She Will

Kohlenstofffemoxid

von Leimbacher-Mario
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„She Will“ ist ein sehr weiblicher Hexenrevenger, der stylisch am „Arthouseabgrund“ tanzt. Komplett ohne Spannung für mich. Dafür mit klarer Aussage, sehr viel Stilbewusstsein, einer famosen Altheldin, der man ihre späte Rache gönnt. Kaum Horror, viele Schmerzen. Salem trifft Qualen, Trauma trifft Fauna, Krebs trifft Kohle. Extra peated. Gibt es Whisky aus der Region? ;) Handlung: Eine von (Brust)Krebs geplagte und gezeichnete ältere Dame und ehemalige Schauspielerin fährt mit ihrer jungen Betreuerin in ein sehr nebliges, mysteriöses Naherholungsgebiet (?) bzw. eine Art Künstlerselbstfindungsgruppe, wo ihr die Erde und die Vergangenheit ganz neue Kräfte verleihen…

Ein wenig an „The VVitch“, ein wenig an „Under The Skin“, ein wenig an einen hexerischen „Sunset Boulevard“ erinnert „She Will“. Soghafte Bildcollagen, rachsüchtiger Schlamm, kraftvoller Wald, alte Männer gegen noch ältere Magie. Alice Krige ist ein Ass im Ärmel dieser Hokospokusmischpoke. Auch die junge Kota Eberhard ist eine Entdeckung. Die Discoszene ist nicht nur musikalisch ein Highlight. Imposante Bildsprache. Viel Wut im Bauch. Feminin und fantastisch in seinen besten Momenten. Meist für mich jedoch Style over Substance. Leider. Seine Themen bespielt und nennt er nur, ohne auch nur einen Hauch hinzuzufügen. Das Ende ist porentief unterwältigend. Malcom MacDowell bleibt eine Randerscheinung. Die Nebenfiguren sind ein schlechter Witz. Der Score und das mystische Singsang wie frisch aus Salem gehen unter die Haut. Doch am Ende blieb ich eiskalt und allein zurück. Zweite Sichtung aber essenziell. Während einem Festival kann sowas in der Masse schnell mal an Wert verlieren.

Fazit: Bildgewaltig, atmosphärisch, leider aber auch völlig spannungsarm und ohne Neues zum Thema female empowerment. Grand Dame Krige ist aber natürlich über jeden Zweifel erhaben!
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

03.04.2022, 01:22


Filmemachen ist keine Hexerei

von Herr_Kees
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Ein schlechtes Drehbuch kann einen Film ruinieren. Aber so ganz ohne Drehbuch, das ist doch auch keine Lösung.

SHE WILL hat gerade mal einen Hauch von Handlung: Die alternde Filmdiva Veronica verbringt, begleitet von ihrer jungen Pflegerin, einige Tage in einem Künstler-Retreat in den schottischen Highlands (von denen man aber leider fast nur Waldaufnahmen bei Nacht sieht). Dort beginnt dann eine freie filmische Assoziation über Weiblichkeit und Alter, Natur und Vergehen.

Nun ist nicht jede/r Filmstudierende der neue Terence Malick und Charlotte Colberts Langfilmdebüt kommt über schöne Bilder und löbliche Absichten nicht hinaus. Vermutlich sind auch die eingestreuten Schneckenfilme keine selbstironische Anspielung auf das Tempo des Films, sondern eine weitere prätentiöse Matriarchatsmetapher.

Denn um Hexen geht es natürlich auch noch, deren Frauenpower steckt noch tief im Highlandschlamm und ihre Asche schneit ab und an durch die Gegend, weil natürlich auch das klasse aussieht. Schließlich kristallisiert sich auch noch ein Missbrauchs- und Rache-Thema heraus, das deutlich an die bekannte Polanski-Affäre angelehnt ist.

An Motiven mangelt es dem Film also nicht. Er scheitert allein daran, sie zwingend zu verbinden und für den Zuschauer interessant aufzubereiten.
Herr_Kees
sah diesen Film im EM, Stuttgart

10.04.2022, 00:57


Zauberberg(in)

von D.S.
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Nachdem Dario Argento mit DARK GLASSES seine, je nach Gusto, erfreuliche oder auch traurige Rückkehr zum FFF gefeiert hat, beehrt er uns mit SHE WILL gleich noch mal – hier zwar nur als einer von zig Produzenten, aber immerhin mit einem „Presented by…“-Credit.

Und was soll man sagen: Dies ist ein Film geworden, den er als Regisseur wohl zu gerne selbst noch einmal hinbekommen hätte. Ein ästhetisch-ätherischer Trip in die schottischen Highlands, unterlegt mit einem Score des unantastbaren Clint Mansell, der sich thematisch wie atmosphärisch ein bisschen nach einer abseitigen Kreuzung aus A CURE FOR WELLNESS und Hexengeschichten anfühlt, oder auch nach einer so halluzinatorischen wie modern geprägten Indie-Genrevariante von Thomas Manns „Zauberberg“.

Im Zentrum der Handlung steht dabei eine ehemalige Filmdiva (beeindruckend: Alice Krige, natürlich unser aller „Borg Queen“, aber jüngst auch als Hexe in GRETEL & HANSEL in Erscheinung getreten), die sich nach einer schweren Brustkrebs-OP zur Erholung in ein entlegenes Resort/Refugium begibt – und ihrer Umwelt bzw. ihrer Pflegerin und den anderen dort Anwesenden mit maximaler Verachtung und Zynismus begegnet. Im Laufe ihres Aufenthalts wandelt sie nicht nur in Erinnerungen an ihr von Missbrauchserfahrungen geprägtes Leben: auch scheint ihr Geist die Fähigkeit zu entwickeln, durch Zeit und Raum zu wandeln …

Storyseitig mag SHE WILL etwas dünn erscheinen, auch macht er aus seinen anderen großen Darstellernamen Malcom McDowell und Rupert Everett enttäuschend wenig. Rein visuell und atmosphärisch ist er jedoch ein klares Highlight des Festivals – ein verzaubernd düsterer Trip in irdisches Leiden und überirdische Überwindung. 7 Punkte; empfohlen.
D.S.
sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt

10.04.2022, 03:01




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