So ruhet in Frieden … wenn wir euch lassenvon D.S. | |
HANDLING THE UNDEAD ist die Verfilmung des zweiten Romans von John Ajvide Lindqvist, der in Deutschland 2008 unter dem Titel „So ruhet in Frieden“ veröffentlicht wurde. Was man sicherlich als Versuch interpretieren kann, von der Popularität seines Debüts „Let the Right One in“ zu profitieren – das hatte hierzulande schließlich den Titel „So finster die Nacht“ verpasst bekommen. Es ist viel zu lange her, dass ich das Buch gelesen habe, weshalb mir Details kaum mehr präsent sind. Ich erinnere mich an eine umfassend tieftraurige Stimmung und an die mitunter sehr nahegehende Schilderung der emotionalen Schmerzen, unter denen hier Figuren leiden, die mehr als nur jemanden verloren haben, der ihnen sehr wichtig war: die ihre Liebe, ihre Hoffnung, ihre gesamte Lebensfreude verloren haben. Ein noch mal deutlich düsterer Roman als der Vorgänger, und das gilt erst recht für seine Verfilmung im Vergleich zu LET THE RIGHT ONE IN. Während letzterer ja bereits an der Oberfläche seiner Handlung die Möglichkeit und Kraft von wahrer Liebe und damit etwas Positives beschwört, muss man als Zuschauer hier wesentlich tiefer schürfen, um irgendwelche Wohlfühlgefühle – oder die Möglichkeit von solchen – ausfindig zu machen. Sie liegen verborgen unter wahren Tonnen von Trauer und filmgewordenem Unglücklichsein. Ja, HANDLING THE UNDEAD ist deutlich mehr Drama als „irgendwas mit Horror“. Zumindest, wenn man Horror klassisch/physisch versteht und vom letzten Viertel des Films einmal absieht. Es handelt sich hierbei vor allem um eine schwermütige Meditation über das Abschiednehmen und unseren Umgang mit dem Tod. Die sich des Themas mittels der Betrachtung dreier verschiedener Menschen bzw. Familien annimmt, die jeweils eine geliebte Person verloren haben – die kurze Zeit später, ohne weitere Erklärung, wieder vor ihnen steht. Oder auch von ihnen aus dem frischen Grab ausgebuddelt wird. Nicht tot. Aber auch nicht recht lebendig. Etwas unheimlich und abwesend aussehend, aber nicht wie ein typischer furchterregender Zombie. Nicht sprechend, aber doch auf bestimmte Signale oder Erinnerungen reagierend. Mit einem Puls. Aber einem sehr, sehr schwachen. HANDLING THE UNDEAD beginnt trist und diesig, mit einem Kameraflug über graue Hochhauswohnblöcke in Norwegen, und diese Atmosphäre breitet sich bis zuletzt über das gesamte Geschehen aus. Zusammen mit dem sehr niedrigen Tempo, durchgängig äußerst langen Einstellungen und erst zum Schluss auch vordergründig auftretenden Handlungshöhepunkten präsentiert sich der Film so nicht gerade besonders einladend, hat vor allem wenig zu bieten, was dem meist auf eher kurzweilige Unterhaltung gepolten Festivalpublikum ein befriedigendes Erlebnis verschaffen könnte. Auf seine nachhaltig entfaltete tragische Tiefe muss man sich einlassen wollen, für ein Eintauchen in das Gefühl von Schmerz und eine Reflexion über unsere Neigung, uns ungesund an Verlorengegangenes zu klammern, bereit sein. Ist man das, reißt einen der Film vielleicht trotzdem nicht automatisch mit. Aber man kann sich zumindest dabei ertappen, dass einem einige Momente brutal ans Herz gehen – wie etwa eine von „Ne me quitte pas“ untermalte, vernichtend traurige Abschiedssequenz zweier langjähriger Liebender. Zunächst mag man sich hier, speziell der Langsamkeit und Sprödheit wegen, oberflächlich durchaus an den französischen FFF-Beitrag LES REVENANTS von 2004 erinnert fühlen. Jedoch ist nicht nur das Spektrum der Handlung ein vielfach begrenzteres und vor allem intimeres: Kehrten dort über Nacht 70 Millionen Untote in die Welt der Lebenden zurück, geht es hier nur um drei. Insbesondere aber behandelte jener Film dementsprechend auch explizit unseren gesamtgesellschaftlichen Umgang mit dem Tod, unsere unreife, unterkühlte Distanzierung von ihm. Hier stehen dagegen individuelle Schicksale im Vordergrund – und darüber entwickelt HANDLING THE UNDEAD eine weitaus größere emotionale Wucht, da Verlust und Schmerz aus größerer Nähe und wesentlich unmittelbarer erlebbar gemacht werden. „Der Tod ist nur für die Überlebenden ein Problem“, heißt es an einer Stelle. Das stimmt wohl. Aber es ist ein großes – was hier eindrücklich vermittelt wird. Von mir dennoch nur 6 Punkte, da ich mich selbst offensichtlich nicht ausreichend auf die Schwere und Tiefe des Dargebotenen einlassen konnte. Eine weibliche Hauptfigur wird übrigens, überaus lebensecht, von Renate Reinsve (THE WORST PERSON IN THE WORLD) gespielt – die wir beim Festival auch in A DIFFERENT MAN in einer Hauptrolle zu sehen bekamen. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 29.09.2024, 02:11 |
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