahrscheinlich solche Filme machen.

Die Geschichte ist spannend. Drei Brüder, ihres Namens „Japan“, „Dummy“ und „Hedgehog“ genannt, bewohnen ein pittoresk ausgestaltetes Haus, dessen Interior-Style irgendwo zwischen südeuropäischer Romantik, nordenglischem Gothic und bizarrem Landhaus-Stil angesiedelt ist, und dessen verantwortlich zeichnenden Innenarchitekten ich sofort für meine eigenen Räumlichkeiten verpflichten würde.

Zahlreiche Gothic Bands dürften Tränen vergießen, angesichts dieser Traumkulisse, die für so manche New Wave Songs der 80er die ideale Bühne auf MTV hätte sein können. Dabei wird der ungewöhnliche Einrichtungsstil nur noch von der intensiven Farbgebung einzelner Szenen übertroffen, die bereits in der noch leisen Einleitung andeuten, dass die rauschhaften Kulissen vielleicht noch von einer ebenso rauschhaften Handlung begleitet werden könnte.

Irgendwo in dieser Villa haben die drei Brüder ein Labor eingerichtet. Dort experimentieren sie mit einer nicht näher benannten oder im Detail beschriebenen Apparatur, einer Einrichtung irgendwo zwischen Teleporter und Zeitmaschine. Dieser fallen zunächst diverse Tiere zum Opfer, die als Versuchsobjekte dienen um die metaphysische Erfindung in der Praxis auszutesten, was nicht immer für befriedigende Ergebnisse sorgt, manchmal an den Film „Die Fliege“ von Cronenberg zu erinnern mag, und von mir nebenbei auch eine echte Warnung für zart besaitete Tierfreunde ist, dem Film fernzubleiben.

Offensichtlicher „Sinn“ der bizarren und mit seltsamer Selbstverständlichkeit erzählten Ambition der Brüder ist es dann, deren verstorbene Mutter wieder aus dem Jenseits (oder der Vergangenheit?) zurückzuholen, wobei die Hintergründe der Familie und die ganze Dramaturgie sich nur sehr langsam entblättern.

Dabei driftet „She Loved Blossoms More“ immer mehr in eine rauschartige Fantasie ab, die stellenweise nicht mehr zu begreifen ist. Man gibt sich wie selbstverständlich und ganz nebenbei dem Drogenkonsum hin und sogar das kolumbianische Marschierpulver liegt in diesem Film nicht weiß, sondern in schillernden gelben und grünen Lines auf dem Tisch. Irgendwann verschmelzen Rausch und Realität, ist der Film eine die eigene Sensorik betörende Kunst, die man am liebsten auch selbst riechen, schmecken und fühlen würde.

In einem Satz lässt sich „She Loved Blossoms More“ wohl am besten als einen europäischen, „southern steam punk gothic trip“ beschreiben. Die audiovisuellen Effekte sind angesichts des sicherlich extrem begrenzten Budgets mehr als nur beeindruckend, so wie auch Set- und Creature-Design. Aber der Film mag sich nicht alleine auf seine opulente Optik beschränken, sondern fordert den Cineasten schelmisch heraus, in dem er sogar Zitate aus diversen Stanley Kubrick Filmen einstreut, wie z. B. „It is full of stars“ (2001) oder „All work and no joy make Jack a dull boy“ (Shining). Ich war vollkommen geflashed. Was die Griechen hier als Erstlingswerk abgeliefert haben, ist eine Granate und ich bin mir sicher, dass wir von Regisseur Yannis Veslemes in der Zukunft noch einiges sehen werden.

Meine Bewertung werden hier wahrscheinlich wieder einige nicht verstehen. Ich bewerte Filme halt nicht nach ihrer Logik, den schauspielerischen Leistungen oder der handwerklichen Perfektion. Ich bewerte sie danach, ob sie mich nachhaltig beeindrucken können. Und das konnte „She Loved Blossoms More“. Denn im Gegensatz zu dem gehypten „The Substance“ ist „She Loved Blossoms More“ nicht nur plakativer „Körper“, sondern eben auch extrem viel „Seele“.

Deshalb 10 Sterne von mir, für einen der besten FFF-Drogentrips seit „Naked Lunch“.

„All your hidden faces
Your seven veils unfold
Give me forbidden places
All your tales untold
Give me ever and always
Ever and always
Body and soul
Heaven and hope eternal
Over your heart of gold
Sun and sunset
Burning in the flame you hold“

The Sisters of Mercy, „Body & Soul“, 1984.
Alexander
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

20.09.2024, 20:32



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