The Ugly Stepsister

Wer schön sein will, muss ganz schön leiden.

von D.S.
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Das Gute:
Diese sehr freie, mitunter auch freidrehende Interpretation des wohlvertrauten Märchens von Aschenputtel hat eine ganze Reihe Szenen zu bieten, die sich in echter Ekligkeit suhlen – und beim entsprechend gepolten Publikum deshalb feinstes Unbehagen verursachen. Kino, das Emotionen auslöst, ist in meinen Augen eigentlich immer, automatisch, gelungenes Kino, denn damit beweist es Kraft und auch Können. THE UGLY STEPSISTER kann, und das kräftig.

Auch die „technische“ Klasse der Umsetzung darf nicht unerwähnt bleiben. Im Besonderen Maske, Kostüm und Set-Design/Dekoration sind beeindruckend. Ganz besonders für einen Debüt-Spielfilm. Die Darstellerinnen können ebenfalls überzeugen und erwecken ihre Figuren glaubhaft zum Leben.

Das Gute und Schlechte:
Hier ist einfach jede Figur ein absolutes Arschloch. Fast ausnahmslos – höchstens die jüngere Stiefschwester Alma zeigt so etwas wie Menschlichkeit, allerdings spielt sie für die Handlung (bis zum Ende) so gut wie keine Rolle. Alle anderen sind aber kaum erträgliche Widerlinge. Die zwischen naiv, bemitleidenswert und niederträchtig oszillierende „hässliche Stiefschwester“ Elvira genau wie das arrogante „Aschenputtel“ Agnes, vom werten Herrn Chauvi-Prinz ganz zu schweigen. Das erhöht natürlich einerseits die Freude daran, diese Ekelpakete leiden zu sehen (und spricht die wohl jedem*jeder inhärente bösartige Ader an). Andererseits aber macht es das nahezu unmöglich, sich um das Wohlergehen der Figuren wirklich zu scheren. Was schnell zu einer erheblichen grundsätzlichen Distanz des Betrachters gegenüber dem Geschehen führen kann.

Das Schlechte:
Es dauert durchaus ein Weilchen, bis die Handlung Fahrt aufnimmt. Man braucht Geduld, bis man „Belohnung“ erfährt. Und bis dahin wird über einen Großteil der Laufzeit hinweg wirklich wenig geboten, was Höhepunkte betrifft.

Dass weder die Figuren realistisch noch ihre Handlungen ernsthaft nachvollziehbar erscheinen, dürfte nicht überraschen. Es handelt sich nun mal um ein Märchen. Doch wenngleich der Film die Charaktere seiner Vorlage spannend uminterpretiert – und sich dabei auch nicht die Chance entgehen lässt, zwischen den Zeilen ein paar sozio-politisch relevante Statements abzugeben –, gelingt es ihm nie, sie aus bloßen Zeichenträgern in sich vielschichtig oder schlicht menschlich anfühlende Wesen zu verwandeln. Sie dienen nach wie vor bloß als Symbole, wenn auch nun für anderes. Insofern fühlt sich der Film in mancher Hinsicht oft etwas zu verkopft, zu wenig lebendig an. Natürlich keine gute Voraussetzung für eine (als solche gedachte) bissige schwarze Komödie.

Und die Story, naja, die kennen wir nun wirklich alle zum Einschlafen gut genug. Zwar wird sie, werden ihre potenziellen Implikationen radikal auf die absolute Spitze getrieben. So etwas wie echte Spannung bleibt aber dennoch, kein Wunder, komplett auf der Strecke. Das zwischendurch immer wieder schwer gedrosselte Tempo hilft nicht.

The Gesamturteil:
Vielleicht hat sich Regisseurin Emilie Blichfeldt ein wenig verhoben: Ihr erster Langfilm unterhält, nach einigen Startschwierigkeiten, insgesamt sehr gut und bietet gerade Genrefans mit einer gewissen Toleranz für unangenehmere, manchmal auch harte Kost viel, das Freude macht. Insbesondere, wenn diese Freude auch Schadenfreude oder generelle Missgunst für miese Menschen bedeuten darf. Viel Sarkasmus und nonchalante Boshaftigkeit bekommt man jedenfalls zweifelsfrei geboten. Allerdings lässt einen das Gefühl nicht los, dass gleichzeitig auch eine inhaltliche „Mission“ verfolgt wurde. Was absolut nichts Schlechtes sein muss. Man sollte es als Zuschauer*in halt nur nicht so deutlich spüren, wie es hier der Fall ist.

Überhaupt: Zu viel Hirn, zu wenig Herz? Kann sein. Dafür gibt’s aber zumindest etwas Blut zu sichten. Und diverse andere, sehr viel unschönere Körperausscheidungen. Was, zusammen mit der angenehm fiesen Grundstimmung und den anderen genannten Positivaspekten, für absolut okaye 7 von 10 Punkten sorgt.
D.S.

08.05.2025, 01:29


Drei Schönheits-OPs für Aschenbrödel

von Herr_Kees
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Was für eine wunderbare Idee, die bekannte Aschenputtelgeschichte mal aus der Perspektive einer der „bösen“ Stiefschwestern zu erzählen! Regisseurin und Drehbuchautorin Emilie Blichfeld mixt für ihren modernen Märchenfilm vor allem zwei der bekanntesten filmischen Vorlagen: Disneys klassischen CINDERELLA (1950) und den vor allem in Deutschland so beliebten DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL (1973), dem der Film auch seinen hellen, weichgezeichneten Look und die immer etwas miefig anmutenden Kostüme verdankt. In einer Szene summt „Aschenputtel“ Agnes sogar Karel Svobodas legendäre Titelmelodie.

Für die festliche Vorweihnachtszeit ist Blichfelds Debut dennoch nur bedingt geeignet, denn wir folgen hier der Leidensgeschichte der mit nicht ganz so guten Genen gesegneten Stiefschwester Elvira – zu einer Zeit, als Bodyshaming noch zum guten Ton gehörte. Das leicht pummelige Mädchen mit den schlechten Zähnen soll für den Prinzen gepimpt werden und muss nun auf Anweisung ihrer (wirklich bösen) Mutter eine viermonatige Tortur über sich ergehen lassen, um auf dem großen Debütantinnenball (sprich: Jungfrauenschau) zu punkten.

Dabei assistiert ihr mit großer Hingabe zu seinem Beruf „Dr. Esthétique“ (Firmenmotto „Beauty is pain“) mit gezielten Eingriffen und modernsten Techniken – für die damalige Zeit, versteht sich. Diese Behandlungen und auch die spätere „Selbstverarztung“ Elviras werden selbst einige hartgesottene Bodyhorror-Fans zähneknirschend unter den Kinositz zwingen, denn sie sind ungewöhnlich realistisch in schonungslosen Closeups gefilmt. Und sie tun richtig weh – Respekt für Lea Myren, die sich hier quasi die Seele aus dem Leib spielt. Da THE UGLY STEPSISTER aber eigentlich eine (zugegebenermaßen sehr gnadenlose) Komödie ist, muss man über diese übertriebenen Grausamkeiten auch gleichzeitig lachen.

Nach dem ebenso brutalen wie seltsam schönen Ende wünscht man sich schließlich, Disney würde von seinem Trip runterkommen, jedes seiner frühen Meisterwerke als Realfilmfassung zu verhunzen und stattdessen Genreregisseuren Geld in die Hand geben, um ihre Stoffe aus bislang ungesehenen Perspektiven neu zu erzählen. Freuen wir uns auf die Perspektive der „Red Queen“ auf ALICE IN WONDERLAND, auf die JUNGLE BOOK Geschichten der Schlange Kaa und BAMBI aus der Sicht des Jägers!
Herr_Kees
sah diesen Film im EM, Stuttgart

10.05.2025, 00:52


Diesen Schuh muss sie sich nicht anziehen!

von Leimbacher-Mario
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Haben wir die „hässliche“ Stiefschwester(n) im berühmten Märchen nur falsch verstanden? Erst recht in einer längst zum Standard gewordenen disneyfizierten Prinzessinnenwelt? Das fragt massiv augenzwinkernd und bitterböse „The Ugly Stepsister“, in dem sich Aschenputtels (gar nicht so?!) gemeiner und nicht ganz perfekter Gegenpart einigen fiesen körperlichen Torturen unterzieht, um endlich dem Schönheitsideal und der gehobenen Gesellschaft zu entsprechen - und ultimativ den Prinzen zu erobern…

Von Hakennasen und Bandwürmern

Body Horror ist wieder klipp und klar in, war glaube ich nie wirklich weg. Jetzt ist jedoch eine deutliche Welle in dieser Richtung am hin- und herschwappen. Kritik am aktuellen, oberflächlichen und eindeutig wahnsinnigen Zeitgeist samt Schönheitsidealen ist mehr als angebracht und passt gut zu dem Subgenre (wie z. B. „The Substance“ mit Nachdruck gezeigt hat). Und in diese fleischlich-(nicht nur-)feminine Kerbe schlägt nun auch „The Ugly Stepsister“. Märchenhaft gut? Nicht ganz. Aber nah genug dran. Das Ding ist höllisch, attraktiv und macht Spaß. Das Ding ist spürbar europäisch, elektrisiert und nicht anspruchslos. Es hat etwas zu sagen, ohne nur plump mit dem Meißel draufzuhauen und es hat etwas zu zeigen, ohne allein auf Ekel und (Anti-)Erotik zu setzen. Chic. Richtig schmerzhaft. Nie zu flach. Alle Ladys gehen an die Schmerzgrenze. Tolle Klamotten. Schwarzer Humor. Kein Erbarmen. Treibende Synthiebeats. Das trifft sicher nicht nur (m)einen empfindlichen Nerv… „The Ugly Stepsister“ kann was! Und wenn man überlegt, dass das deutlich näher am Originalmaterial als an Disney ist, dann weiß man wieder, wie düster diese Märchen eigentlich wirklich waren/sind… Und spätestens wenn im Finale Fulci zitiert wird, komme ich um ein hüpfendes Herz nicht umher.

Modrig, madig, modisch

Fazit: Schön, fies, aktuell und akut. Dazu höchst stylisch und gut getimed, gepaced, getaktet und ausgestattet. Mutig gespielt. Und mit europäischer Kante, die Hollywood so nicht liefern kann. Die Schattenseiten eines Märchens - und der aktuellen Modeerscheinungen und Promivorbilder! - ganz nach meinem Geschmack. Diabolisch delikat.
Leimbacher-Mario
sah diesen Film im Residenz, Köln

10.05.2025, 02:27


Unappetitliche Langeweile

von Alexander
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„The Ugly Stepsister“ zieht sich in der ersten Filmhälfte wie ein Bandwurm, und sieht dabei aus wie eine osteuropäische Fernsehproduktion aus den 70er Jahren, teilweise vielleicht auch wie ein Amateurporno aus dem Ostblock.

Lang und leider auch in weiten Teilen langweilig, vor allem aber das Gegenteil von spannend oder gar packend, wird eine uns bereits allseits mehr als nur bekannte Aschenbrödel-Geschichte zu einem Arthouse-Horror der Extralänge aufgedunsen und ähnelt in seiner Gesamtheit dabei seinen moppeligen und blassen Protagonistinnen.

Natürlich folgt der Film der klassischen Geschichte von „Cinderella“ nur ganz grob, doch wird er auch dadurch nicht besser, das die Protagonisten regelmäßig ihre Titten oder zur Abwechslung auch mal einen halbsteifen Penis in die Kamera halten.

Vor allem ist der Film aber eines: eklig! Nur bringt es die Story nicht wirklich voran, wenn man mir als Zuschauer zumutet, das Auspressen eines langzeitgereiften Mitessers in Großaufnahme zu ertragen, und anschauen zu müssen, wie dieser aus der Talkdrüse einer die Leinwand vollumfänglich einnehmenden Nase quillt.

Und selten wurde Essen unappetitlicher in Szene gesetzt, was allerdings weder mit der eigentlichen Geschichte, noch mit dem als „Body Horror“ weitläufig diskutierten Überbau des Filmes zu tun hat, sondern sich einfach nur in eine Serie von ekelhaften Szenen einreiht, die dem ansonsten unfassbar blassen Film wenigstens ein paar kleine Akzente einhauchen, und dies immer ganz kurz bevor man als Zuschauer gänzlich eingenickt ist. Allerdings sollte man dann auch rasch eine Kotztüte zur Hand haben.

Nichts ist hier wirklich spannend, nur wenig interessant, der Horror nicht hart genug und der gesamte Rest einfach nur eklig. Lieber würde ich nackt einen Marathon auf Glasscherben laufen, als mir diesen Schund ein zweites Mal ansehen zu müssen.

Blut, Kotze, Wichse, Schleim und Verwesung alleine machen eben noch lange keinen guten Film. Für tits&ass gibts 3 chauvinistische Gnadenpunkte von mir.
Alexander

13.05.2025, 18:26




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