Sissy Abspacekvon Leimbacher-Mario | Permalink |
Man könnte bei „Sissy“ und seinen Trailern einen weiteren, überdrehten und nervigen, aufgesetzt-selbstreflektierten und unfreiwillig bornierten „Kill the Generation Y“-Beitrag erwarten. Bekommen tut man nicht weniger als eine der besseren Horrorkomödien der letzten Jahre - die es endlich mal wieder seit langer Zeit schafft, Horror und Humor, Schocks und Spaß, Grinsen und Gore unter einen bezaubernden, mit Sternenglitzer bestäubten Hut zu bringen. Erzählt wird von der recht erfolgreichen Influencerin Sissy/Cecilia, die zufällig ihre damals beste Kindergartenfreundin wiedertrifft und mit deren neuer, unangenehmer Hipsterclique in ein abgeschiedenes Luxushäuschen fährt - wo sich schnell alte Traumata auftun und die Leichen stapeln … „Sissy“ war ein perfekter Rausschmeisser auf einem der letzten Tagesslots des diesjährigen Fantasy Filmfests. Launig, lustig, dennoch hart und herzlich. Comichaft überzogen und dennoch mit genug schmerzhaften Wahrheiten. Womit ich nicht alle YouTuber zu Killern und alle Influencer zu Psychopathen abstempeln will. Der Film auch nicht. Dennoch stellt er völlig zurecht die Frage, ob das wirklich die besten, meist selbsternannten Vorbilder und „Experten“ sein sollten. Oder ob ihr oft egoistisches und unüberlegtes Treiben nicht sogar schwere Konsequenzen nach sich ziehen kann. Mörderische Maskerade. Doch auch abseits solch brisanter Streitthemen der aktuellen Zeit, Gesellschaft und Generation, kann „Sissy“ auch ganz basic und bierselig fesseln, kitzeln und killen. Witzigere JumpScares sieht man selten, brutalere und abstrusere Morde ebenso. Dazu ist die Hauptdarstellerin Zucker. Tödliches Zucker. Aber Zucker. Die clever-dezenten Verbeugungen vor seiner Nische sind gekonnt - etwa eine Jason-artige „Elon Maske“ in der Badewanne oder ein Score, der zuerst unpassend barock und eher in ein Schloss zu Frankenstein passend wirkt, dann sich jedoch trotzdem gehörig ins Ohr tröpfelt und das „Monsterthema“ auditiv verdeutlicht. All solche Details lassen die Zeit flott verstreichen und tragen zu einem feuchtfröhlichen Abend mit „ziemlich besten Freinden“ bei. BFFs bis dass der Canceltod uns scheidet. Süß und saftig. Fazit: Schön-gemeine Slashersatire und Influencerentlarvung - zwischen Splatter, Psycho, Social Media, Mobbing und Carrie. Bunt, bissig. Balance passt. Leichen und Lachen. Modernes Mitternachtskino. Nice! | |
Leimbacher-Mario sah diesen Film im Residenz, Köln | 16.09.2022, 01:55 |
I am loved. I am special. I am enough. I am doing my best.von Herr_Kees | Permalink |
Cecilia wird von ihrer ehemals besten Freundin nach einem überraschenden Wiedersehen spontan zu deren Junggesellinnenabschied eingeladen. Bei diesem Wochenende ist allerdings auch Alex, Cecilias frühere Erzfeindin mit dabei, was bereits zu ersten Spannungen führt. Und es dauert nicht lange, bis sich herausstellt, dass die Selbsthilfeinfluencerin psychisch selbst nicht so ganz stabil ist. SISSY (sorry, „Cecilia“) beginnt als nette Influencersatire und entwickelt sich nach etwas Leerlauf noch zu einem überraschend splattrigen Gemetzel. Da ist zwar nichts dabei, was man als Genrekenner nicht schon oft gesehen hätte, der Kontrast von queerer Glitzerwelt und plötzlichen, recht blutigen Todes(un)fällen ("It was not my fault!") kommt jedoch unerwartet, wobei der Film an sich einen durchaus vorhersehbaren Ablauf nimmt. | |
Herr_Kees sah diesen Film im EM, Stuttgart | 16.09.2022, 14:01 |
Closer than my closest Friendvon D.S. | Permalink |
Niemand kann schlimmere emotionale Wunden zufügen als Kinder – und keine emotionalen Wunden sind schlimmer als die, welche man als Kind zugefügt bekommt. SISSY gelingt das Kunststück, derart beklemmende, tragische Wahrheiten wie nebenbei und auf unterhaltsamste Weise zu vermitteln, eingebettet in eine zunächst bonbonbunte Influencer-, dann blutrot getränkte Psychopathen-Welt. Wer hier tatsächlich Opfer und wer Täter ist, wenn die als Kind gemobbte und ausgegrenzte Cecilia viele Jahre später mit ihrer damaligen Peinigerin zusammentrifft, lässt der Film bis zum Ende in mancher Hinsicht offen. Eine zusätzliche Dimension erhält der Konflikt dadurch, dass auch Cecilias ehemals aller-, allerengste Freundin anwesend ist – die sie damals verraten hat, oder auch nicht? Sowie ein paar weitere, der Einfachheit halber als urbane Hipster mit allen typischen, fragwürdigen Eigenschaften zu klassifizierende Bekannte. Genügend Personal für ein ausschweifendes Spiel zwischen Angst und Wahn, Selbstzweifeln und Achtsamkeit, Ausgrenzung und upppps, Verunfallung ist jedenfalls gegeben, und die Gewaltspitzen der zweiten Filmhälfte werden durch mitunter abgrundtief böse Dialoge in der ersten Filmhälfte gebührend eingeleitet. Wo der Trailer eventuell ein an den Nerven zerrendes Eitelkeitsfest der Unsympathen erwarten lässt, erweist sich zumindest unsere Titelfigur als weitaus vielschichtiger, interessanter, verstörender und zugleich bezaubernder. Man möchte sie mögen, aber das macht sie einem nicht immer leicht. Oder ist das alles am Ende doch gar nicht ihre Schuld? Wenngleich SISSY zwar natürlich keine völlig neuen Wege beschreitet – sowohl stilistisch als auch inhaltlich hat man das alles schon mehrfach gesehen –, langweilt er doch nie und schafft es, einen für seine Hauptfigur einzunehmen. Beziehungsweise für das Schicksal, das sie erwartet. Je nach persönlicher Disposition. Klischees werden nicht immer ausgelassen, aber angesichts der Abgründigkeit der Handlung sowie auch des Tempos der zweiten Filmhälfte fällt das nicht sehr ins Gewicht. Die Einleitung des Dramas zieht sich jedoch klar zu lang und allen Figuren neben der Protagonistin fehlt es sehr an Tiefe. Insgesamt gibt’s von mir dafür gute 6 Punkte. Eine positive Überraschung. | |
D.S. sah diesen Film im Harmonie, Frankfurt | 23.09.2022, 04:05 |
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