crazy

Tesis

Snuffington Post

von Leimbacher-Mario
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Heutzutage weiß gefühlt jedes Kind, dass die Spanier eine beeindruckende Filmlandschaft haben, vor allem mit wendungsreichen, stilvollen Thrillern, die in den letzten Jahren die Welt im Sturm erobert haben, von denen jeder neuer heiß erwartet wird. Von „Sleep Tight“ über „The Body“ bis „Parallelwelten“ gibt es da schon einige Perlen zu entdecken und Hitchcocks Erben tummeln sich am ehesten momentan dort. Mitte der 90er sah das alles aber noch völlig anders aus - Alejandro Amenabars „Tesis“ war damals die saftige Ausnahme in einer kargen Wüste ohne wirkliche Hoffnung auf Umschwung. Und vielleicht wäre es zu viel, die komplette Entwicklung auf diesen intelligenten Meta-Thriller zu fußen, doch ein Grundpfeiler ist er mit Sicherheit, man muss gar nicht allzu genau hinschauen, um enorme Parallelen und Einfluss auf seine vielen Nachfolger im Geiste ausfindig zu machen. Genauso wie er von Hitchcock, Clouzot und Carpenter gelernt hat, nahm sich eine ganze Generation ein Beispiel an ihm. Und diese Früchte verzehren wir noch immer regelmäßig aktuell.

„Tesis“ handelt von einer jungen Studentin, die sich Snuff-Filme und die Faszination der Menschen mit dem Tod als Thema für ihre Thesis ausgesucht hat. Doch ihre Nachforschungen an der Uni decken Unheimliches auf, in ihr selbst wie im Umfeld der Fakultät, was sie schnell in eine lebensbedrohliche und tief verunsichernde Lage bringt... Selbst wenn man mal seine Vorläuferstellung und Vorbildposition außer Acht lässt: „Tesis“ ist ein verdammt achtsamer, vielschichtiger und packender Thrillerhappen. Die Darsteller sind vielleicht nicht alle top, ein paar Minuten befinden sich vor allem in der zweiten Hälfte zu viel auf der Uhr und nicht jede Abbiegung nimmt man komplett ohne Murren mit - doch insgesamt war ich sehr angetan von dem Spiel mit Tabus, mit der Neugier, mit dem Morbiden und mit der Todessehnsucht. Kein Wunder, dass Amenabars Sprung nach Hollywood nicht mehr lange auf sich warten ließ. „Tesis“ braucht keine großartigen Gewaltexzesse, um auf sich und seine Themen aufmerksam zu machen, ganz im Gegenteil. In seiner Auslassung von Perversitäten und Abscheulichkeiten liegen seine Stärken und Kernaussagen, Letztere, uns Zuschauer direkt betreffend und ansprechend. Score und Inszenierung können ebenfalls einiges, herausstechend ist für mich z. B. eine Szene mit Streichhölzern in einem unterirdischen, stockdunklen Gang. Wer also Gefallen an jüngeren spanischen Spannungszangen wie „Julias Eyes“ oder „The Invisible Guest“ gefunden hat, sollte diesen Ausgangspunkt hier auf jeden Fall schnellstens aufsuchen, nachholen und genießen. Abends, allein in der Wohnung, mit einem lecker Sekt unter der dicken Kuscheldecke. Da kommt sicher Stimmung auf. Da kann kein „8mm“ mithalten.

Fazit: Einer der wichtigeren, einflussreichsten spanischen Thriller überhaupt, ein knackiges Tabu-Thema (selbst wenn es nur als Aufhänger dient) und eine fesselnde, spannende Story mit unzähligen Wendungen, Finten, Abbiegungen - „Tesis“ bietet wenig „Snuff“ und Gore, ist aber ein stilvoller, fast klassischer Krimi nahe an Abgründen. Amenabars eindrucksvolle Bewährungsprobe und erfolgreiches Bewerbungsschreiben an die Traumfabrik. Eindringlich. Ein Thriller mit Mehrwert.
Leimbacher-Mario

01.10.2019, 13:59




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